Experiment: 40 Tage ohne Lüge

Befreiung ist nur durch Wahrheit zu erlangen, davon war Mahatma Gandhi überzeugt. Der deutsche Sportjournalist Jürgen Schmieder hat die Weisheit im Alltag erprobt und sich vorgenommen, 40 Tage lang ehrlich zu sein. «Der Durchschnittsmensch lügt 200 Mal pro Tag», sagt er im Interview mit der Zeitschrift «Provo». Minus 8000 Lügen, hiess es also für Schmieder – kein einfaches Unterfangen. Seine Ehefrau drohte mit der  Scheidung, der Vater schmiss ihn aus dem Haus und ein Freund schlug ihn in den Bauch, weil Schmieder dessen Seitensprung ausgeplappert hatte. Am schwierigsten sei es am Arbeitsplatz gewesen, wo manche Leute einzig aus ökonomischem Zwang zusammen verkehrten. «Beschissener Penner», warf Schmieder einem Kollegen an den Kopf. Ein grobe Beleidigung, doch: «Jemanden anzulügen ist auch beleidigend.» Beim Pokern, wo Täuschung zur Tugend wird, verkündete er immer gleich, welche Karten er auf der Hand hielt – mit Erfolg: «Die beste Tarnung der Welt ist die Wahrheit.» Vor lauter eingekleideter Lügen erkennen wir nackte Wahrheit nicht mehr. «Es tut gut, seine Wut mal rauszulassen.» Schmieder hat aus der Wahrheit gelernt, seinen Arbeitsplatz behalten und die Beziehungen zu Frau und Vater sind besser geworden. Heute lügt er wieder ab und zu, «150 statt 200 Mal», doch die hinterhältigen Lügen verkneift er sich. Aus dem Experiment ist ein Buch entstanden, Schmieder verdient sein ehrliches Geld damit.

Jürgen Schmieder: Du sollst nicht lügen. Von einem der auszog, ehrlich zu sein. C. Bertelsmann, 336 S., Fr. 27.50/Euro 14,95.

25. Juni 2010
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