Gefängnis: «Entsorgung des Sozialmülls»

Die Buchrezension: Loic Wacquant: Bestrafung der Armen – Zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit.

Unter den grossen Skandalen unserer Zeit findet der des Gefängnissystems am wenigsten Beachtung. Im Schatten scheinbar «wichtigerer» Themen wurde in vielen westlichen Ländern der Gedanke der Resozialisierung aufgegeben und durch eine Ideologie des «harten Durchgreifens» ersetzt. Statt nach Ursachen zu suchen, wird der Delinquent entsorgt und gedemütigt. Selbst kritische Zeitgenossen schauen meist weg, denn wer möchte sich schon für «Verbrecher» einsetzen? Dabei übersehen wir, dass die neue Law-and-Order-Politik Teil einer gross angelegten Disziplinierungs- und Verdummungskampagne ist, die auf uns alle abzielt. Es ist das Verdienst des französischen Soziologen Loic Wacquant, das Strafsystem als Teil des neoliberalen Projekt entlarvt zu haben. Das Gefängnis, so Wacquant, habe in Ländern wie den USA und Frankreich zu seiner ursprünglichen Aufgabe zurückgefunden: «Teile der Bevölkerung zu zähmen, die sich der neu entstehenden Wirtschaftsordnung widersetzen, und die Stärke der Regierenden rituell zu behaupten.» Leichte Kost ist dieses aufrüttelnde und verstörende Buch nicht. So spricht der Autor von «pornografischer Fixierung auf Strafen» und von «Entsorgung des Sozialmülls». Dafür legt es den Finger auf eine Wunde, die sich, unbehandelt, immer mehr entzündet: In einem Gesellschaft, die vom Geld beherrscht wird, kann Armut leicht zum Verbrechen werden.




Loic Wacquant: Bestrafung der Armen – Zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit. Verlag Barbara Budrich, 2009, 360 S., Fr. …/ Euro 29.90

16. März 2011
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