Immer gerade aus, zu sich selbst

Dieser Mann umrundete zu Fuss die Welt, das Gepäck in einer einfachen Tasche, schlief fast immer draussen und erreichte schliesslich sein Ziel: inneren Frieden, Freiheit und seine Heimat.
Aufgewachsen ist dieser Mensch als fünftes von elf Kindern in einer frommen Bauernfamilie im Oberaargau mit klaren Werten und festem Bezug zu einer höheren Gewalt. Er lernte Dachdecker, machte die Rekrutenschule und hängte die Schweizer Fahne über seinem Bett auf. Mit 21 Jahren zog er ein erstes Mal für ein paar Monate mit zwei Freunden in die Welt, an die nördliche Spitze Neuseelands. Die drei trennten sich, vereinbarten für ein paar Monate später einen Treffpunkt an der südlichen Spitze und zogen los. Dies sei die schönste, aber auch die dunkelste Zeit seines Lebens gewesen, sagt Peter Egger heute. Und wer seine verrückten Erlebnisse auf der Weltumrundung kennt, kann über die Intensität seiner Zeit in Neuseeland nur mutmassen. «Ich verstrickte mich so sehr in Sünde und erlitt so starke Verletzungen der Seele, dass ich Gott um den Tod bat,» erzählt Peter Egger neun Jahre später. Gott aber lehnte ab und sagte ihm, er sei betrunken von Selbstmitleid. «Ich kann nur geradeaus gehen und erzählen,» entgegnete ihm Peter. «Dann mache das!» antwortete Gott. Das war der Entscheid, die Welt zu Fuss zu umrunden.

Die Vorbereitung: Drei Jahre lange sparte er für seine lange Wanderung, zwei Jahre lang lebte er zur Abhärtung im Zelt. Seine Freundin nähte ihm eine passende Hose, den Mantel und eine einfache Umhängetasche machte er sich selber, dann zog er an einem kalten Novemberabend des Jahres 2007 los, ohne Sprachkenntnisse, ohne Karte, ohne Schlafsack und ohne Zelt, nach Deutschland, durch Polen, Weissrussland, Russland, das endlose Sibirien, die menschenleere Mongolei, das unbegreifliche China, dann über den Pazifik in die USA und schliesslich durch Frankreich zurück zum Startpflock auf einem Feld in der Nähe von Aarwangen im Oberaargau. Dazwischen liegen 511 Tage und 18’000 Kilometer auf unendlichen Landstrassen, Fieberattacken in Frostnächten, hilfsbereite Menschen, Lebensmittelvergiftungen, offene Herzen, mörderische Räuberbanden, starrköpfige Polizisten und ein endloses Selbstgespräch über die eigene Existenz.

Obwohl abgehärtet und durchtrainiert, konnte Peter die ersten sieben eisigen Nächte wegen des Frosts nicht schlafen. In den ersten paar Wochen nahm Peter die Umgebung kaum wahr, so sehr war er mit sich selber beschäftigt. Einladungen schlug er aus, um seine Geschichte nicht immer wieder mit Handzeichen und Skizzen erzählen zu müssen. Er führte nicht nur Tagebuch, sondern schrieb auch seine «Sünden, Geheimnisse und seelischen Verletzungen» auf, schickte seine Aufzeichnungen von Polen aus nach Hause und bat Familie und Freunde um Vergebung, die sie ihm auch gewährten. Nach dem harten Teil der inneren Abenteuer war er nun bereit für äussere Abenteuer, und die sollten intensiver werden, je weiter er nach Osten kam. Sie sind so zahlreich, dass sie den Umfang dieses Artikels bei weitem übersteigen. Nur so viel: In keinem Land wurde Peter Egger so oft verhaftet wie in den USA.

Lassen Sie sich die Geschichte von Peter Egger selber schildern. Er ist ein unterhaltsamer Erzähler, der problemlos grosse Säle füllt, und in diesem Herbst geht er wieder auf Tournee. Vielleicht gibt es später ein Buch und möglicherweise sogar einen Film – über den Menschen, dem Gott gesagt hat, er solle immer geradeaus gehen, und der sich auf diesem Weg gefunden hat.

Die nächsten Vorträge von Peter Egger:
28.10.2011, Hunzenschwil
4./5.11.2011, Baden
18.11.2011, Muri
26./27.11.2011 Belp
Details unter www.olalei.ch (Suchbegriff: Peter Egger)

Diese und weitere Geschichten zum Thema «Der Sprung ins kalte Wasser» lesen Sie im nächsten Zeitpunkt 114, der Ende Juni erscheint.

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21. Juni 2011
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