Kolumne. Sie ist hinterlistig, beherrschend – die Angst. Sie kann den noch so starken Menschen in die Knie zwingen. Und diese Beklommenheit kann manchmal zu ganz komischen Begebenheiten und Situationen führen. Wo es auch mal schroff wird. Muss das sein?

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«Setzen Sie sich gefälligst die Maske auf!» Die erzürnte Wirtin des Bergrestaurants ist bis zu den hintersten Tischreihen hörbar. Nullkommaplötzliche Beklommenheit bekriecht mich auf meinem harten Holzstuhl. Durch einen dekorativen Strauch, der den weiten Innenraum des Lokals etwas unterteilt, sehe ich zwei Männer mittleren Alters im Bikedress. Bis dahin waren die beiden im angeregten Gespräch mit ihren Tischnachbarinnen, die den Berg ebenfalls mit dem Rad erklommen haben.

Nun aber starren die sportlichen Männer etwas verdattert auf die wütende Wirtin. Der eine versucht, ihr etwas zu erklären, ringt mit Worten. Er streckt ihr ein Papier hin. Sein Kollege wiederholt mehrere Male verteidigend: «Er muss keine Maske tragen.» Worte, auf die die Wirtin nicht eingeht und die anscheinend nur noch mehr Öl ins Feuer giessen. Dabei müsste man ja sitzend im Restaurant tatsächlich keine Maske tragen. «Ich zeige Sie an», herrscht sie die Männer an. «Kommen Sie nie wieder in mein Restaurant!» Das sitzt. Die beiden verlassen konsterniert den Raum.

Die Lust auf das lecker aussehende Stück Aprikosenkuchen mit Kaffee ist bei mir mittlerweile vollends verflogen. Schnell schlucke ich den Kuchen runter, spüle mit Kaffee nach und gehe kurz darauf Richtung Ausgang. Im Foyer stehen sie immer noch, die beiden Radler. Sie machen sich für die Abfahrt bereit, setzen ihre Helme auf und ziehen die Reissverschlüsse ihrer Jacken hoch. Ich geh auf sie zu. «Nicht ganz einfach die Situation», eröffne ich das Gespräch. Der eine Mann streckt mir einen Zettel hin. Es ist ein Arztzeugnis. «Ich hatte einen Schlaganfall», sagt er ganz langsam mit ruhiger Stimme, und es ist offensichtlich, dass ihm das Sprechen deswegen schwer fällt. «Ich muss keine Maske tragen, aber ich kann es ihr nicht sagen, sie hört gar nicht hin. Dann komm ich halt nicht mehr hierher.» Dieser Entschluss scheint ihm schwer zu fallen. Vermutlich eine weitere Einschränkung in seinem Leben. Was soll man da als Aussenstehende sagen?

Die Angst führt dazu, dass unsere Emotionen sehr schnell hochkochen und unser logisches Denken lahmgelegt wird. Damit verhindert sie auch schnell den sachlichen Dialog. Gerade dieses logische, eigenaktive Denken bräuchte aber jeder Einzelne, gerade in diesen turbulenten Zeiten. Damit man der gesamten Schwemme der Informationen, die aktuell mehr denn je auf uns einprasseln, nicht ausgeliefert ist. Der Mensch kann sich schützen. Nicht durch einen Rückzug, sondern mit einem wachen, aktiven Bewusstsein. Mit einem unabhängigen Denken. Bestenfalls mit einem edlen Ziel, das er im Leben verfolgen und verwirklichen will. Mit einem Ideal, das ein führender Gedanke in sich trägt. Ein Gedanke, der den Menschen sinnbildlich «über dem Wasser» gehen lässt, sinngemäss: über die aktuellen medialen und angstschürenden Informationen.

Wie die Seerose den Kopf über der Wasseroberfläche trägt, den Stiel im schlammigen Wasser, so kann der Mensch den Gedanken wie eine Krone tragen und sich nicht von all den zum Teil falschen Meldungen ins Dunkel ziehen lassen, sondern erhobenen Hauptes durch das Leben gehen. Durch die Kraft des Gedankens, der ein Sonnenbürger, der Geist ist, weichen die Ängste zurück. So entsteht auch wieder mehr Verbindung statt Trennung zu den Mitmenschen. Und mehr Raum für Empathie und Mitgefühl. Wenns nicht anders geht: selbst hinter einer Maske.

 

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Lis Eymann aus Biel ist freie Journalistin und Radiomoderatorin und hat Soziale Integrität und Meditation an der Akademie für Soziabilität studiert.
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