Robbenmassaker staatlich zertifizieren?

Eine unbedachte Motion des Ständerats verharmlost die grausame Robbenjagd in Kanada. Für OceanCare, die Schweizerische Organisation zum Schutz der Meeressäuger, völlig unverständlich. Unter Berücksichtigung aller Fakten ist nur ein Handelsverbot mit Robbenprodukten vertretbar.

Eine von OceanCare zusammen mit Nationalrat Ruedi Aeschbacher (EVP) initiierte Motion für ein Schweizer Handelsverbot mit kanadischen Robbenprodukten wurde vom Bundesrat und Nationalrat angenommen. Doch der Ständerat hat sich kürzlich dagegen ausgesprochen und eine neue Motion formuliert, die der grausamen Robbenjagd in Kanada Tür und Tor öffnet. Seit 1996 findet an der Ostküste Kanadas das weltweit grösste Massaker an Meeressäugern statt. Zwischen 200'000 und 300'000 junge Sattelrobben müssen dabei ihr Leben lassen – jedes Jahr.

Noch immer sind die Tötungsmethoden sehr grausam, obschon die Kanadische Regierung beteuert, die Robben würden heute «humaner» getötet: Die mit Keulen oder grossen Haken erschlagenen oder bewusstlos geschlagenen Robben müssen neu auf dem Eis durch Aufschneiden der Schlagadern ausgeblutet werden, um das Häuten von noch lebenden Tieren zu verhindern. Nach der Häutung verrottet der restliche Kadaver nutzlos. Weder aus Sicht der Wirtschaft noch des Tierschutzes ist die mit Staatsgeldern subventionierte Jagd vertretbar. Der Anteil der Robbenjagd am Bruttosozialprodukt Kanadas beläuft sich gerade mal auf 0,0009 Prozent!

Mittlerweile beschuldigt das offizielle Kanada nicht mehr die Robben für das Verschwinden des Kabeljau. Hierzulande allerdings scheinen die völlig überholten Argumente der Robbenjagd-Lobby noch immer gut anzukommen. So transportierte ein Schwerpunktbeitrag in einer grossen Schweizer Sonntagszeitung doch tatsächlich ganz aktuell den veralteten und tendenziösen Fehlschluss, man müsse Robben töten, um den Kabeljau zu retten. Kanadas Robbenjäger bedanken sich. Für diese scheint auch die Wettbewerbskommission WBK des Ständerats viel Gehör zu finden: Sie lehnt eine notabene vom Bundes- und Nationalrat zuvor gutgeheissene Motion für ein Handelsverbot mit Robbenprodukten in der Schweiz ab.

Die WBK begründet ihre Ablehnung damit, dass ein Handelsverbot das Problem nicht löse. Zwar verurteilt man die Grausamkeit der Robbenjagd. Trotzdem legt die WBK nun eine Motion vor, die nur Robbenprodukte untersagen will, welche nicht aus staatlicher Jagd stammen und nicht unter Einhaltung massgeblicher Tierschutzstandards zustande kamen. Das nützt den kanadischen Robben nichts; Tierschutzstandards sind festgelegt und die Robbenjagd in Kanada ist staatlich bewilligt. Eine zuverlässige Kontrolle zur Einhaltung der Standards aber ist angesichts der Grösse des Jagdgebietes unrealistisch. Man müsste jedem Jäger einen Kontrolleur zur Seite stellen.

Neu an der ständerätlichen WBK-Motion ist allerdings, dass sie sogar zu einer Legitimation des Robbenmassakers führen könnte, denn die WBK will eine Zertifizierung von Robbenprodukten prüfen. Nebst tierschützerischen Bedenken stellt OceanCare fest, dass sich die WBK mit der Motion gegen die Meinung einer deutlichen Mehrheit unserer Bevölkerung stellt: Allein aus der Schweiz sind in den letzten fünf Jahren mehrere hunderttausend Protestkarten und Protestschreiben an die kanadische Regierung gegangen.

Mit einem Handelsverbot umgekehrt würde die Schweiz nicht allein dastehen. Belgien, die Niederlande, Slowenien und Kroatien haben solche Verbote bereits erlassen. In Österreich und Deutschland laufen ähnliche Gesetzgebungsverfahren und auch die EU-Kommission prüft zurzeit ein Verbot der Einfuhr und des Handels mit Robbenprodukten. OceanCare, die Organisation zum Schutz der Meeressäuger und ihrer Lebensräume, engagiert sich weiter konsequent dafür, dass die sinnlose und grausame Robbenjagd endlich aufhört. In diesem Sinne setzt sie sich für eine Wiedererwägung der ersten Motion für ein Handelsverbot mit Robbenprodukten durch den Ständerat ein.

Diesem Engagement können sich alle anschliessen mit einem Schreiben unter: http://www.oceancare.org/de/protestbrief/WBK-Kommission_Robbenjagd.php