«Ein Gemeinschaftsgefühl entsteht, wenn man zusammenkommt und musiziert»

Mit Zirkuswagen, Openair-Bühne und anderen Liedermachern ging Irene Mazza auf Troubadix-Tour. Als Künstlerin geniesst sie die Narrenfreiheit, auch schwierige Themen in ihren Liedern aufzugreifen. Im Interview mit dem Zeitpunkt gibt sie Einblick in aktuelle Projekte, wie etwa ihre neue CD.

© Silvio Grogg

Zeitpunkt: Was hat Sie zur neuen CD inspiriert?

Irene Mazza: Die Produktion einer CD ist für mich immer auch Abschluss einer musikalischen Reise oder eines musikalischen Lebensabschnitts. Indem die Lieder auf einem Album verewigt werden, entsteht Platz für Neues. Vor fünf Jahren habe ich angefangen, mehrheitlich auf Berndeutsch zu schreiben. Das war neu für mich; auf meiner ersten CD singe ich vor allem Englisch, Französisch, Italienisch und Lingala (Kongolesisch). Die Inspiration zur Mundart kam von einem Liedermacherkreis, der sich regelmässig trifft und bei dem wir uns immer wieder neue Aufgaben stellen. Diesem Kreis verdanke ich die Songs auf meinem Album und die Inspiration, mich mit meinem Dialekt auseinanderzusetzen. Hinzu kam, dass ich letztes Jahr meine Jobs als Pflegefachfrau verlor, weil ich nicht geimpft bin. Das gab mir den Impuls, die Motivation und auch die nötige Zeit, um ein neues Album aufzunehmen und ganz für die Musik zu gehen.

Welche positiven Erfahrungen haben Sie während der Troubadix-Tour gemacht?

Mit Troubadix auf Touren ging für mich schon zum zweiten Mal ein Traum in Erfüllung: Mit drei Zirkuswagen, einer Openair-Bühne und fünf LiedermacherInnen durch die Schweiz zu ziehen, so wie die Troubadouren im Mittelalter. Damals gab es noch kein Radio und kein Fernsehen und die Geschichten wurden in Form von Liedern zu den Leuten gebracht. Als Liedermacherin geniesse ich eine gewisse Narrenfreiheit, ich kann schwierige Themen in Lieder verpacken und sie so erträglich machen. Das Publikum war immer wieder sehr berührt von unserer Show; manchmal flossen Tränen. Ich denke, das liegt an der Einfachheit und Ursprünglichkeit der fahrenden Strassenkunst, die in den Menschen eine Sehnsucht weckt. Aber auch am Gemeinschaftsgefühl, das entsteht, wenn man zusammenkommt, musiziert und das Leben feiert. Das kam in den letzten Jahren wohl zu kurz.

Wie erleben Sie das Revival der alternativen Kultur-Szene?     

Ich habe eher das Gefühl, dass es eine Neugeburt ist und nicht ein Revival. Nachdem die Kunstszene vor zwei Jahren stillgelegt wurde, hat sie sich selbst neu erfunden und neue Wege gesucht, um trotzdem kreativ zu sein. Das war auch der Grund, warum wir Troubadix auf Touren vor zwei Jahren im Freien durchgeführt haben. Das Ganze war eigentlich auf einer Innenbühne geplant, doch das hätten wir damals aufgrund der Massnahmen nicht durchführen können. Deshalb haben wir kurzfristig umdisponiert und bei winterlichen Temperaturen draussen gespielt. Das Publikum war sehr dankbar; sie kamen mit dicken Jacken und Wolldecken und haben zusammen mit uns gefroren. Strassenkunst war in dieser Zeit populärer denn je und auch dieses Jahr haben viele MusikerInnen ihre Konzerte im Freien veranstaltet. Viele Menschen haben nach wie vor Angst, sich in Innenräumen aufzuhalten. Entsprechend schwierig ist es für Veranstalter, ihre Lokale zu füllen. Schade finde ich zudem, dass es auch in der Kulturszene eine Spaltung gegeben hat.

Welche Neuigkeiten gibt es in Bezug auf das Projekt «Musik ohne Grenzen»?

Seit sieben Jahren vermittle ich Instrumente an geflüchtete Menschen in der Schweiz. Dabei entstehen immer wieder berührende Geschichten. Zum Beispiel die Begegnung mit einer Musikerin aus dem Iran, die sich eine Daf (Rahmentrommel) wünschte, um traditionelle Lieder zu singen. In ihrem Land war es ihr als Frau untersagt, öffentlich aufzutreten. Als sie bei der Übergabe anfing zu singen, hatte ich Gänsehaut. Manchmal entstehen auch Freundschaften. Zum Beispiel mit Nihad Sayed Khalil aus Syrien, der auf meiner neuen CD mitgewirkt hat und mich auch an meiner CD-Taufe am 13. November begleiten wird. Ich erlebe Musik immer wieder als Brückenbauer und Trostspender. Aktuell suche ich ein E-Piano und eine Geige für geflüchtete Frauen im Raum Zürich.

Website: Irene Mazza

TOURDATEN

29. Oktober, 2022, 17.00 Uhr

Château Chanson, Schloss Waldegg, SO

10. November 2022, 18.00 Uhr

Offenes Atelier, Kreuzlingen

13. November 2022, 19.00 Uhr

CD-Taufe “Aberäbä”, Dimensione, Winterthur

23. November 2022, 20.30 Uhr

Werkplatz Kultur, Lokal, Winterthur

24. November 2022, 19.30 Uhr

Werkstatt Saienbrücke, Urnäsch

27. Januar 2023, 20.00 Uhr

Die Brücke, Laufenburg

28. April 2023, 20.00 Uhr

Bistro Chez Ulrique, Stein am Rhein

 
27. Oktober 2022
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