Daniele Ganser schrieb vor einigen Tagen auf seinem telegram-Kanal: «Ich bin der Meinung, dass Deutschland die NATO verlassen und sich als neutrales Land für den Frieden engagieren sollte. Das ist natürlich ein heisses Thema. Wenige getrauen sich darüber zu sprechen. In den Massenmedien taucht diese Forderung daher praktisch nie auf.»
In etwas mehr als drei Wochen wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Doch in Bezug auf Kriegstüchtigkeit und Frieden erwartet uns – bisher – nichts Neues. In der Ampelregierung lehnte wenigstens noch der blasse Bundeskanzler Olaf Scholz die Taurus-Lieferung in die Ukraine ab. Es wirkte wie ein Grashalm oder ein seidenes Fädchen, an das sich unsere Friedenshoffnung klammerte.
Die meisten Friedensbewegten dachten wahrscheinlich, schlimmer als mit der Ampel könnte es nicht kommen: Die Grünen hatten ihre pazifistische Herkunft weggeworfen. Die FDP-Bundeswehrexpertin Strack-Zimmermann machte mitmarkigen Sprüchen und Waffenforderungen von sich reden, z.B.: «Sie brauchen, um aus Sicht der Bundeswehr zu agieren, ein Feindbild.» Und SPD-Verteidigungsminister Pistorius will Deutschland «kriegstauglich» machen und brachte eine neue Wehrpflicht ins Gespräch.
Doch nun erwarten wir einen CDU-Kanzler Merz. Von ihm, dem bisher erfolgreichen Anwalt für Industrie- und Finanzinteressen - siehe BlackRock, siehe BASF, sind sicher keine Skrupel zu erwarten, wenn es um weitere Waffenlieferungen in die Ukraine, nach Israel oder an andere Kriegsherde geht. Nichts Neues also? Gibt es überhaupt Parteien in Deutschland, die für Frieden und Neutralität eintreten? Vielleicht gar für den Austritt aus der NATO?
AfD und BSW nennen sich beide Friedenspartei. Sie teilen einige gemeinsame Positionen und sprechen sich etwa gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Doch wie belastbar sind ihre Friedensaussagen?
Die AfD-Bundestagsfraktion hat in der Jungen Freiheit (15/23) verlautbart: «Wir stehen fest an der Seite unserer Bundeswehr und setzen uns dafür ein, sie zu stärken.» Man vertrete «deutsche Interessen», und Waffenlieferungen an die Ukraine schwächten die Kampfkraft der Bundeswehr. Die AfD befürwortet die gewaltigen Zahlungen für die Rüstung sowie die Wiedereinführung der Wehrpflicht. AfD-Abgeordneter General a.D. Joachim Wundrak befürwortet auch die Sanktionen gegen Russland, sofern Deutschland sich nicht selbst zu sehr schade. Die «wehrtechnische Industrie in Deutschland liegt uns als AfD sehr am Herzen», betonte der Abgeordnete Malte Kaufmann. Die deutsche Rüstungsindustrie brauche Planungssicherheit, Abnahmegarantien und eine Exportpolitik ohne «links-grüne Hypermoral». Zur NATO sagt das AfD-Programm, es gebe «auf absehbare Zeit keine gleichwertige Alternative». Die «nuklearen Fähigkeiten der Partner» stellten eine «wesentliche Komponente der militärischen Abschreckung dar».
Das BSW-VG – Bündnis Sahra Wagenknecht, Vernunft und Gerechtigkeit – lehnt zwar in seinem Programm «den Einsatz deutscher Soldaten in internationalen Kriegen ebenso ab wie ihre Stationierung an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer.» Und: «Eine Militärallianz, deren Führungsmacht in den zurückliegenden Jahren fünf Länder völkerrechtswidrig überfallen und in diesen Kriegen mehr als 1 Million Menschen getötet hat, schürt Bedrohungsgefühle und Abwehrreaktionen und trägt so zu globaler Instabilität bei. Statt eines Machtinstruments für geopolitische Ziele brauchen wir ein defensiv ausgerichtetes Verteidigungsbündnis, das die Grundsätze der UN-Charta achtet, Abrüstung anstrebt, statt zu Aufrüstung zu verpflichten, und in dem sich die Mitglieder auf Augenhöhe begegnen.»
Die NATO wird aber nicht beim Namen genannt. Wirklich Farbe bekennt auch das BSW nicht. Vielleicht ist es in Thüringen und Sachsen der Macht zu nah gekommen, um sich deutlich für Frieden und Neutralität auszusprechen. Der Kolumnist Ulrich Gellermann schreibt dazu: «Wer den Feind der Völker nicht beim Namen nennt, der kann das Volk auch nicht ernsthaft gegen den Feind mobilisieren. Der führt es nur zum nächstbesten Wahl-Lokal. Da gibt man dann seine Stimme ab und bekommt sie nie wieder.»
Entschlossener agiert die – in der Bundestagswahl chancenlose – Partei dieBasis. Ihre AG Frieden trögt die Vision eines neutralen Deutschland in die Öffentlichkeit – mit einer Unterschriftenaktion und Veranstaltungen auch mit Aktiven aus Österreich und der Schweiz. Auf der neuen Webseite deutschlandneutral.de heisst es:
Wir erklären: Deutschland soll neutral werden – nach dem Grundgedanken von Schweiz und Österreich.
- Dann wird sich Deutschland nicht mehr in Kriege im Ausland einmischen.
- Dann wird Deutschland keinen Bündnissen mehr angehören, über die es in Kriege hineingezogen werden kann.
- Dann wird es auf deutschem Boden keine ausländischen, der Kriegführung dienenden Militäreinrichtungen mehr geben.
- Dann werden in Deutschland keine Atomwaffen und keine Mittel- und Langstreckenraketen stationiert sein.
- Dann wird Deutschland kein Kriegsmaterial mehr ins Ausland liefern.
- Dann wird die Bundeswehr nur der Landesverteidigung dienen.
- Dann wird von deutschem Boden Frieden ausgehen und sich Deutschland als aktiver Friedensvermittler verstehen.
- Nur so gewinnen wir auf Dauer Sicherheit.
Zu den Erstunterzeichnern der Initiative gehören Eugen Drewermann, Zeitpunkt-Herausgeber Christoph Pfluger und weitere 100 Personen und Organisationen. Christoph Pfluger dazu: «Frieden ist als politischer Begriff verbraucht, auch Kriegstreiber brauchen ihn. Neutralität dagegen ist die Voraussetzung für Frieden. Wir arbeiten am Aufbau einer Bewegung für Neutralität, die die Kraft der früheren Friedensbewegung übernehmen soll. Teil unserer Kampagne ist auch die Unterstützung von Neutralitätsbewegungen in anderen Ländern.»