SLAPP-Strategie gegen Tierschutzbund – oder: Immer noch Qualfleisch auf Schweizer Tellern

Pferdefleischimporteure und Tierschutzverbände duellieren sich vor Gericht. Die Fleischimporteure haben sich zu einer aggressiven juristischen Kampagne abgesprochen, um unter anderem den Tierschutzbund Zürich zu zermürben.

Pferdefarm in Uruguay: Ein liegendes Pferd wird mehr als 24 Stunden lang sich selbst überlassen. Foto: zVg
Pferdefarm in Uruguay: Ein liegendes Pferd wird mehr als 24 Stunden lang sich selbst überlassen. Foto: zVg

Seit 2012 setzt sich der Tierschutzbund Zürich gegen den Import von so genanntem Pferde-«Qualfleisch» aus Lateinamerika ein, zeigt drastische Bilder und Videos von hungernden, geschlagenen, verletzten und unterversorgten Pferden – zum Beispiel in der argentinischen Pferdefarm Lamar: Der TSB zeigt darin u.a. Razzien der argentinischen Polizei, die 144 Pferde in Lamar schlechtem Gesundheitszustand beschlagnahmt hatte. Die Polizei stellte auch gefälschte Transportpapiere und Waffen sicher. 

Die Videos vom Tierschutzbund Zürich (TSB) und Animal Welfare Foundation (AWF) zeigen Auktionen, Sammelstellen und Transporte bis hin zu den Schlachthöfen und beweisen: Pferde werden systematisch vernachlässigt und gequält, bevor sie für den Export in die EU und die Schweiz geschlachtet werden. Sie werden über Strecken bis zu 2 500 km in ungeeigneten Fahrzeugen transportiert – ohne Versorgung mit Wasser und Futter.

In Folge der TSB-Kampagnen brach die Einfuhr von Pferdefleisch zunächst ein. Migros, Coop, Volg, Aldi und Denner stellten den Verkauf ein, der Fleischverband Proviande rief vor einem Jahr zu einem freiwilligen Verzicht von Pferdefleisch aus Übersee auf. Kein Wunder, dass die Veröffentlichungen des TSB wie auch seiner deutschen Partnerorganisation Animal Welfare Foundation (AWF) den Importeuren ein Dorn im Auge sind. 

Doch immer noch landet auf Schweizer Tellern Fleisch von gequälten, verletzten und abgemagerten Pferden aus Südamerika. Denn Skin Packing in Gland (VD) am Genfersee sowie und der drittgrösste Pferdefleischhändler, Delicarna in Pratteln, setzen nun verstärkt auf Import aus Uruguay und Argentinien.

Skin Packing gibt dabei an, Fleisch aus Südamerika sei unbedenklich. Sein Label «Respectful Life» soll angeblich für ein artgerechtes Pferdeleben stehen. Der Lebensmittelhändler Aligro verkauft das Pferdefleisch mit dem Label in seinen Läden. 

«Respektvoll» ist der Umgang mit den Tieren aber keineswegs, findet Tabea von Ow vom TSBAuch auf den Schlachthöfen, von denen das mit dem Label versehene Fleisch kommt, hätten die Mitarbeiter des TSB massive Mängel festgestellt.

Gegen die Videorecherche über «Respectful Life»-Schlachthöfe setzte sich Skin Packing mit einer aggressiven juristischen Kampagne zur Wehr. Nach Ansicht des TSB versucht der Importeur mit mehreren Klagen wegen übler Nachrede, die Tierschutzorganisation mürbe zu machen.

Mit seiner Strategie ist Skin Packing allerdings mehrfach gescheitert – zuletzt im Dezember vor dem Bezirksgericht in Nyon in einem Zivilverfahren. Zuvor hatte bereits das Obergericht des Kantons Zürich in einem wegweisenden Urteil für den Schweizer Tierschutz im Strafverfahren zugunsten des TSB entschieden. Das Gericht stellte in seinem Urteil (Geschäftsnummer UE230157-O/U) seitens des TSB keine gezielte Schädigungsabsicht gegenüber dem Importeur fest. Es gehe dem TSB einzig um die Verbesserung der Lebensumstände der Pferde und nicht darum, Skin Packing in Verruf zu bringen, urteilten die Richter. Sie hielten zudem fest, dass das monetäre Interesse des Pferdefleischimporteurs vor den gemeinnützigen Interessen der Tierschutzorganisation zurückzutreten habe.

Dieses Urteil ist bislang einmalig im Schweizer Justizsystem. Auch der belgische Verband der Fleischgrosshändler FEBEV schaltete sich ein und versuchte, den Film mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen, ebenfalls ohne Erfolg. 

Bei einer erneuten Gerichtsverhandlung mit dem FEBEV in Brüssel am Montag vor einer Woche räumte der Anwalt des belgischen Fleischhändlerverbands nun ein, sich mit Skin Packing abgesprochen zu haben. Ein solches Vorgehen nennt man auch SLAPP-Strategie: Es zielt darauf ab, die nicht gewinnorientierte Organisation mit juristischen Grosskampagnen in die Knie zu zwingen, um sich deren Kritik nicht mehr stellen zu müssen. Damit versuchen die profitorientierten Qualfleischimporteure zu erreichen, dass der TSB, der sich nur über Spenden finanziert, wegen fehlender Mittel aufgibt. «SLAPP» steht für «strategic lawsuit against public participation» und beschreibt eine gezielte Zermürbungskampagne von finanzkräftigen Parteien gegen finanziell schwache, oft gemeinnützige Organisationen.

Der Tierschutzbund Zürich lässt sich davon nicht einschüchtern. Er fordert den sofortigen Importstopp für Pferdefleisch aus Südamerika. In seinem neuen Film «Pferdefleisch vor Gericht» dokumentiert der TSB seine Recherchen aus den Jahren 2022 bis 2024. Er bezieht sich konkret auf die in der gerichtlichen Auseinandersetzung stehende Kritik an der Pferdefleischproduktion in Argentinien.

Weitere Informationen

Tierschutzbund Zürich
Kempttalstrasse 29
CH-8308 Illnau

[email protected]