Trittbrettfahrerei ahnden

Spieltheorie zeigt Möglichkeiten für Klimaverhandler

Bei allen internationalen Bemühungen, die Treibhausgas-Emissionen zu verringern, sind Trittbrettfahrer ein Problem. Einen neuen Lösungsansatz für den Umgang mit solchen Staaten zeigt eine Studie aus der ökonomischen Spieltheorie auf. Gemäss Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgen-Forschung ist es zumindest auf dem Papier möglich, ein höheres Mass internationaler Zusammenarbeit zu erreichen.

«Trittbrettfahrer sind Länder, die weiter ungehemmt CO2 ausstossen, auch wenn sich ein Grossteil der internationalen Staatengemeinschaft zur Emissionsreduktion verpflichtet», sagt Leitautor Jobst Heitzig. Diese Länder profitieren vom Klimaschutz, den andere durch CO2 einsparende Massnahmen wie beispielsweise die Umstellung auf erneuerbare Energien finanzieren. Dies schreckt dann auch viele jener Nationen ab, die etwas gegen die Erderwärmung tun wollen - wegen der Trittbrettfahrer erscheint ihnen das weniger lohnend. Bisher haben spieltheoretische Untersuchungen deshalb die Chancen für mehr Zusammenarbeit beim Schutz des Weltklimas als eines besonderen öffentlichen Guts «eher pessimistisch eingeschätzt», so Heitzig.

Wenn aber die Staatengemeinschaft ein Ausbrechen aus den Emissionsreduktionen auf eine neuartige Weise zu bestrafen androht, so die Analyse der Forscher, erscheint eine langfristige internationale Kooperation beim Klimaschutz wahrscheinlicher: Stösst ein Land in einer Verpflichtungsperiode mehr CO2 aus als vereinbart, könnten die anderen Staaten in der nächsten Verpflichtungsperiode in einem bestimmten Mass dasselbe tun. «De Trittbrettfahrer können nicht mehr darauf rechnen, dass andere für sie die Aufgabe des Klimaschutzes übernehmen", so Heitzig. «Sie hätten einen Anreiz, einen eigenen Beitrag zu leisten.»

Eine solche Strategie wäre flexibel und dynamisch - sie droht nicht mit einem Abbruch der Kooperation, sondern nur mit graduellen Veränderungen, wobei die Verhältnismässigkeit der Reaktionen gewahrt bliebe. Kurzfristig könne sich die Emissionsbilanz verschlechtern, langfristig aber stabilisiere sie sich, kalkulieren die Wissenschaftler. Statt um bislang diskutierte und für die Weltwirtschaft problematische Sanktionen wie Strafzölle geht es um Sanktionen im System der Emissionsreduktionen selbst, beispielsweise durch eine zeitweise Umverteilung von Emissionsrechten.

Allerdings seien in dieser Analyse «eine ganze Reihe Annahmen enthalten», sagt Heitzig:

1. geht die Spieltheorie in in diesem Fall davon aus, dass alle Akteure sich weitgehend rational verhalten.
2. wird angenommen, dass die Akteure im Wesentlichen das Ziel des Klimaschutzes teilen.
3. ist das Modell der internationalen Klimapolitik stark vereinfacht. «Es ist eine Modellstudie, die von einem im schlimmsten Falle rein eigennützigen Verhalten der Akteure bei ihrer langfristigen Kosten-Nutzen-Optimierung ausgeht.

Jenseits der Kalküle der Spieltheorie gibt es gute Gründe für Staaten, Vorreiter des Klimaschutzes zu sein. Sie können Vorbild für andere sein. Wer führend ist beim Umbau seines Energiesystems, hat auch gute Aussichten, international zum Technologieführer zu werden und Innovationen gewinnbringend zu exportieren.


Die Studie entstand im Rahmen des Potsdamer Forschungs- und Technologieverbundes zu Naturgefahren, Klimawandel und Nachhaltigkeit (PROGRESS), bei dem Geo-, Klima- und Politikwissenschaftler zusammenarbeiten.


Artikel: Heitzig, J., Lessmann, K., Zou, Y. (2011): Self-enforcing strategies for cooperation in the climate mitigation game and other repeated public good games. Proceedings of the National Academy of Sciences
04. September 2011
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