Unverblümte Buchvernissage im Morgenland

Der phantastische Skultpurengarten «Morgenland» bei Winterthur liegt schon in der Abenddämmerung, als am 25. September pünktlich um 18:30 Uhr die ersten Gäste zur Buchvernissage eintrudeln. Getauft wird das Buch «Unverblümt», eine Sammlung Aphoristischer Denkprosa, frisch aus der edition Zeitpunkt.

Künstler und Buchautor Erwin Schatzmann, seines Zeichens «Hauswart»  dieser märchenhaften Begegnungsstätte, tänzelt zwischen Gästen und Figuren, begrüsst hier und da Freundinnen und Bekannte, alte Verbündete, Weggefährten, Künstlerkollegen und Koriphäen aus der Szene, unbedarft Neugierige und freudig Erregte. Hier findet sich ein buntes Völklein, eine konstruktive, anarchistische Bande, manch eine(r) vielleicht mit der vagen Hoffnung oder dem Vorsatz, selbst bald auch noch viel kompromissloser für das eigene Seelenfeuer einzustehen. Denn das ist etwas vom Wesentlichsten, was Schatzmann transportiert.

Mit dem Charme eines Narren
Seit Jahrzehnten folgt Schatzmann unverblümt und kompromisslos seinem ureigenen Weg. «Unverblümt» ist nicht das Ergebnis mühseliger, verkrampfter Schreibtischarbeit, sondern vielmehr gesammelte Ernte eines eigenständigen Lebens – für einmal nicht in Holz, sondern in Buchstaben gemeisselt. Schatzmann`sche Denkprosa entsteht auf Fresszetteln, irgendwo unterwegs. Es sind eingefangene Geistesblitze in Kurzform, wortwörtlich durchlebt, später auf der alten Hermes Ambassador – hartnäckig dem Computer widerstehend – zu Papier gebracht Als Meister der geistreichen Kommunikation in Kürze oder auch länger, was immer es bedarf, setzt er seine Fähigkeit mit dem Charme eines Narren ein, frei, sich jederzeit der Last gängiger Erwartungen zu entledigen.  
Schon sitzt er hinter dem Büchertisch, erste Werke werden schwungvoll signiert, das Team des Zeitpunkt-Verlags strahlt hinter Stapeln des unverblümten Frischlings und neu erschienenen Zeitpunkt-Magazinen. Herausgeber und Verleger Christoph Pfluger rotiert und organisiert, während Kunsthistorikerin  Luzia Cavegn sich zwischen den Skulpturen ihre Zunge wetzt für ihre bald folgende Rede.
Die Ankommenden finden sich inmitten einer lebendigen Skulptur wieder, verwirrt, entzückt in einem Gesamtkunstwerk von Skulptur, Bild, Wort und Lebendigkeit, einem Tanz von Visionen, Selbstwichtigkeit und Ironie, einem Spiegellabyrinth von Sein und Schein.

Laudatio noch und nöcher
In seiner  Rede betont Christoph Pfluger die Kraft an diesem märchenhaften Ort, welche sich in den glücklichen Gesichtern der Anwesenden widerspiegle. Seine Begegnung mit Erwin Schatzmann habe auf Anhieb Früchte getragen und er sei glücklich, deren Samen nun in diesem Werk weiter verbreiten zu dürfen, in dem diese Kraft spürbar lebe.  «Schatzmann ist ein schweizweites Vorbild, wie man frei leben und sich selber dabei treu bleiben kann», sagt Pfluger unter grossem Applaus der Anwesenden.
Luzia Cavegn schwärmt vom «phantastischen Realismus», der Feuer und Sehnsüchte in real ausformulierte Phantasie verdichte. Schatzmann sei ein volkstümlicher Erneuerer, der mit seiner spätbarocken Vorliebe für Schnörkel und Heiligenfiguren, die Welt wieder verzaubere oder vielmehr «schatzmanisiere». Er selbst nenne sich zwar Atheist, doch glaube er ans Gute und Schöne, für das er kämpfe mit der Waffe der Kunst. Wach und offen beobachte er Zeitgeschehen und Geschichte und setze Texte wie Kunstwerke in die Welt. So sei dieses Buch nie geplant gewesen, vielmehr sei es seinem natürlichen Sinnieren über die Welt entsprungen, mit dem Schatzmann einmal mehr positiv in die Welt eindringe.

Von so viel Laudatio berührt, bedankt sich Erwin Schatzmann bei seinen Weggefährten und Freunden und bei allen die ihm geholfen haben, vor allem auch bei seinem Verleger Christoph Pfluger. «Ich habe mir immer gewünscht, diesen Typen mal kennenzulernen. Dass das nun geschehen ist, freut mich sehr.» Das alles sei ein Gemeinschaftswerk. «Ihr seid Teilhaber. Ich mache das Bühnenbild, ihr aber belebt es.»

Seine Texte seien eher für eine Verinnerlichung als für eine Veröffentlichung bestimmt gewesen, meint er. Das Geschriebene für das vorliegende Buch zu ordnen, sei für ihn ein echter Knorz gewesen. «Wie die Fahnen auf diesem Gelände keiner Nationalität, sondern nur dem Wind folgen, so folgten ja auch meine Texte einfach dem Geistwind.»
Wichtig sei ihm in erster Linie der Austausch mit Gleichgesinnten, denn: «Man macht schliesslich sein Leben mit denen, die in der Nähe sind. Jedenfalls hoffe ich, dass ihr alle noch ganz oft hier vorbeikommt ...» Mit Handorgel und einer überaus klangvollen Stimme lässt Angela Pina Ganzoni das Gesagte gen Nachthimmel tanzen. Ein gutes Glas Wein zum Wohle des Taufkindes, Begegnungen und Gespräche besiegeln einen besonderen Abend. Aphorismen wie etwa dieser klingen nach: «Die Blume blüht nicht, um aufzufallen. Sie fällt auf, weil sie blüht ...»



Erwin Jakob Schatzmann: unverblümt – aphoristische Denkprosa.
edition Zeitpunkt, 2015, 148 Seiten, mit 13 ganzseitigen, farb. Abb. und einem Nachwort von Lucia Angela Cavegn. Geb. Fr. 18.-


Das «Morgenland» im Industriegebiet von Winterthur, Erwin Schatzmanns Wohn- Arbeits- und Ausstellungsort.
01. Oktober 2015
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