Zwiespältig: Fritz-Schwarz-Gedenkveranstaltung im Sozialarchiv

Die Veranstaltung zum Gedenken an den Schweizer Freiwirtschafts-Pionier Fritz Schwarz (1887-1958) anlässlich der Übergabe seines Nachlasses ans Schweizerische Sozialarchiv in Zürich hinterliess einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits war die Genugtuung darüber groß, dass der Kämpfer für eine gerechtere Gesellschaft bei dieser Gelegenheit in Zeitungen und am Radio auch öffentliche Anerkennung fand, anderseits wurde die FFF-Lehre (Freiland, Freigeld, Festwährung) und ihr Begründer, Silvio Gesell (1862-1930), meines Erachtens nicht gebührend gewürdigt.

Der empathischen Charakterisierung Fritz Schwarz’ und der Freiwirtschaft durch Anita Ulrich, Leiterin des Sozialarchivs, und Ruth Binde, Tochter von Fritz Schwarz, die keinen Zweifel daran liess, dass der Einsatz für eine Alternative zum Kapitalismus mit den Mitteln einer Boden- und Geldreform weitergehen müsse, folgte der Versuch einer geschichtlichen Einordnung Gesells und seiner Lehre durch die beiden Historiker Jakob Tanner und Tobias Straumann. Sie lief im Wesentlichen darauf hinaus, dass die ernstzunehmenden Postulate der Freiwirtschaft, nämlich die Abschaffung des Goldstandards, die Freigabe der Wechselkurse und die Kontrolle des Preisniveaus durch die Notenbanken, inzwischen erfüllt seien. Doch eine solche Schubladisierung Gesells und seiner Anliegen scheint mir unangemessen. Die FFF-Lehre bestreitet ja, dass ohne Freiland und Freigeld eine feste Währung möglich sei – was umgekehrt bedeutet, dass eine feste Währung ohne Freiland und Freigeld nur eine Täuschung sein kann. Dieser Zusammenhang wird leider durch die aktuelle Finanzkrise mit aller Deutlichkeit bestätigt. Wer meint, mit der Durchsetzung der Goldunabhängigkeit, Wechselkursfreiheit und Inflationskontrolle seien die Voraussetzungen für eine Festwährung geschaffen und somit das Ziel der Freiwirtschaft auch ohne die beiden ersten F (Freiland und Freigeld) erreicht, täuscht sich und die andern. Denn in Gesells Zinseszins- und Bodeneigentumskritik steckt eine berechtigte und weiterführende Kapitalismusanalyse, die zwar von der offiziellen Ökonomik und Wirtschaftshistorie verschwiegen wird, aber gerade in der jetzigen Krisensituation dringend nötig wäre und klärend und zukunftsweisend sein könnte.

Wenn man – wie Tanner – Gesells Sozialdarwinismus ablehnt, ist es wichtig zu sehen, dass Silvio Gesell nicht Fritz Schwarz war. Dessen christliche Motivationsquelle machte es unvermeidlich, Gesells krude Zuchtauswahl zu verwerfen und den Wechsel vom Prinzip Eigennutz zum Prinzip Solidarität zu vollziehen.

In Bezug auf die FFF-Lehre geht der Blick in die Vergangenheit eigentlich in die falsche Richtung; man müsste die Gegenwart und die Zukunft thematisieren. Dann könnte man das Potential der Lehre aufgreifen und weiterentwickeln. Aber dazu müsste man gerade die beiden ersten F und Hauptpfeiler der Lehre, also die Boden- bzw. Ressourcen-Eigentumskritik und die Zinseszins- bzw. Kapitalblasen-Kritik, besonders hervorheben. Dass darin sowohl der kapitalismuskritische Stachel als auch die entwicklungsfähige Alternative steckt, scheint Manfred Papst von der NZZ am Sonntag besser verstanden zu haben, wie sein Artikel vom 9. 11. 2008 zeigt: Würden nämlich die beiden Hauptpunkte, „Bodenspekulation und Kapitalzins“, “im Licht der gegenwärtigen Finanzkrise“ thematisiert, käme die eigentliche „Brisanz“ der FFF-Lehre zum Vorschein. Verdrängt man aber diese beiden Forderungen, macht man sich zum Totengräber einer wirtschafts- und gesellschaftserneuernden Bewegung.

Wieder aufgelegte Bücher von Fritz Schwarz im Synergia-Verlag
25. November 2008
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