Indien setzt sich als Stimme des Globalen Südens für einen Waffenstillstand in der Ukraine ein
Das grösste Entwicklungsland balanciert mit seiner «prinzipiellen Neutralität» zwischen den Blöcken, schreibt Andrew Korybko

(auszugsweise)
Da Indien als grösstes Entwicklungsland die Stimme des Gewissens für den gesamten globalen Süden ist, konnte es der gemeinsamen Politik der prinzipiellen Neutralität dieser Dutzenden von Staaten gegenüber dem Ukraine-Konflikt endlich die weltweite Aufmerksamkeit verschaffen, die sie verdient.

Auf dem G20-Gipfel in Bali erklärte indische Premierminister Modi seinen Amtskollegen, dass «wir einen Weg finden müssen, um in der Ukraine auf den Pfad der Waffenruhe und der Diplomatie zurückzukehren». Premierminister Modi verurteilte dann den Vorschlag des Westens, die Preise für russische Energie zu deckeln und warnte vor der Lebensmittelkrise durch die Exportbeschränkungen für Düngemittel.

Mit diesen drei pragmatischen Positionen umriss Modi die Politik der prinzipiellen Neutralität gegenüber dem wichtigsten Stellvertreterkrieg des Neuen Kalten Krieges zwischen der «golden billion» (goldene Milliarde) des US-geführten Westens und dem von den BRICS und der Shanghai Cooperation Organusation (SCO) geführten Globalen Süden, zu dem Indien gehört.

Indiens meisterhafter Spagat zwischen den beiden Blöcken hat dazu geführt, dass das Land zum Königsmacher in deren weltweitem Wettbewerb geworden ist, ganz zu schweigen von der Stimme des Gewissens für den gesamten Globalen Süden.

Die Goldene Milliarde lehnt einen Waffenstillstand in der Ukraine strikt ab, zumindest offiziell, und ist ebenso unnachgiebig, wenn es darum geht, die Preise für russische Energieexporte zu deckeln und den Export von Düngemitteln weiter zu erschweren (letzteres widerspricht der offiziellen Rhetorik).

Als grösstes Entwicklungsland der Welt fühlt sich Indien in besonderer Weise verpflichtet, seine gemeinsame Besorgnis über diese unverantwortliche Haltung auf globaler Ebene zum Ausdruck zu bringen.

Gelingt es nicht, in der Ukraine einen Waffenstillstand zu erreichen, könnte dies die globale Nahrungsmittel- und Treibstoffkrise, die den globalen Süden unverhältnismässig stark destabilisiert hat, auf unbestimmte Zeit verlängern. Je länger sich dieser Stellvertreterkrieg hinzieht, desto mehr Druck wird die Goldene Milliarde auf diese Länder ausüben, was schliesslich dazu führt, dass sie sich auf die Seite Russlands stellen, anstatt neutral zu bleiben. Es ist daher nur natürlich, dass Indien sich diesen störenden Tendenzen entgegenstellt und sich erneut für den Frieden einsetzt.

Allerdings ist Indiens Einfluss auf den Westen begrenzt. Nichtsdestotrotz konnte Indien als Stimme des Gewissens für den gesamten Globalen Süden  der gemeinsamen Politik der prinzipiellen Neutralität die weltweite Aufmerksamkeit verschaffen, die sie verdient.


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