Interview mit Simonetta Sommaruga
„Ein echtes Bedürfnis“
Die Komplementärmedizin bewegte in letzter Zeit die Gemüter auf dem politischen Parkett. Gesundheitsminister Pascal Couchepin hatte vor einem Jahr fünf komplementärmedizinische Disziplinen eigenmächtig aus der Grundversicherung verbannt. Die Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ wird im Parlament diskutiert. Einzelne Politiker und Behörden setzen sich vehement dagegen zur Wehr, obwohl das Volk die auf Prävention angelegte Komplementärmedizin schätzt und auch nutzt. Der Mediendienst complemed unterhielt sich mit der Berner Ständerätin und bekannten Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga über die Schweizer Komplementärmedizin im Umfeld des Schweizer Gesundheitswesens.
Complemed: Sie sind Mitglied des Initiativkomitees „Ja zur Komplementärmedizin“. Weshalb unterstützen Sie diese Initiative?
(Simonetta Sommaruga) Es ist mir ein Anliegen, dass die Schul- und die Komplementärmedizin besser zusammenarbeiten, weil das medizinisch sinnvoll ist und von sehr vielen Patientinnen und Patienten gewünscht wird. Die fünf komplementärmedizinischen Methoden, die Bundesrat Couchepin aus völlig unverständlichen Gründen aus der Grundversicherung gestrichen hat, sollen wieder versichert sein. Und um die Patientensicherheit zu verbessern, brauchen wir eine einheitliche Berufsanerkennung für nicht-ärztliche Therapeuten. Das sind die Hauptanliegen der Initiative, die ich mit voller Überzeugung unterstütze.
Complemed: Wie beurteilen Sie aus politischer Sicht die Tatsache, dass einzelne Politiker und Behörden alle Hebel (und selbst undemokratische) gegen diese Initiative und die Komplementärmedizin in Bewegung setzen?
Ich kann die persönliche Abneigung des Gesundheitsministers und ihm nahestehender Personen gegen die Komplementärmedizin nicht nachvollziehen. Es geht doch nicht darum, die Schul- gegen die Komplementärmedizin auszuspielen. Im Gegenteil: Ich möchte die Komplementärmedizin streng regeln und sicherstellen, dass der Patientenschutz gewährleistet ist.
Complemed: Das Volk ist dafür, aber die Vertreter des Volkes sind dagegen? Ist das demokratisch?
Glücklicherweise hat die Bevölkerung das letzte Wort in dieser wichtigen Frage. Es ist ja ohnehin nicht verständlich – und nicht demokratisch –, dass ein einzelner Bundesrat einen Entscheid von solcher Tragweite alleine fällen kann. Wie das Parlament und schliesslich die Bevölkerung entscheiden werden, das sehen wir dann bei den Abstimmungen.
Complemed: Wie schätzen Sie die Chancen der Volksinitiative ein?
Diese Initiative hat sehr gute Chancen, von der Bevölkerung angenommen zu werden. Schon bei der Unterschriftensammlung haben wir gesehen, dass die Komplementärmedizin ein echtes Bedürfnis von sehr vielen Menschen ist. Der Bundesrat empfiehlt zwar, die Initiative abzulehnen, und er versucht, die Initiative schlecht zu machen. Doch die Bevölkerung kann sehr wohl unterscheiden zwischen den ehrlichen Absichten der InitiantInnen und den Unterstellungen des Bundesrates. Da bin ich mir sicher.
Complemed: In den Medien konnte man in letzter Zeit viel von unserem „erkrankten Gesundheitswesen“ lesen? Ist unser Gesundheitswesen tatsächlich so krank?
Wir sollten unser Gesundheitswesen nicht einfach schlecht machen. Schliesslich arbeiten sehr viele, gut qualifizierte Menschen im Gesundheitswesen und leisten täglich eine hervorragende Arbeit. Da es im Gesundheitswesen aber auch um sehr viel Geld geht, müssen wir aufmerksam sein: Das teuerste Medikament ist nicht immer das Beste, und noch soviel Technologie kann das gute Gespräch mit dem Arzt nicht ersetzen. Gerade die Komplementärmedizin hat gezeigt, dass sie mit ihrem ganzheitlichen Ansatz dem Bedürfnis vieler Menschen entgegenkommt. Deshalb soll sie in der Ausbildung und in der Forschung auch einen angemessenen Platz erhalten. Das dient dem Arzt ebenso wie dem Patienten.
Complemed: Welche Massnahmen sind einzuleiten, um die Situation zu verbessern, respektive zu optimieren?
In unserem Gesundheitswesen sollte nicht nur die Technik, sondern auch das Gespräch und die „sanften“ Methoden korrekt abgegolten werden. Der Hausarzt und die Pflege müssten in unserem Gesundheitswesen eine zentrale Rolle spielen. Diese können die PatientInnen am besten auch über längere Zeit beraten und begleiten. Das heisst: die Koordination in der medizinischen Behandlung – in der Fachsprache „managed care“ – muss unbedingt gefördert werden. Von den Krankenversicherern erwarte ich, dass sie sich um ein gutes Kosten- und Qualitätsmanagement kümmern. Es gibt immer noch zu viele Krankenkassen, die lieber Jagd machen auf „gute Risiken“, anstatt sich um eine gute Versorgung für kranke Menschen zu kümmern.
03.06.2007, Othmar Baeriswyl, Villars-sur-Glâne
Quellen: www.sommaruga.ch
Eidgenössische Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“
Im Oktober 2005 ist die am 15. September 2005 eingereichte Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ mit 138'724 gültigen Unterschriften formell zustande gekommen. Das Volksbegehren fordert, dass die Bundesverfassung vom 18. April 1999 mit einem neuen Artikel (Art. 118a Komplementärmedizin) ergänzt wird: „Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die umfassende Berücksichtigung der Komplementärmedizin.“ Der Bundesrat hat am 30. August 2006 entschieden, die Volksinitiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Die Gesundheitskommission des Nationalrates hat die Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ am 25. Januar 2007 mit 15 zu 8 Stimmen abgelehnt. Mit Stichentscheid des Kommissionspräsidenten Pierre Triponez (FDP BE) wurde auch einem Vermittlungsvorschlag von Nationalrat Reto Wehrli (CVP SZ) die Zustimmung verweigert. Als nächster Schritt wird der Nationalrat in der Sommersession 2007 die Initiative behandeln
Simonetta Sommaruga (1960) studierte nach einer Ausbildung zur Pianistin an der Universität Fribourg Anglistik und Romanistik. Im Jahre 1993 übernahm sie die Geschäftsführung der Stiftung für Konsumentenschutz, welche sie seit 2000 präsidiert. Seit 2003 amtiert sie als Präsidentin des Stiftungsrats SWISSAID.
Im Jahre 1999 wurde die Sozialdemokratin in den Nationalrat gewählt. Seit 2003 vertritt sie im Ständerat den Kanton Bern. Als solche nimmt sie Einsitz in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK), der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) sowie der Aussenpolitischen Kommission
Die Politikerin publizierte zusammen mit Rudolf H. Strahm das Buch “Für eine moderne Schweiz”.
Simonetta Sommaruga ist mit dem Schriftsteller Lukas Hartmann verheiratet.
Die Komplementärmedizin bewegte in letzter Zeit die Gemüter auf dem politischen Parkett. Gesundheitsminister Pascal Couchepin hatte vor einem Jahr fünf komplementärmedizinische Disziplinen eigenmächtig aus der Grundversicherung verbannt. Die Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ wird im Parlament diskutiert. Einzelne Politiker und Behörden setzen sich vehement dagegen zur Wehr, obwohl das Volk die auf Prävention angelegte Komplementärmedizin schätzt und auch nutzt. Der Mediendienst complemed unterhielt sich mit der Berner Ständerätin und bekannten Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga über die Schweizer Komplementärmedizin im Umfeld des Schweizer Gesundheitswesens.
Complemed: Sie sind Mitglied des Initiativkomitees „Ja zur Komplementärmedizin“. Weshalb unterstützen Sie diese Initiative?
(Simonetta Sommaruga) Es ist mir ein Anliegen, dass die Schul- und die Komplementärmedizin besser zusammenarbeiten, weil das medizinisch sinnvoll ist und von sehr vielen Patientinnen und Patienten gewünscht wird. Die fünf komplementärmedizinischen Methoden, die Bundesrat Couchepin aus völlig unverständlichen Gründen aus der Grundversicherung gestrichen hat, sollen wieder versichert sein. Und um die Patientensicherheit zu verbessern, brauchen wir eine einheitliche Berufsanerkennung für nicht-ärztliche Therapeuten. Das sind die Hauptanliegen der Initiative, die ich mit voller Überzeugung unterstütze.
Complemed: Wie beurteilen Sie aus politischer Sicht die Tatsache, dass einzelne Politiker und Behörden alle Hebel (und selbst undemokratische) gegen diese Initiative und die Komplementärmedizin in Bewegung setzen?
Ich kann die persönliche Abneigung des Gesundheitsministers und ihm nahestehender Personen gegen die Komplementärmedizin nicht nachvollziehen. Es geht doch nicht darum, die Schul- gegen die Komplementärmedizin auszuspielen. Im Gegenteil: Ich möchte die Komplementärmedizin streng regeln und sicherstellen, dass der Patientenschutz gewährleistet ist.
Complemed: Das Volk ist dafür, aber die Vertreter des Volkes sind dagegen? Ist das demokratisch?
Glücklicherweise hat die Bevölkerung das letzte Wort in dieser wichtigen Frage. Es ist ja ohnehin nicht verständlich – und nicht demokratisch –, dass ein einzelner Bundesrat einen Entscheid von solcher Tragweite alleine fällen kann. Wie das Parlament und schliesslich die Bevölkerung entscheiden werden, das sehen wir dann bei den Abstimmungen.
Complemed: Wie schätzen Sie die Chancen der Volksinitiative ein?
Diese Initiative hat sehr gute Chancen, von der Bevölkerung angenommen zu werden. Schon bei der Unterschriftensammlung haben wir gesehen, dass die Komplementärmedizin ein echtes Bedürfnis von sehr vielen Menschen ist. Der Bundesrat empfiehlt zwar, die Initiative abzulehnen, und er versucht, die Initiative schlecht zu machen. Doch die Bevölkerung kann sehr wohl unterscheiden zwischen den ehrlichen Absichten der InitiantInnen und den Unterstellungen des Bundesrates. Da bin ich mir sicher.
Complemed: In den Medien konnte man in letzter Zeit viel von unserem „erkrankten Gesundheitswesen“ lesen? Ist unser Gesundheitswesen tatsächlich so krank?
Wir sollten unser Gesundheitswesen nicht einfach schlecht machen. Schliesslich arbeiten sehr viele, gut qualifizierte Menschen im Gesundheitswesen und leisten täglich eine hervorragende Arbeit. Da es im Gesundheitswesen aber auch um sehr viel Geld geht, müssen wir aufmerksam sein: Das teuerste Medikament ist nicht immer das Beste, und noch soviel Technologie kann das gute Gespräch mit dem Arzt nicht ersetzen. Gerade die Komplementärmedizin hat gezeigt, dass sie mit ihrem ganzheitlichen Ansatz dem Bedürfnis vieler Menschen entgegenkommt. Deshalb soll sie in der Ausbildung und in der Forschung auch einen angemessenen Platz erhalten. Das dient dem Arzt ebenso wie dem Patienten.
Complemed: Welche Massnahmen sind einzuleiten, um die Situation zu verbessern, respektive zu optimieren?
In unserem Gesundheitswesen sollte nicht nur die Technik, sondern auch das Gespräch und die „sanften“ Methoden korrekt abgegolten werden. Der Hausarzt und die Pflege müssten in unserem Gesundheitswesen eine zentrale Rolle spielen. Diese können die PatientInnen am besten auch über längere Zeit beraten und begleiten. Das heisst: die Koordination in der medizinischen Behandlung – in der Fachsprache „managed care“ – muss unbedingt gefördert werden. Von den Krankenversicherern erwarte ich, dass sie sich um ein gutes Kosten- und Qualitätsmanagement kümmern. Es gibt immer noch zu viele Krankenkassen, die lieber Jagd machen auf „gute Risiken“, anstatt sich um eine gute Versorgung für kranke Menschen zu kümmern.
03.06.2007, Othmar Baeriswyl, Villars-sur-Glâne
Quellen: www.sommaruga.ch
Eidgenössische Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“
Im Oktober 2005 ist die am 15. September 2005 eingereichte Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ mit 138'724 gültigen Unterschriften formell zustande gekommen. Das Volksbegehren fordert, dass die Bundesverfassung vom 18. April 1999 mit einem neuen Artikel (Art. 118a Komplementärmedizin) ergänzt wird: „Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die umfassende Berücksichtigung der Komplementärmedizin.“ Der Bundesrat hat am 30. August 2006 entschieden, die Volksinitiative ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Die Gesundheitskommission des Nationalrates hat die Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ am 25. Januar 2007 mit 15 zu 8 Stimmen abgelehnt. Mit Stichentscheid des Kommissionspräsidenten Pierre Triponez (FDP BE) wurde auch einem Vermittlungsvorschlag von Nationalrat Reto Wehrli (CVP SZ) die Zustimmung verweigert. Als nächster Schritt wird der Nationalrat in der Sommersession 2007 die Initiative behandeln
Simonetta Sommaruga (1960) studierte nach einer Ausbildung zur Pianistin an der Universität Fribourg Anglistik und Romanistik. Im Jahre 1993 übernahm sie die Geschäftsführung der Stiftung für Konsumentenschutz, welche sie seit 2000 präsidiert. Seit 2003 amtiert sie als Präsidentin des Stiftungsrats SWISSAID.
Im Jahre 1999 wurde die Sozialdemokratin in den Nationalrat gewählt. Seit 2003 vertritt sie im Ständerat den Kanton Bern. Als solche nimmt sie Einsitz in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK), der Kommission Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) sowie der Aussenpolitischen Kommission
Die Politikerin publizierte zusammen mit Rudolf H. Strahm das Buch “Für eine moderne Schweiz”.
Simonetta Sommaruga ist mit dem Schriftsteller Lukas Hartmann verheiratet.
18. Juni 2007
von:
von:
- Anmelden oder Registieren um Kommentare verfassen zu können