Kindersehensonnentage

Ich war noch ein kinderloser junger Mann; es klingelte mein Telefon im Büro der LeserZeitung. Ein Leser beschwerte sich darüber, dass wir nie über die Probleme der Scheidungsväter schreiben: Meine Kinder darf ich fast nie sehen, aber zahlen muss ich. Vielen Männern geht es so. Schreibt endlich über diese Ungerechtigkeit!

Mein Bild von geschiedenen Vätern war damals ziemlich holzschnittartig: Leiden tun die Kinder, die Plackerei hat die alleinerziehende Mutter, nachdem der Vater abgehauen ist und sich nun voll auf Beruf und Freizeit konzentrieren kann, ausgenommen die zwei Sonntage im Monat, die er mit den Kindern verbringen muss. Mit dieser Kehrseite seiner Situation versuchte ich ihn auf den Boden zu holen. Zu meinem Erstaunen brachte ihn das noch mehr auf, worauf ich Dringendes vorschob und auflegte.
Sollte der Betroffene diese Zeilen lesen, bitte ich ihn um Verzeihung. Denn inzwischen kann ich aus Erfahrung nachvollziehen, was ihn damals in Rage brachte. Ich bin auch einer, der gegangen ist; aber jetzt weiss ich, es ist kein Abhauen. Ich kenne keinen Vater, der seine Kinder einfach so verlassen hat.

Über das Zahlen hab ich nie geklagt; aber ich litt darunter, mich selber fern meiner Kinder weiterentwickeln zu müssen. Der Alltag mit den Kleinen war zu einem Teil von mir geworden – und dann plötzlich nur noch tageweise zu Besuch, tageweise irgendwohin mit ihnen reisen. Sonntage manchmal, aber nicht zwangsläufig, solang sie noch nicht zur Schule gingen. Ich hatte mir meinen Alltag schon längst unabhängig von Normalarbeitszeiten eingerichtet. Und es gab keine fix vereinbarten Tage.
Als sie mit ihrer Mutter ins Ausland zogen, wurden die freien Tage mit den Kindern zu freien langen Wochenenden, eines oder zwei in zwei Monaten, mit den Sonntagen als schulfreie Inseln. Mit einem Normaljob hätte ich das nie auf die Reihe gebracht. Es war schon schwierig genug, die Termine unter einen Hut mit meiner Partnerin zu bringen, die dann von meiner freien Zeit nichts hatte, mir aber in strengen Arbeitswochen fraglos «shelter from the storm» bot. Doch von den Partnerinnen eines entkinderten Elternteils spricht eh niemand. Vielleicht ruft jetzt eine beim Zeitpunkt an?




Mehr über das Verschwinden des Sonntags im Schwerpunktheft «Am siebten Tag»
31. Januar 2014
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