«Klimageschenke sind nicht akzeptierbar»
Victoria Tauli-Corpuz. UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker ist nicht zufrieden.
COP21 wurde gefeiert. Die Vereinten Nationen haben in Paris erstmals ein globales Klimaschutzabkommen beschlossen. Dem «Accord de Paris» zufolge soll die Erderwärmung auf «deutlich» unter 2 Grad gehalten werden. Ab 2020 sollen jährlich 100 Milliarden US-Dollar in den globalen Süden fliessen. Die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte indigener Völker, Victoria Tauli-Corpuz kritisiert den verfolgten Lösungsansatz der Industriestaaten.
Was erwarten Sie vom Pariser Abkommen?
Victoria Tauli-Corpuz: Schaut man sich die beim UN-Klimasekretariat gemeldeten INDC- (Independent Nationally Determined Contributions) Klimabeiträge an fällt auf, dass sie nicht klar definiert sind. Das ist ein Problem für die nötige Umsetzung der Klimapläne und des Pariser Abkommens ist. Wir indigenen Völker sind am schlimmsten vom Klimawandel betroffen. Darum müssen wir unterstützt werden, um uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Welche Folgen sind das genau?
Viele indigenen Völker leben in den empfindlichsten Ökosystemen der Erde. Bei extremen Wetterlagen, Dürren und steigendem Meeresspiegel sind sie direkt betroffen. Die indigenen Bewohner kleiner Inselstaaten müssen ihre Heimat verlassen und umsiedeln. Menschen der Arktis müssen ihre Lebensweise ändern, weil Permafrost und Gletscher verschwinden. In Hochgebirgen und Wäldern ist das Leben auch in Gefahr. Es gibt Taifune, und Trockenperioden verursachen Waldbrände. Alles Klimawandelfolgen, welche die indigenen Völker direkt zu spüren bekommen.
Im direkten Kontakt mit der Umwelt haben indigene Völker meist mehr Erfahrung mit dem Klimawandel. Indigene Waldbewohner gelten oft als gute Waldschützer. Welches Wissen können sie weitergeben?
Wir können zu Lösungen beitragen. Allerdings nur, wenn unser Recht auf Land, Territorium und Wissen respektiert wird. Indigene Völker haben lange Erfahrung wenn es um anpassungsfähige Pflanzen geht, oder was den Schutz von Wäldern und Böden betrifft. Werden unsere Rechte aber durch Bergbau, Erdölförderung und Abholzung untergraben, wird auch unsere Fähigkeit, einen Beitrag zum Überleben der Menschheit zu leisten, aufs Spiel gesetzt.
Seit Jahren gibt es Anstrengungen, indigene Völker für den Schutz der Regenwälder als CO2-Senker finanziell zu entlohnen. Das Konzept ist als REDD*-Programm bekannt. Länder wie Bolivien lehnen das ab. Sie wollen keine «Parkwächter» für die reichen Industrieländer sein. Hilft mehr Geld den indigenen Völkern und dem Klima?
Wenn REDD so umgesetzt wird, wie es geplant ist, also vor allem unter Durchsetzung der «Saveguards», also den Schutzmechanismen für indigene Völker, dann kann das eine gute Lösung sein. Wenn die «Saveguards» aber nicht garantiert werden, dann wird das ein neues Desaster für die indigenen Völker. Dann wird REDD nur für die CO2-Märkte genutzt...
Sie meinen den Handel mit Verschmutzungsrechten, wie dem EU-Emissionshandel. Unternehmen können weiterhin das Klima verschmutzen dafür als Ausgleich CO2-Kontigente aus dem globalen Süden aufkaufen...
Genau. Hier wollen indigenen Völker auf andere Vorteile des Waldschutzes hinweisen, die nicht mit dem CO2-Problem verbunden sind. Auf Vorteile, die keinen marktförmigen Ansatz verfolgen wie bei REDD. Auch wenn keine Einigkeit unter den indigenen Völkern besteht, wollen viele nicht, dass Wälder für CO2-Märkte benutzt werden.
Die Industrieländer haben den Grossteil der Erderwärmung verursacht. Wie kann diese Schuld wieder gut gemacht werden?
Arme Länder können den Klimawandel ohne Hilfe nicht überstehen. Sie brauchen Unterstützung, damit sie in die Lage kommen, zerstörte Gemeinden wieder aufzubauen. Das wäre sozial gerecht. Es braucht Hilfe zu nachhaltiger Entwicklung, ohne Umweltzerstörung und neue soziale Ungerechtigkeiten. Es sind auch Länder wie Bolivien gefragt, die Industrien fördern die die Natur auslaugen. Bolivien hat seine Öl- und Bergbauwirtschaft für den Kampf gegen Armut nationalisiert. Aber sie schaden dabei ihren Ökosystemen. Was bedeutet dieser Weg für künftige Generationen? Hier muss eine Versöhnung zwischen Entwicklung und Umwelt passieren.
Ein anderer Weg für mehr Klimagerechtigkeit soll über den Grünen Klimafonds (GCF) passieren. Industrieländer werden ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar in Länder des Südens transferieren, um Erneuerbare Energien und Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Bewegt sich da was in die richtige Richtung?
Auch hier hängt alles von der Ausgestaltung des GCF ab. Es geht darin eher darum der Privatwirtschaft neue Vorteile zu verschaffen. 50 Prozent der Gelder für den Fonds kommen vom privaten Sektor, ein sehr grosses «privates Fenster» geht da auf. Ich denke, das ist nicht richtig. Also wirklich!, warum sollen wir dem Privatsektor noch mehr Vorteile verschaffen? Einen kleinen Teil der Gesellschaft noch viel reicher machen als als es Staaten sind?! Mehr als über die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung kommt von den grossen Multis. Warum sollen sie vom Klimafonds profitieren und nicht die am meisten benachteiligt sind? Neue Mechanismen die grosse Unternehmen noch mächtiger macht dabei aber Menschen und Staaten schwächt? Darauf müssen wir beim GCF achten – auf seine demokratische Umsetzung.
Und wie bewerten Sie, dass die Deutsche Bank der erste private Partner des Grünen Klimafonds ist?
Oh mein Gott, das wusste ich gar nicht! Warum das? Genau das meine ich. Das ist unmoralisch. Dieser mächtigste Player im Finanz- und Wirtschaftssektor investiert in Kohlekraftwerke. Das ist warum viele Menschen das Vertrauen in Klimaschutzmechanismen verlieren.Es braucht nicht noch mehr Förderung der grössten Verursacher des Klimawandels, die das alte, fossile Entwicklungsmodell vertreten. Neue Klimageschenke für den Privatsektor ist die falsche Lösung und nicht akzeptierbar. Wir indigenen Völker wollen mehr Anstrengungen von den Staaten sehen. Wir wollen mehr klimafreundliche Entwicklung. Der Klimawandel ist ein Signal, hin zu neuen Wirtschaftsmodellen, hin zur Umstrukturierung der Volkswirtschaften. Dafür bedarf es mehr demokratische und öffentliche Beteiligung.
*United Nations Collaborative Programme on Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries
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Das Interview mit Victoria Tauli-Corpuz erschien auf Blickpunkt Lateinamerika dem bischöflichen Hilfswerk adveniat Deutschland.
Redaktion: Ondine Riesen
Was erwarten Sie vom Pariser Abkommen?
Victoria Tauli-Corpuz: Schaut man sich die beim UN-Klimasekretariat gemeldeten INDC- (Independent Nationally Determined Contributions) Klimabeiträge an fällt auf, dass sie nicht klar definiert sind. Das ist ein Problem für die nötige Umsetzung der Klimapläne und des Pariser Abkommens ist. Wir indigenen Völker sind am schlimmsten vom Klimawandel betroffen. Darum müssen wir unterstützt werden, um uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Welche Folgen sind das genau?
Viele indigenen Völker leben in den empfindlichsten Ökosystemen der Erde. Bei extremen Wetterlagen, Dürren und steigendem Meeresspiegel sind sie direkt betroffen. Die indigenen Bewohner kleiner Inselstaaten müssen ihre Heimat verlassen und umsiedeln. Menschen der Arktis müssen ihre Lebensweise ändern, weil Permafrost und Gletscher verschwinden. In Hochgebirgen und Wäldern ist das Leben auch in Gefahr. Es gibt Taifune, und Trockenperioden verursachen Waldbrände. Alles Klimawandelfolgen, welche die indigenen Völker direkt zu spüren bekommen.
Im direkten Kontakt mit der Umwelt haben indigene Völker meist mehr Erfahrung mit dem Klimawandel. Indigene Waldbewohner gelten oft als gute Waldschützer. Welches Wissen können sie weitergeben?
Wir können zu Lösungen beitragen. Allerdings nur, wenn unser Recht auf Land, Territorium und Wissen respektiert wird. Indigene Völker haben lange Erfahrung wenn es um anpassungsfähige Pflanzen geht, oder was den Schutz von Wäldern und Böden betrifft. Werden unsere Rechte aber durch Bergbau, Erdölförderung und Abholzung untergraben, wird auch unsere Fähigkeit, einen Beitrag zum Überleben der Menschheit zu leisten, aufs Spiel gesetzt.
Seit Jahren gibt es Anstrengungen, indigene Völker für den Schutz der Regenwälder als CO2-Senker finanziell zu entlohnen. Das Konzept ist als REDD*-Programm bekannt. Länder wie Bolivien lehnen das ab. Sie wollen keine «Parkwächter» für die reichen Industrieländer sein. Hilft mehr Geld den indigenen Völkern und dem Klima?
Wenn REDD so umgesetzt wird, wie es geplant ist, also vor allem unter Durchsetzung der «Saveguards», also den Schutzmechanismen für indigene Völker, dann kann das eine gute Lösung sein. Wenn die «Saveguards» aber nicht garantiert werden, dann wird das ein neues Desaster für die indigenen Völker. Dann wird REDD nur für die CO2-Märkte genutzt...
Sie meinen den Handel mit Verschmutzungsrechten, wie dem EU-Emissionshandel. Unternehmen können weiterhin das Klima verschmutzen dafür als Ausgleich CO2-Kontigente aus dem globalen Süden aufkaufen...
Genau. Hier wollen indigenen Völker auf andere Vorteile des Waldschutzes hinweisen, die nicht mit dem CO2-Problem verbunden sind. Auf Vorteile, die keinen marktförmigen Ansatz verfolgen wie bei REDD. Auch wenn keine Einigkeit unter den indigenen Völkern besteht, wollen viele nicht, dass Wälder für CO2-Märkte benutzt werden.
Die Industrieländer haben den Grossteil der Erderwärmung verursacht. Wie kann diese Schuld wieder gut gemacht werden?
Arme Länder können den Klimawandel ohne Hilfe nicht überstehen. Sie brauchen Unterstützung, damit sie in die Lage kommen, zerstörte Gemeinden wieder aufzubauen. Das wäre sozial gerecht. Es braucht Hilfe zu nachhaltiger Entwicklung, ohne Umweltzerstörung und neue soziale Ungerechtigkeiten. Es sind auch Länder wie Bolivien gefragt, die Industrien fördern die die Natur auslaugen. Bolivien hat seine Öl- und Bergbauwirtschaft für den Kampf gegen Armut nationalisiert. Aber sie schaden dabei ihren Ökosystemen. Was bedeutet dieser Weg für künftige Generationen? Hier muss eine Versöhnung zwischen Entwicklung und Umwelt passieren.
Ein anderer Weg für mehr Klimagerechtigkeit soll über den Grünen Klimafonds (GCF) passieren. Industrieländer werden ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar in Länder des Südens transferieren, um Erneuerbare Energien und Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Bewegt sich da was in die richtige Richtung?
Auch hier hängt alles von der Ausgestaltung des GCF ab. Es geht darin eher darum der Privatwirtschaft neue Vorteile zu verschaffen. 50 Prozent der Gelder für den Fonds kommen vom privaten Sektor, ein sehr grosses «privates Fenster» geht da auf. Ich denke, das ist nicht richtig. Also wirklich!, warum sollen wir dem Privatsektor noch mehr Vorteile verschaffen? Einen kleinen Teil der Gesellschaft noch viel reicher machen als als es Staaten sind?! Mehr als über die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung kommt von den grossen Multis. Warum sollen sie vom Klimafonds profitieren und nicht die am meisten benachteiligt sind? Neue Mechanismen die grosse Unternehmen noch mächtiger macht dabei aber Menschen und Staaten schwächt? Darauf müssen wir beim GCF achten – auf seine demokratische Umsetzung.
Und wie bewerten Sie, dass die Deutsche Bank der erste private Partner des Grünen Klimafonds ist?
Oh mein Gott, das wusste ich gar nicht! Warum das? Genau das meine ich. Das ist unmoralisch. Dieser mächtigste Player im Finanz- und Wirtschaftssektor investiert in Kohlekraftwerke. Das ist warum viele Menschen das Vertrauen in Klimaschutzmechanismen verlieren.Es braucht nicht noch mehr Förderung der grössten Verursacher des Klimawandels, die das alte, fossile Entwicklungsmodell vertreten. Neue Klimageschenke für den Privatsektor ist die falsche Lösung und nicht akzeptierbar. Wir indigenen Völker wollen mehr Anstrengungen von den Staaten sehen. Wir wollen mehr klimafreundliche Entwicklung. Der Klimawandel ist ein Signal, hin zu neuen Wirtschaftsmodellen, hin zur Umstrukturierung der Volkswirtschaften. Dafür bedarf es mehr demokratische und öffentliche Beteiligung.
*United Nations Collaborative Programme on Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries
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Das Interview mit Victoria Tauli-Corpuz erschien auf Blickpunkt Lateinamerika dem bischöflichen Hilfswerk adveniat Deutschland.
Redaktion: Ondine Riesen
08. Januar 2016
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