Kranke Kassen haben System: die Qual der Prämienwahl
Alljährlich dürfen wir in der Schweiz die Krankenkasse wechseln, und man überlegt: Welches Krankenkassenmodell ist wohl das ökonomisch und versicherungstechnisch vorteilhafteste für uns? Dabei ist das System selbst krank.
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Symbolbild: Unsplash

Ich habe bereits in verschiedenen Artikeln beleuchtet, wie krank das gegenwärtige Gesundheitssystem der Schweiz ist. Die Unmöglichkeit ökonomischer sowie gesundheitspolitischer Anreize zur Reduktion der Gesundheitskosten sollte hinlänglich klar geworden sein. In meinem Interview mit Dr. med. Riggenbach haben wir das System der Kranken-Kassen Wirtschaft bereits ein wenig erhellt. Björn Riggenbach meinte dort:

Das Krankenkassenobligatorium muss zuerst abgeschafft werden. Dieses Obligatorium ist entstanden, weil die wirtschaftlichen Interessen im Gesundheitswesen über dieses Obligatorium an die Gelder der Patienten herankommen konnten – nicht aus Solidarität. Der Staat gibt heute zwar allen Patienten eine Garantie, dass sie unbegrenzt (die anerkannten) Leistungen beziehen können, während er der Gesundheitsindustrie garantiert, dass ihre Leistungen vergütet werden. Im Effekt führt das aber dazu, dass ein unersättliches System von Leistungserbringern genährt wird, während der Patient im Glauben bestärkt wird, er hätte ein unbegrenztes Anrecht auf Gesundheits-Leistungen, weil er ja dafür bezahlt. Beides ist falsch.
Im herkömmlichen Modell sind Arzt/ Therapiewahl/ und auch Tarif(-) unfrei und werden durch eine völlig fachfremde Organisation eingeschränkt – den Staat. Dazu finden fortwährend staatlich reglementierte Eingriffe durch das Lobbying bevorzugter Wirtschaftsunternehmen und der Krankenkassen statt. Sie bilden Verbände wie z.B. Santé Suisse, die dann Zulassungen und damit die Berechtigungen der Ärzte zum halbstaatlichen Markt (staatlich reglementiert) der Versicherungsleistungen vergibt.

Das heisst, wir haben im Endeffekt ein System geschaffen, das einerseits den Bedarf bzw. die Nachfrage des Patienten vom Angebot des Arztes entkoppelt und auf der anderen Seite das Angebot des Arztes bevormundet, indem es gewisse Leistungen willkürlich besser bezahlt als andere. Damit ist der Arzt nicht mehr frei darin, die nötigen Leistungen zu erbringen, weil seine Therapie durch staatliche und ökonomische Vorgaben sowie Autoritätsargumente (best practice, Leitlinien, etc.), eingeschränkt und er durch ökonomische Anreize geködert wird.

Auf der anderen Seite ist der Patient nicht mehr frei darin, die für ihn nötige Therapie zu wählen, weil er ebenfalls durch die oben erwähnten Kriterien daran gehindert wird. So werden Angebot und Nachfrage entkoppelt. Das heisst, ein Arzt, der gute Leistungen erbringt, wird unter Umständen schlechter dafür bezahlt oder sogar bestraft, während ein schlechter Arzt, der sich systemkonform verhält, dafür ökonomisch (und mit Ansehen) belohnt wird.

Wenn ich nun im November meine neue Krankenkasse wähle, dann werden mir auf comparis.ch stets diejenigen Krankenkassen aufgelistet, die ökonomisch am vorteilhaftesten für mich sind. Und das sind diejenigen, die entweder die freie Arztwahl einschränken (HMO/ Hausarztmodelle) oder mich verpflichten, mich unbeteiligten Dritten gegenüber am Telefon (Telemedizin) über meinen Gesundheitsbedarf zu rechtfertigen, bevor ich zum Arzt gehe.

Die unheilige Verquickung ökonomischer und medizinischer Fragen

Der erste Fall ist eine Unmöglichkeit, weil ich eben völlig frei darin sein muss, meinen Arzt situativ zu wählen. Der zweite ist eine Absurdität, weil man dabei davon ausgeht, ich könne nicht selbst beurteilen, ob ich eine medizinische Behandlung benötige. Mir wird also suggeriert, ich hätte Beratung nötig, bevor ich überhaupt zum Arzt gehe. Das wirkt entmündigend. Es ist das Gegenteil dessen, was man in einer Notlage braucht.

Die Krankenkassen haben dieses System eingeführt, da sich mit diesem Vorgehen Kosten sparen lassen. Entweder arbeiten sie mit Ärzten zusammen, die besonders billig arbeiten, oder sie erreichen mit den Beratungen, dass Menschen erst gar nicht zum Arzt gehen. Beides dient der Einsparung von Kosten, ist aber nicht im Sinne des Patienten.

Dass uns erklärt wird, dies sei in unserem Interesse, gehört zu den Absurditäten eines Systems, das Jahr für Jahr Leistungen reduziert und einspart, damit einige mehr Profit machen. Ausserdem entsteht ein übergriffiges Staatswesens, das versucht, die schlimmsten Auswüchse dieses System in den Griff zu bekommen. In Wahrheit führt es zu einer verminderten Leistungsfähigkeit bei gleichzeitiger Kostensteigerung!

Auch in sich selbst sind die Massnahmen widersinnig. Ich habe in früheren Artikeln festgehalten, dass die Medizin zum Bereich des Freien Geisteslebens gehört, aus Sicht der Dreigliederung gesprochen. Alles in der Medizin, namentlich der Heilerfolg, hängt von der freien Beziehung zwischen Arzt und Patient ab. Alle staatlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen, denen man diese Beziehung unterwirft, führen zu einer Verschlechterung der Erfolgschancen und damit auch zu einer Effizienzminderung.

Genau das beobachten wir heute. Das System der staatlich gelenkten und monopolisierten Krankenkassen erreicht weder durch zunehmend staatliche Regulierung und Subventionierung, noch durch das Einfliessen-lassen wirtschaftlicher Effizienzkriterien eine höhere Leistung. Im Gegenteil. Beides führt zu einer Verschlechterung des Systems und kaschiert dessen Misserfolg.

Wer dagegen ein Gesundheitswesen im Sinne der Patienten haben möchte, muss dafür sorgen, dass das Gegenteil geschieht: Die Arzt-Patientenbeziehung und Finanzierung müssen auf eine völlig freie, eigenverantwortliche Basis gestellt werden. Der Staat muss aufhören, regulierend einzugreifen. Und das Gesundheitswesen selbst muss rein gemeinnützig und auf keinen Fall profitorientiert betrieben werden.

Der Staat darf sich in dem Mass aus dem System zurückziehen, als diejenigen, die eine wirtschaftliche Basis zur Finanzierung des Systems schaffen, begreifen, dass diese nur gemeinnützig sein kann. Mit anderen Worten, es müssen wieder Genossenschaften und Vereine geschaffen werden, die Leistungen individuell und solidarisch mit den Versicherten festlegen.

Schliesslich muss der Patient die Möglichkeit haben, sich im Falle einer existentiellen Gesundheitskrise auf ein System verlassen zu können, das ihn möglichst selbstlos trägt. Umgekehrt muss er zulassen, dass es jetzt nicht um den Konsum von Leistungen geht, sondern vielmehr die Hilfe anderer annehmen. Selbstverständlich wirken solche Hilfeleistungen umso besser, je selbstloser dies geschieht. Das ist in jedem sozialen Beruf bekannt.

Aus Sicht des Patienten kann es deshalb nie darum gehen, «Leistungen» zu beanspruchen, für die man «eingezahlt» hat. Denn selbst wenn man 60 Jahre lang jährlich 6000 Franken in das System der Krankenkassen eingezahlt hat und keinen einzigen Tag krank war: Wenn man in seinem 61. Jahr Hilfe braucht, so wird diese aus den Leistungen der anderen Versicherten bezahlt, nie aus den eigenen.

Die Annahme, man bekäme «etwas» für sein Geld, ist also irrig. Auch in der übrigen Wirtschaft arbeitet niemand in irgendeiner Weise für «sich». Alle arbeiten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft füreinander. Und entsprechend zahlt auch niemals jemand seine Krankenkassenprämien für «sich» in die Versicherung ein, sondern für die Leistungen, die andere gerade brauchen.

Indem die Krankenkassen uns mit ökonomischen Anreizsystemen ködern, schaffen sie somit gleich mehrere, negative, auch für sie selbst zerstörerische Anreize. Es mag sich somit jeder selbst überlegen, wie man seine Krankenkassenbeiträge beurteilt: danach, ob sie möglichst gering ausfallen und mir möglichst viel nützen? Was, wenn ich sie danach ausrichte, dass sie grundsätzlich anderen zugute kommen und nur im Ernstfall mir. Welche Haltung ist die heilsamere?

Der Geisteszustand, in dem ich eine Leistung in Anspruch nehme, wird sich auf meine Gesundheit auswirken. Ob ich in einer eigensüchtigen und profitorientierten Haltung ärztliche Leistungen konsumiere oder ob ich mich von einer Gemeinschaft von Menschen, die mir wie bei Artabana unter Umständen sogar persönlich bekannt sind, tragen lassen kann, wenn es mir schlecht geht, ist ein himmelweiter Unterschied. Menschen, die mit Vertrauen, Positivität und Selbstwirksamkeit eine Gesundheitskrise erleben, meistern diese bedeutend besser, weil sie resilienter sind als andere.

Die Haltung einer rein materialistischen Medizin

Für eine rein naturwissenschaftlich-biologistisch orientierte Schulmedizin sind Krankheiten indes lediglich eine Art biologischer Anomalien und keine Schicksalsfragen. Entsprechend meinen sie, Krankheiten technokratisch, mit Hilfe ökonomisch-staatlicher Mechanismen meistern zu können. Besonders sichtbar wurde dieses zerstörerische Vorgehen auch in der Coronakrise.

Damit kommen wir nochmals auf ein Thema, das eben immer noch völlig ungenügend verstanden wird. Das Phänomen Corona ist nicht ein Resultat zufällig sich ereignender Unfälle oder einzelner Systemmängel. Es ist vielmehr das Resultat kollektiven Versagens eines Systems, das exakt so funktioniert hat, wie man es von ihm hätte erwarten und vorhersehen könnte. Die Ärzte, Versicherungen und die Pharmaindustrie haben sich in der Coronazeit deshalb so verhalten, wie sie es taten, weil sie durch ein jahrelang deformiertes Krankheits-Profitsystem entsprechend konditioniert wurden.

Es ist deshalb unabdingbar, dass das System grundsätzlich überdacht und von Grund auf anders strukturiert wird. Es ist nicht damit getan, einzelne Aspekte zu verbessern oder anzupassen, wie mittlerweile ja auch deutlich geworden sein dürfte.


Veranstaltungen mit Istvan Hunter:

Polittalk in Zürich

Wir sprechen über tagesaktuelle politische Zusammenhänge, Abstimmungen und eine Lösung aus Sicht der Dreigliederung, mit Istvan Hunter

1. Dezember 2025, 18:30 – 20:30 Uhr, Zürich, monatlich –

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4. Dezember 2025, 20:00, Dornach

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