Landwirtschaft bindet
Selbstversorger Tagebuch von Pascal Mülchi
Was ich tue, finde ich nicht besonders speziell. Die fast tägliche Arbeit im Garten ist selbstverständlich für mich. Schliesslich bin ich besessen von der Idee, mein eigenes Gemüse zu ziehen. Ich sage mir: «Warum sollte ich meine Arbeitskraft verkaufen, um Geld zu verdienen, womit ich mir Essen kaufe, wenn ich es doch direkt kultivieren kann?» Ich bin überzeugt von dem, was ich mache – eine Aktivität, die mich erfüllt und befriedigt. Im Garten, fern von all den Aufgeregtheiten des Alltags, bin ich im Reinen mit mir. Klar, es braucht Leidenschaft und Idealismus und vor allem die Bereitschaft Zeit zu investieren. Manchmal ist es ein Krampf; aber ein schöner. Ich sehe mein Selbstversorger-Experiment auch als Herausforderung an mich selbst: Wenn ich nicht sähe, pflanze, pflege, und ernte, esse ich auch nichts. Das ist mein Ansporn. Zudem habe ich hier im Haut Languedoc ein intaktes soziales Umfeld auf das ich zählen kann: Befreundete Gemüsegärtner, FreundInnen und meine Teilzeit-WG verleihen mir Sicherheit, sollte ich einmal einen bedeutenden Ernteausfall zu beklagen haben.
Bis jetzt hatte ich jedoch immer etwas zum Ernten. Um aber mindestens einmal täglich reichlich Gemüse verzehren zu können, war ich anfangs Saison noch stark von Tauschgeschäften abhängig. Doch seit Ende Juni explodiert der Garten förmlich. Endlich habe ich mehr Auswahl, auf meinem Speisezettel: rote Gartenmelde, Mangold, Kohlrabi, junge Randen, Kartoffeln, Zucchetti, frische Kichererbsen, Bohnen und frische Kräuter wie Koriander, Rukola oder Senfkraut. Meine salades garnies mit jungen Mangoldblättern und roter Gartenmelde, gewürzt mit frischen Kräutern, sind schon fast berühmt. Ich bringe sie überall hin mit.
Das freut vor allem meine Teilzeit-WG, die ich zwei, drei Tage pro Woche besuche. Seit anfangs Juni habe ich dort ein Zimmer, das ich allerdings nicht bewohne; ich brauche es als Lagerraum und trockne Kräuter und Saatgut (aktuell Oregano, Ysop und Saubohnen). Ich schlafe in meinem VWBus, meinem eigentlichen Zuhause. So erhalte ich mir ein wenig das von mir so geliebte on-the-road-Gefühl! Denn die Bewirtschaftung eines Stücks Land bindet, ob man will oder nicht. Bleibe ich mehrere Tage meinem Terrain fern, fehlt es mir – und ich sorge mich sogar um meine Jungpflanzen-Kinder! Wohnen auf meinem Terrain ist leider nicht möglich, weil das Land als Naturzone deklariert ist. Einstweilen werde ich deshalb weiterhin mal hier und mal da wohnen. Langfristig wünsche ich mir aber eine dauerhafte Lösung: Ich träume von einer grossen Selbstversorger-Gemeinschaft!
Mitte Juli sind wochenlange Hitzewellen normal. Zu meinem Glück regnete es zuletzt häufig, fast täglich gab es ein Gewitter. So sind meine zwei 120 Liter– Bidons bis oben hin mit Regenwasser gefüllt. Zudem fliesst das Wasser wieder im Kanal beim Nachbarn. Die Schleusen am Avène-Stausee sind für die Kanu-Touristen wohl wieder offen... Ich bin also zuversichtlich für die kommenden Monate, auch wenn ich voraussichtlich erst im September aus dem Vollen werde schöpfen können. Derzeit pikiere ich fleissig Winter-/Frühlings-Kohl, und sähe bald den ersten Nüsseler. Am Laufen ist auch die Winterweizen-Ernte. Mit Sicheln schnitten wir hundert Quadratmeter Korn und bündelten es anschliessend. Die Garben trocknen jetzt noch einige Tage auf dem Feld, bevor wir das Korn von Hand schlagen – also die Spreu vom Weizen trennen– und es später mahlen. Die Ernte wird also à l’ancienne zelebriert. Sie wird natürlich mit meinen Heinzelmännchen geteilt und gefeiert!
Erntet eigentlich heutzutage in unseren Breitengrade noch jemand seinen Weizen von Hand? Und gibt es unter euch, liebe Zeitpunkt-LeserInnen, leidenschaftliche GärtnerInnen, die Selbstversorger-Ambitionen haben? Ich habe noch viel zu lernen und würde mich freuen mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Schreibt mir also!
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Pascal Mülchi (29) ist freier Journalist und passionierter Gärtner. Er betreibt einen Selbstversorger-Garten in Le Bousquet d’Orb (F). Auf seiner Homepage pascoum.wordpress.com erfahren Sie mehr. Seine Mailadresse: p.muelchi(at)bluemail.ch
Bis jetzt hatte ich jedoch immer etwas zum Ernten. Um aber mindestens einmal täglich reichlich Gemüse verzehren zu können, war ich anfangs Saison noch stark von Tauschgeschäften abhängig. Doch seit Ende Juni explodiert der Garten förmlich. Endlich habe ich mehr Auswahl, auf meinem Speisezettel: rote Gartenmelde, Mangold, Kohlrabi, junge Randen, Kartoffeln, Zucchetti, frische Kichererbsen, Bohnen und frische Kräuter wie Koriander, Rukola oder Senfkraut. Meine salades garnies mit jungen Mangoldblättern und roter Gartenmelde, gewürzt mit frischen Kräutern, sind schon fast berühmt. Ich bringe sie überall hin mit.
Das freut vor allem meine Teilzeit-WG, die ich zwei, drei Tage pro Woche besuche. Seit anfangs Juni habe ich dort ein Zimmer, das ich allerdings nicht bewohne; ich brauche es als Lagerraum und trockne Kräuter und Saatgut (aktuell Oregano, Ysop und Saubohnen). Ich schlafe in meinem VWBus, meinem eigentlichen Zuhause. So erhalte ich mir ein wenig das von mir so geliebte on-the-road-Gefühl! Denn die Bewirtschaftung eines Stücks Land bindet, ob man will oder nicht. Bleibe ich mehrere Tage meinem Terrain fern, fehlt es mir – und ich sorge mich sogar um meine Jungpflanzen-Kinder! Wohnen auf meinem Terrain ist leider nicht möglich, weil das Land als Naturzone deklariert ist. Einstweilen werde ich deshalb weiterhin mal hier und mal da wohnen. Langfristig wünsche ich mir aber eine dauerhafte Lösung: Ich träume von einer grossen Selbstversorger-Gemeinschaft!
Mitte Juli sind wochenlange Hitzewellen normal. Zu meinem Glück regnete es zuletzt häufig, fast täglich gab es ein Gewitter. So sind meine zwei 120 Liter– Bidons bis oben hin mit Regenwasser gefüllt. Zudem fliesst das Wasser wieder im Kanal beim Nachbarn. Die Schleusen am Avène-Stausee sind für die Kanu-Touristen wohl wieder offen... Ich bin also zuversichtlich für die kommenden Monate, auch wenn ich voraussichtlich erst im September aus dem Vollen werde schöpfen können. Derzeit pikiere ich fleissig Winter-/Frühlings-Kohl, und sähe bald den ersten Nüsseler. Am Laufen ist auch die Winterweizen-Ernte. Mit Sicheln schnitten wir hundert Quadratmeter Korn und bündelten es anschliessend. Die Garben trocknen jetzt noch einige Tage auf dem Feld, bevor wir das Korn von Hand schlagen – also die Spreu vom Weizen trennen– und es später mahlen. Die Ernte wird also à l’ancienne zelebriert. Sie wird natürlich mit meinen Heinzelmännchen geteilt und gefeiert!
Erntet eigentlich heutzutage in unseren Breitengrade noch jemand seinen Weizen von Hand? Und gibt es unter euch, liebe Zeitpunkt-LeserInnen, leidenschaftliche GärtnerInnen, die Selbstversorger-Ambitionen haben? Ich habe noch viel zu lernen und würde mich freuen mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Schreibt mir also!
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Pascal Mülchi (29) ist freier Journalist und passionierter Gärtner. Er betreibt einen Selbstversorger-Garten in Le Bousquet d’Orb (F). Auf seiner Homepage pascoum.wordpress.com erfahren Sie mehr. Seine Mailadresse: p.muelchi(at)bluemail.ch
21. September 2014
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