Der Geschlechterkrieg in Theorie und Praxis

Die sexuelle Macht der Frauen erkannten US-Forscher bereits 2007: Männer hätten ein ständiges «Sexdefizit», Frauen reagierten darauf in «evolutionär vorgegebenen Mustern», schrieben sie im Fachmagazin «Current Directions in Psychological Science».

Jeder zehnte (Frau wie Mann) zwischen 18 und 29 würde sich hochschlafen, hat eine repräsentative Umfrage von Forsa im Jahr 2013 ergeben. Beim sozialen Aufstieg (anders als bei den Karrieren) ist es gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, Geschlechtsverkehr als Waffe im Kampf um die Partnerwahl einzusetzen. Dabei wird die Tatsache unterschlagen, dass es gesellschaftlich nur dann akzeptiert ist, wenn Frauen den Geschlechtsverkehr als Machtmittel im Kampf um die Partnerwahl einsetzen. Tut ein Mann exakt dasselbe, dann ist er bestenfalls ein A., der Frauen ausnutzt, im weniger günstigen Fall ein Vergewaltiger.

Wie mann oder frau sexualisierte Gewalt oder sexuelle Übergriffe wahrnimmt, ist sehr individuell. Vor allem ist es illusorisch zu erwarten, dass alle dieselbe Meinung darüber vertreten, was eine angemessene  Annäherung ist.
Frau: kommuniziert mit einem klaren NEIN oder JA. Der Mann ist empathisch oft nicht auf der gleichen Entwicklungsstufe wie sie. Er weiss oft nicht, ob die Frau ihre Geilheit spielt oder ob sie echt ist. Wir Frauen im Westen haben die sexuelle Freiheit bekommen – damit müssen wir Verantwortung übernehmen. Verantwortung beginnt mit Ehrlichkeit.
Mann: Wartet auf die Einladung – ein klares Ja der Frau – und ignoriert  ein unsicheres Nein nicht. Nur weil DU erregt bist, heisst dies nicht, dass der  andere sexwillig ist.

Wenn eine Frau karrieregeil ist und ihre erotische Ausstrahlung einsetzt, weil sie weiss, dass das weibliche Plus für die Karriere mindestens so wichtig ist wie eine gute Berufsausbildung, sollte sie eigenverantwortlich die Situation einschätzen können. Es gibt immer Menschen, die auf Grund einer Position über andere bestimmen können und ihre Macht missbrauchen. Die Frage ist, wie charakterlich integer bin ich. Als Frau wie als Mann.

Frau, du kannst entscheiden:
• Lässt du dich auf einen klaren Tauschhandel ein – mit allen Konsequenzen?
• Lässt du es in der Grauzone und fühlst dich nachher missbraucht?
• Entscheidest du dich für ein klares Nein zum sexuellen Angebot und trägst die Konsequenzen, etwas nicht zu bekommen, was du gerne hättest?
• Arbeitest du hart und kletterst die Karriere­leiter empor, ohne dich hochzuschlafen?
Ich kann wählen – zwar nicht die Situation, in die ich gerate, so doch die Art, wie ich mich ihr stelle. Beim Autostoppen als junge Frau ist es mir oft passiert, dass der Lenker plötzlich seine Hand auf meinem Knie platzierte. Ich nahm sie sofort weg und kommunizierte klar, dass ich keinen Sex wolle. Nur einmal wurde ich danach auf der Landstrasse ausgesetzt. Mit sechzig wurde ich in Afrika nachts überfallen. Eine zerbrochene Bierflasche in nächster Nähe der Halsschlagader. Verletzt, ausgeraubt. Anschliessend wollte der junge Mann mich vergewaltigen. Ich spürte weder Schmerzen noch  Angst, war fähig zu schreien und wehrte mich. Ich hatte Glück und der Mann ging.  Als sechsjähriges Mädchen lernte ich, was es heisst, sexuell reingelegt zu werden. Der zwölfjährige Nachbarsbub lockte mich mit dem Versprechen, mich in seine Zirkusgruppe aufzunehmen. Bedingung war, ich müsse ihm nackt zeigen, wie gelenkig ich sei. Als ich dann bei einem weiteren Mal zu verstehen gab, dass dies für mich eine Sünde sei, kehrte er den Spiess um, packte seinen Penis aus und sagte: Reib daran. Ich war zu überrumpelt, um Nein sagen zu können.

Fast jede Frau kennt sexuelle Übergriffe, sei es eine Vergewaltigung, eine Nötigung oder ein Missbrauch. Wir waren nicht selbstbewusst genug, dem  dominanten männlichen Alphatier ein klares Nein zu seiner Erwartungshaltung zu geben.
Wir müssen darüber reden. Ohne Scham. Wahrhaftig bleiben. Gegenseitige Kränkungen eingestehen und den Mann, unseren Bruder, einbeziehen in die Diskussionen um das Geschlechtermiteinander  – bevor wir das Pflichtfach «Der Geschlechterkrieg in Theorie und Praxis» einführen!    

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MaRia ist Domina, Lehrerin und Künstlerin, www.wilma.ch

06. Juli 2018
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