Wie Corona den Verkehr umkehrte
Die coronabedingten Einschränkungen reduzierten den Verkehr massiv. Dabei erhöhte das Auto seinen Marktanteil auf Kosten der Bahn.
Was wir mit Augen und Ohren wahrnehmen, bestätigen erste Zählungen: Der Gesamtverkehr in der Schweiz ist im ersten Halbjahr 2020 massiv geschrumpft. Schlecht ist diese Entwicklung für Bahn- und Flugzeugbetreiber sowie für Auto- und Treibstoffverkäufer. Gut ist die Nachricht hingegen für die Natur sowie die Mobilität von Personen, die sich mit körpereigener Energie fortbewegen. So hat der Verkehr zu Fuss und auf Velos entgegen dem allgemeinen Trend zugenommen; gemessen am Umfang des Gesamtverkehrs bleibt dieser muskelbetriebene Verkehrsanteil allerdings gering.
Die Lockerung lässt den Verkehr wieder ansteigen.
Doch die guten und schlechten Nachrichten sind zu relativieren: Der ökologisch erwünschte Verkehrsrückgang ist auf Massnahmen zurückzuführen, welche die Regierungen verordnet haben, um die Corona-Epidemie einzudämmen. Die Lockerung dieser Einschränkung, so zeigt die jüngste Entwicklung, lässt den Verkehr wieder ansteigen.
Der Rückgang betrifft alle motorisierten Verkehrsträger, aber unterschiedlich stark. Das zeigen erste Daten über die Entwicklung des Personenverkehrs (Frachtverkehr ausgeklammert) im ersten Halbjahr 2020; dies immer gegenüber der gleichen Periode im Vorjahr. Nachstehend die von Infosperber aus verschiedenen Quellen ermittelten Resultate für die Schweiz:
- Flugverkehr minus 57 %
Die Flugbewegungen über der Schweiz sanken im ersten Halbjahr 2020 um 57 Prozent. Das zeigen Daten der Schweizer Flugsicherung Skyguide: Während die Flugbewegungen im Januar und Februar noch leicht zunahmen, brachen sie ab Mitte März ein und lagen im April und Mai um mehr als 90 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Seit Juni nimmt die Zahl der Flugbewegungen wieder leicht zu. Noch stärker als die Zahl der Flugbewegungen hat die Zahl der Passagiere abgenommen, weil die wenigen Flugzeuge schlechter ausgelastet waren. Das heisst: Nicht nur der Umsatz, auch die Produktivität des Luftverkehrs hat abgenommen.
- Bahnverkehr minus 37 %
Die Verkehrsleistung auf den Schweizer Schienen, gemessen in Personenkilometern (Pkm), sank im ersten Halbjahr um 37 Prozent. Das zeigen die Quartalserhebungen des Verbandes öffentlicher Verkehr und des Informationsdienstes Litra: Im ersten Quartal blieb der Rückgang mit 10 Prozent gering, im zweiten Quartal folgte ein Einbruch von 67 Prozent. Während die Nachfrage stark abnahm, blieb das Angebot der Bahnen hoch. So sank die Zahl der Trassenkilometer im ersten Halbjahr 2020 um weniger als 10 Prozent. Wie beim Flugverkehr sank die Produktivität also auch beim Bahnverkehr, weil die meisten Züge im zweiten Quartal schlecht ausgelastet waren.
- Autoverkehr minus 20 %
Die Fahrleistung der Autos in der Schweiz sank im ersten Halbjahr um durchschnittlich 20 Prozent. Diese Schätzung (plus/minus 5 %) basiert auf Stichproben aus den automatischen Strassenverkehrszählungen des Bundesamtes für Strassen (Astra); diese täglichen Stichproben hat der Schreibende hochgerechnet, weil die Astra-Medienabteilung die erfragten Monatsdaten nicht innert nützlicher Frist liefern konnte.
Zeitlich verlief die Entwicklung des Autoverkehrs 2020 ähnlich wie jene im Bahn- und Luftverkehr: Den stärksten Rückgang gegenüber den Monaten im Vorjahr gab es im April (minus 60 %) und Mai (minus 40 %). Im Juni und vor allem in den Ferienmonaten Juli und August nahm der Autoverkehr wieder zu und blieb nur noch geringfügig unter dem Stand des Vorjahres.
Die obigen Daten bestätigen den allgemeinen Eindruck: Der Autoverkehr ist weit weniger stark geschrumpft als die Verkehrsleistung des Flug- und Bahnverkehrs. Im Schweizer Verkehrsmix hat das Auto während der Corona-Epidemie also Marktanteil gewonnen. Noch stärker, so zeigen diverse Erhebungen, steigerten Velo- und Fussverkehr ihren Marktanteil; dies aber wie eingangs erwähnt auf tiefem Niveau. Flug- und Bahnverkehr hingegen haben im ersten Halbjahr 2020 Marktanteile verloren. In unsicheren Zeiten fühlen sich Verkehrsteilnehmer in der eigenen Blechkiste offensichtlich sicherer – nach dem Motto: My car ist my castel – als in öffentlichen Verkehrsmitteln; auf Kosten des weniger umweltbelastenden Schienenverkehrs.
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