«Utama» – eine Geschichte von Liebe und Dürre
Die Fahrten durchs bolivianische Hochland werde ich nie vergessen. Stundenlange, karge Weite ohne Bäume, eine vergilbte Dürre, durch die sich Menschen und Tiere nur langsam bewegen. Regisseur Alejandro Loayza Grisi hat diese Welt in einen Film gebannt, der genauso vielschichtig ist wie malerisch. «Utama» ist gleichzeitig Soziodrama, Liebesgeschichte und eine Dokumentation der Klimakrise.
Wenn man durchs bolivianische Hochland fährt, sieht man oft stundenlang dieselbe Landschaft vorbeiziehen: Weit verstreute Hütten, die in keinen Grüppchen schweigend zusammenstehen. Schaf- und Alpacaherden, die in der riesigen Weite zwischen vergilbten Grasbüscheln weiden. Wie auf einem Bild, auf dem nur Brauntöne verwendet wurden – die einzigen Farbtupfer sind die Frauen mit ihren Strohhüten und den bunten Röcken.
Es hat etwas Meditatives, durch diese Szenerie zu fahren, und man beginnt fast automatisch, sich auszumalen, wie die Menschen hier leben. Worüber sprechen sie, wenn sie vor ihren Häusern oder auf den Feldern sitzen und die Tiere hüten? Was machen sie abends, nachdem die Sonne untergeht? Denn es wird schnell unangenehm kalt in dieser Höhe. Auf drei- bis viertausend Meter ist das Klima zu jeder Jahres- und Tageszeit extrem. Und hier gibt es weder Heizung noch fliessend Wasser, weder Kühlschränke noch Duschen.
Doch obwohl der ökologische Fussabdruck der Menschen hier wohl zu den weltweit verträglichsten gehört, leiden gerade sie teilweise extrem unter der Klimakrise und den immer extremeren Wetterverhältnissen. Die Regenzeiten werden kürzer und die Dürreperioden länger, die Nächte kälter und die Tage heisser, die Gletscher schmelzen und das Wasser wird knapp.
Dies zeigt der Film «Utama», Erstlingswerk des bolivianischen Regisseurs Alejandro Loayza Grisi, eindrücklich auf. Er erzählt die Geschichte der alten indigenen Eheleute Virginio und Sisa, die in der Nähe des weltberühmten Salzsees Salar de Uyuni auf 3600 Meter über Meer leben. In einer Landschaft, die atemberaubend schön ist, aber fast lebensfeindlich genannt werden muss: Was es am allerwenigsten gibt, ist Wasser.
Als Enkel Clever aus der Stadt kommt und die Alten dorthin mitnehmen möchte, gerät ihre Welt durcheinander. An der Frage, wie ein gutes Leben aussieht, scheiden sich ihre Geister: In der Stadt, so der Enkel, könnte der Grossvater seine fortschreitende Krankheit behandeln lassen und hätte mehr Komfort. Doch was sollen sie dort tun? Den Verwandten auf der Tasche sitzen, betteln gehen?
«Utama» ist ein erwähnenswerter Film – besonders auch, weil die Hauptdarsteller keine Schauspieler sind, sondern «echte Menschen», die sozusagen sich selber repräsentieren. Regisseur Alejandro Loayza Grisi hat sie auf seiner Reise durchs Hochland kennengelernt und musste einiges an Überzeugungsarbeit leisten, bevor sie einwilligten, mitzumachen. Zwei Monate lang wurde geprobt, bevor man mit den Dreharbeiten begann, doch der Aufwand hat sich gelohnt. Gerade weil sie so authentisch sind, begreift man beim Zuschauen die Tragweite der angesprochenen Problematik intuitiv. Ganz abgesehen davon, dass «Utama» auch eine Liebesgeschichte ist. So wurde der Film auch bereits mit dem «Goldenen Biznaga» für den besten Film aus Lateinamerika und mit dem «Grand Jury Preis» des Sundance Filmfestival ausgezeichnet.
«Utama» läuft ab dem 23. Juni in Schweizer Kinos.
Daten und mehr Infos finden Sie hier.
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