Die Lakota warten immer noch auf Gerechtigkeit

Am 27. Februar jährt sich der 50. Jahrestag der letzten grossen Widerstandsaktion der Lakota auf Pine Ridge in South Dakota, USA. Die Lebensbedingungen liegen noch heute im Argen.

Besetzung von Wounded Knie 1973

Am 27. Februar 1973 zogen rund 200 indianische Aktivisten und Aktivistinnen zur historischen Stätte von Wounded Knee auf der Pine Ridge Reservation im US-Bundesstaat South Dakota. Die dort lebenden traditionellen Lakota hatten das American Indian Movement (AIM) um Hilfe gebeten, nachdem die Situation im Reservat immer unerträglicher wurde. Stammespräsident Dick Wilson, Vorsitzender einer Marionettenregierung am Gängelband der US-Regierung, hatte dort mit Hilfe einer eigenen Schlägertruppe, der «Goons» (Guardians of Oglala Nation), ein korruptes Terrorregime errichtet, mit dem er den Protest von Traditionellen und Aktivist*innen gegen den Uranabbau auf ihrem Land und den Ausverkauf der Black Hills, einem heiligen Ort der Indigenen, zum Schweigen bringen wollte. Rund 60 indigene Aktivist*innen wurden in diesen Jahren ermordet.
Pine Ridge ist noch heute der ärmste Bezirk der gesamten USA. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 80%. Die Bevölkerung leidet unter miserablen Wohnverhältnissen, Krankheiten und einer hohen Selbstmordrate. Wounded Knee ist ein Symbol für den amerikanischen Völkermord an den Indianer*innen. 1890 wurden hier bei einem Massaker 300 wehrlose Lakota, darunter Alte, Frauen und Kinder, von der 7. US-Kavallerie brutal niedergemetzelt. Doch Anfang der 1970er Jahre wollten sich die Indianer*innen nicht mehr kampflos ergeben.
1968 gründete sich das American Indian Movement in Minneapolis, um gegen Diskriminierung, Rassismus und Polizeiwillkür anzutreten – zunächst in den Städten, aber dann im ganzen Land. Viele Indianer hatten für die USA in Vietnam gekämpft und wurden nach ihrer Rückkehr als Bürger zweiter Klasse behandelt. Es war Zeit zu handeln. Gladys Bissonnette von der Oglala Sioux Civil Rights Organization hatte einen symbolischen Marsch nach Wounded Knee vorgeschlagen, der in einer Besetzung resultierte.
Presse und Medien berichteten auch in Europa über diesen indianischen Widerstand. Die Menschen weigerten sich, ihre Traditionen und Kultur dem American Way of Life zu opfern.
Die Gegenseite reagierte mit Gewalt, Panzern, Helikoptern, FBI und Nationalgarde. 71 Tage verschanzten sich die Indianer*innen in Wounded Knee, bevor sie – ohne Nahrung und Munition – am 8. Mai 1973 aufgeben mussten. Zwei der indianischen Aktivisten starben im Schusswechsel mit US-Marshalls und Armee. Die damaligen Anführer, u.a. Dennis Banks und Russell Means, wurden vor Gericht gestellt.
Sämtliche Anklagen gegen sie endeten mit Freispruch. Doch in Pine Ridge gingen die Schläger der Stammesregierung weiterhin gegen Aktivist*innen vor, Das FBI verschärfte seine Infiltrations- und Einschüchterungspolitik gegenüber AIM. Ein Opfer dieser Politik ist Leonard Peltier (Lakota-Anishinabe), der 1977 zu zwei Mal lebenslänglich für einen Mord an zwei FBI-Beamten verurteilt wurde, den er nicht begangen hat. Die Basis für diese Verurteilung war seine ungesetzliche Auslieferung von Kanada an die USA, ein Prozess voller Verfahrensfehler, gefälschter Zeugenaussagen und vom FBI geschwärzter Dokumente.
Bis heute sitzt der mittlerweile 78-jährige Leonard Peltier im Gefängnis. Trotz gravierender Gesundheitsprobleme kann der Aktivist, für den sich Menschenrechtler in aller Welt eingesetzt haben, erst 2024 wieder einen Bewährungsantrag stellen. Millionen Menschen haben Petitionen unterzeichnet, um seine Freilassung zu erwirken. Auch die Appelle an die US-Präsidenten blieben ohne Erfolg.
Die Besetzung von Wounded Knee setzte ein deutliches Signal, dass die Indianer*innen nicht mehr bereit sind, die Missachtung ihrer Rechte widerstandslos hinzunehmen. Inzwischen wehren sich Indigene aus aller Welt gegen die Ausbeutung ihres Landes und fordern ihr Selbstbestimmungsrecht ein. 2007 verabschiedete die UN-Vollversammlung die «Deklaration der Rechte der Indigenen Völker».
1973 war auch ein Wendepunkt in der Rückbesinnung auf ihre Kulturen, Traditionen und Sprachen, deren Anerkennung die Vereinten Nationen nun mit der «Dekade der indigenen Sprachen» (2022-2032) fördern wollen.
Indigene erheben nicht nur die Stimme für ihre Rechte, sondern sind zu wichtigen Akteur*innen für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen geworden und fehlen bei keiner Klimakonferenz, um vor der Zerstörung der Natur zu warnen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Resilienz der indigenen Frauen zu, die damals von der breiten Öffentlichkeit ignoriert wurden. Noch heute kämpfen sie gegen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt – gerade auch in den USA und Kanada. Deshalb gilt es angesichts des 50. Jahrestags der Besetzung von Wounded Knee inbesondere die Frauen des Widerstands zu würdigen.


Monika Seiller
im Namen der European Alliance for the Self-Determination of Indigenous Peoples

27. Februar 2023
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