Als das Narrativ am Feuer verbrannte. Chapeau! Für Christof Ruckli
Christof Ruckli ist Ghostwriter und Coach. Während der Coronapanik wird er zum Videojournalisten. Mit seinen Gesprächen am Feuer erreicht er Tausende Menschen.
«Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie ich vor Menschen Vorträge halte.» Anfang 2020 hat Christof Ruckli eine Eingebung. Er nimmt die Neuausrichtung, die sein Leben anscheinend nehmen soll, ernst. Auch wenn er zunächst nicht recht weiss, wofür ihn «Gott oder das Universum oder ein höheres Wesen» einsetzen will. Er lost aus, worum es sich handeln könnte. «Neu-Anfang» hatte er auf einem der Zettel geschrieben, die er in eine Büchse wirft. «Neu-Anfang» soll es sein. Er mietet Säle, um Vorträge zu halten.
Dann kommt Corona. Und er weiss, was seine Eingebung bedeutet. Nicht in Sälen, sondern im Netz soll er an die Öffentlichkeit treten. Er fängt an, für seine Freunde und Bekannte, vielleicht einem Dutzend, youtube-Filme zu drehen. «Anti-Corona-Depro» heisst sein Youtube-Kanal. Zunächst beschränkt er sich darauf, seinen Bekannten aufzuzeigen, wie sie in der Coronapanik die Ruhe bewahren können. Durchatmen. Erden. Im Wald spazieren. Ein Feuer anzünden. Darin kennt er sich aus.
Doch beim vierten Video, es ist der 18. April 2020, wechselt Ruckli den Ton. Er ist entsetzt, wie das Schweizer Fernsehen informiert. Zahlen ohne jegliche Vergleiche und Verhältnisse. Ruckli rückt das richtig. Mit Zahlen aus den Bundesämtern beweist er, dass Corona nicht viel mehr als eine gewöhnliche Grippe ist.
Das Video geht viral. 200'000 Klicks. 102 Filme werden es am Schluss sein. Exponenten des Corona-Widerstands geben sich bei ihm im Luzerner Hinterland ein Stelldichein am Feuer. Andreas Heisler, der Aletheia-Präsident. Hans Raschein, Anwalt. Jochen Handel, Arzt. Prisca Würgler, Graswurzle-Gründerin. Und andere, die einen «Neu-Anfang» gewagt haben.
Viele werden Freunde. «Herzensfreunde», sagt Ruckli.
Christof Ruckli, der Zuhörer.
Es ergibt sich so. Dass die Menschen ihm ihr Herz ausschütten. Bei einer Zugfahrt zwischen Lyon und Avignon zu Beispiel. Eine ältere Bündnerin schildert ihm ihr Lebensproblem. Noch nie habe sie sich so einem Fremden gegenüber offenbart. Dankbar verabschiedet sie sich.
Es war schon immer so. Auch dann, als er noch als Primarlehrer tätig war. Die Türe öffnete sich und jemand kam herein, dem floss das Herz über. Ruckli nimmt es hin. «Ja, dann soll es so sein.»
Allmählich macht er einen Beruf daraus. Studiert zuerst Wirtschaftsinformatik und wechselt dann zur Wirtschaftskommunikation. Dient neun Jahre in Firmen. Bis der Weg in die Selbständigkeit unausweichlich wird. Seine beiden Brüder, selbst unternehmerisch tätig, hatten es ihm schon längst nahegelegt. Er hatte den Wunsch unterdrückt, bis ihn eine unfähige Chefin aus dem Beruf mobbt. «Ein Arschengel», nennt Ruckli sie.
Er und seine Frau stehen eng zusammen. Sie, die sich am liebsten nur um die Kinder gekümmert hätte, übernimmt während Rucklis Studienjahren immer wieder kurze Stellvertretungen an Schulen. Ruckli unterrichtet nebenbei PC-User. «In der Zeit habe ich gemerkt, wie wenig man zum Leben braucht.»
Die Weiterbildungen sind kein Grund, auf Kinder zu verzichten. Ruckli: «Eines hatten wir schon vor Studienbeginn, zwei sind während der Studienzeit dazugekommen, weil wir sowieso immer drei wollten.»
Seit bald zehn Jahren ist Ruckli Ghostwriter. Schreibt Blogs, Bücher und textet Webseiten. Er hat aufgehört zu zählen. 35-40 Bücher werden es sein, meint er. Viele möchte nicht öffentlich machen, wer ihr Buch verfasst hat. So wie der Medizinprofessor, eine Koryphäe, für den Ruckli ein medizinisches Fachbuch schreibt.
Beim Buch «Mein Kampf gegen die Kesb» ist es anders. Hier wird er als Co-Autor genannt. Für ihn und Autorin Ang(i)e Stones ist es beinahe unmöglich, Räume für Lesungen zu bekommen. Zusagen werden wieder zurückgezogen. Niemand will sich mit dem Thema «Kesb» die Finger verbrennen. Das Kürzel steht für Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Sie kann tief in das Leben von Familien eingreifen. Sie bestimmt im Streitfall über elterlichen Kontakt, den Verbleib eines Kindes bei seiner Familie oder das Hab und Gut von Dementen. Die Absagen bereiten Ruckli auf die Coronazeit vor, wie er es umschreibt: «Deshalb war mir sofort klar, dass da etwas nicht stimmte.» Und er ergänzt:
«Meine Arbeit als Ghostwriter und die vielen zum Teil traurigen und unglaublichen Geschichten, mit denen ich in Berührung gekommen war, zeigten mir schon lange vor Corona eine andere Realität in der Schweiz als die gemeinhin wahrgenommene. Diese Geschichten bereiteten mich vor.»
Er habe den spannendsten Beruf der Welt, meint Ruckli. So viele Lebensgeschichten, in die er eintauchen kann. Und für viele seiner Kunden und Kundinnen ist Ruckli nicht nur ihr Ghostwriter, sondern so etwas wie ein Coach. Das in enger Kooperation entstehende Buch ist manchmal ein Heilungsprozess.
Ruckli bietet denn auch Lebensberatungen an, im Netz zu finden unter Neu-Anfang und Feuergeburt. Ohne Ausbildung. Weil er es im Grunde schon immer gemacht hat. Zuzuhören. Und die richtigen Fragen zu stellen, auch unbequeme. Zu bohren, wenn er spürt, dass da noch mehr ist. Und zu schweigen, wenn ihm das Gegenüber zu verstehen gibt, dass es im Moment gut ist, wie es ist. Vor allem aber kennt Ruckli seine Grenzen: «Wenn ich merke, dass sich da grosse Lebensprobleme auftun, rate ich zu einer Konsultation bei Fachleuten.» Die Gespräche finden wie die Videos im Wald bei loderndem Feuer statt.
Im Juli hat sich Ruckli mit dem 102. Video verabschiedet. Er hat so lange gesendet, als dass er helfen konnte, die Coronazeit zu überstehen. Nun will er sich wieder voll und ganz seinen Berufen verschreiben. Denn während seiner Youtubbe-Zeit musst er sein Geschäft drastisch einschränken. Um sich auf seine Gäste vorzubereiten, las er ganze Bücher und strukturierte die Gespräche fein vor.
Was immer sich als nächstes zeigen wird, es wird das Richtige sein. Diesen inneren Glauben hat Christof Ruckli.
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