Ist die massive Erhöhung der Schweizer Armeeausgaben bereits beschlossene Sache? In der Politik streitet man sich anscheinend nur noch darüber, wie schnell und wie stark die Rüstungsausgaben erhöht werden sollen, und ob sie bereits im Jahr 2030 oder erst 2035 auf jährlich 9,5 Milliarden Franken steigen sollen.
Der frühere Diplomat Martin Dahinden und der ehemalige SP-Fachsekretär Peter Hug wollen zuerst die Risiken analysieren, denen die Schweiz ausgesetzt ist. Eine Sicherheitsstrategie und die Art der Militärausgaben sollen sich darauf abstützen. Es gehe wohl in der Schweiz eher um die Sicherheitspolitik, die organisierte Gewalt verhüten, das Risiko von Katastrophen und Notlagen vermindern und deren allfällige Folgen bewältigen wolle. Die Verteidigung demgegenüber diene der militärischen Abwehr eines Angriffs und setze erst ein, wenn die Sicherheitspolitik versagt habe. Unter Sicherheit fällt für Hug der Schutz der Bevölkerung vor Gewalttaten von Einzeltätern oder terroristischen Gruppierungen, sei es in Form von Sprengstoffanschlägen, Drohnen- oder Cyberangriffen gegen internationale Konferenzen, andere symbolträchtige Ziele oder kritische Infrastrukturen sowie die Unterstützung der zivilen Behörden in Notlagen und im Katastrophenfall. Diese Sicherheitsrisiken hätten stark zugenommen.
Hug dazu:
«Die Schweiz weist in der Cybersicherheit und beim Schutz kritischer Infrastrukturen gegenüber der EU ein Modernisierungsdefizit von mindestens zehn Jahren auf.»
Hug fordert: Die «Armee bedrohungsgerecht aufstellen» und auf die plausiblen Szenarien ausrichten. Den Aufbau von Offensivkapazitäten - etwa mit einem neuen teuren Kampfflugzeug - hält er für unpassend. Dieses hungere die Armee in jenen Teilen aus, die einen Gewinn an Sicherheit brächten – ganz abgesehen davon, dass der Kampfjet F-35 sehr fehleranfällig sei und noch viel Ärger bereiten dürfte. Hug ist überzeugt: Eine so ausgerichtete Armee käme die Schweiz viel billiger zu stehen. Die freiwerdenden Mittel möchte er für die Sicherheit als «globales öffentliches Gut» einsetzen.
Alt-Botschafter Dahinden meint: Als kleinerer Staat könne die Schweiz keine militärische Macht und nur begrenzt wirtschaftliche Macht ausspielen, verfüge aber über ein «erhebliches Potenzial an Soft Power». Diese müsste genutzt werden – in der Friedensförderung, über die humanitäre Rolle der Schweiz, über Wiederaufbauhilfe in der Ukraine «mit ausdrücklicher sicherheitspolitischer Motivation», aber nicht auf Kosten der Hilfe in den Ländern des globalen Südens. Armut und prekäre Lebensverhältnisse sowie Umweltzerstörung und wirtschaftliche Einbrüche können sich zu Sicherheitsrisiken und Bedrohungen entwickeln. Gegen solche negativen Dynamiken könne eine über die klassische Armutsbekämpfung hinausgehende Entwicklungszusammenarbeit wichtige Beiträge leisten. NZZ-Militärredaktor Georg Häsler denkt ähnlich wie Dahinden und Hug. Der moderne Krieg sei unsichtbar und kenne keine klaren Fronten. Der Kampf werde zusätzlich auch über Hunger und Migration geführt. Häslers Doktrin verengt sich aber dann auf die territoriale Landesverteidigung.
In den vergangenen zehn Jahren sind die Militärausgaben überdurchschnittlich gestiegen. Zwischen 2014 – als die Krim annektiert wurde – und 2023 wurden sie um einen Drittel erhöht. Für Internationale Zusammenarbeit sind die Ausgaben des Bundes hingegen nur um 15 Prozent gestiegen. Die Militärlobby im Parlament will die Ausgaben für die Armee bis 2030 um mehr als 60 Prozent erhöhen und gleichzeitig die jetzt schon geringen Mittel für eine Sicherheitspolitik jenseits der Landesgrenzen kürzen. Sollten sich die Militärs und ihre Milizionäre mit ihren Maximalforderungen durchsetzen, wäre der Sicherheit des Landes wenig gedient, so Markus Mugglin auf INFOsperber.
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