Aufrüstung der EU: Great Reset mit anderen Mitteln

Investitionen in Waffen gelten jetzt als «nachhaltig». Die Aufrüstung wird aber nicht nur mit Krediten finanziert, sondern auch mit Einsparungen im Sozialbereich.

Als Reaktion auf eine Bedrohung durch Russland haben die NATO-Staaten erhebliche Erhöhungen ihrer Militärausgaben angekündigt. Am spektakulärsten sind die zusätzlichen Ausgaben in Deutschland, sie betragen in diesem Jahr das Doppelte des jährlichen nationalen Verteidigungshaushalts, d.h. 100 Mrd. €. Die italienische Regierung will ihre Militärausgaben 2022 um 50% (12 Mrd.€) erhöhen.
Insgesamt wird geschätzt, dass Amerikas europäische Verbündete über 300 Mrd.€ zusätzlich ausgeben könnten.

Das ist eine beeindruckende Summe. Die Frage ist, wie hoch der tatsächliche Nutzen sein wird und wann er eintritt. Vor allem Deutschland hat einen enormen Rückstand bei der Instandhaltung der militärischen Ausrüstung, die ausgeschlachtet wurde, um Investitionen zu vermeiden. Neue Rüstungsgüter existieren nur auf den Reissbrettern, ihre Entwicklung und Erprobung wird Jahre dauern.

Daher ist es entgegen den offiziellen Verlautbarungen unwahrscheinlich, dass sich die Verteidigungskapazitäten der EU bis zum Ende des Jahrzehnts wesentlich verbessern werden. Wenn militärische Ausrüstung sofort benötigt wird, müssen diese Länder sie von den Vereinigten Staaten kaufen.

In der Tat scheint es, dass die Amerikaner etwa 15 Mrd.€ von dem erhalten werden, was Deutschland ausgeben will, um F-35-Jets zu kaufen. Auch ein Grossteil der zusätzlichen Ausgaben in anderen europäischen Ländern dürfte dem militärisch-industriell-finanziellen Komplex in den USA zugute kommen.

Die Summen werden in die riesige Blase unproduktiver Investitionen einfliessen und der geplanten «Umschichtung von Billionen» in den Green Deal Auftrieb geben. Das gilt ausdrücklich auch für die EU, die unter Druck gesetzt wird, Militärausgaben in ihre Taxonomie «nachhaltiger» Investitionen aufzunehmen.
Um Bloomberg News vom 13.3. zu dem Thema zu zitieren:

«Russlands Krieg gegen die Ukraine hat eine einst undenkbare Idee hervorgebracht, da die Rüstungsindustrie – die bei nachhaltigen Investoren lange verpönt war – von einigen zum Instrument zum Schutz der Demokratie umgeformt wird. SEB AB, eine der grössten schwedischen Banken und ein Pionier auf dem Gebiet der grünen Anleihen, hat kürzlich erklärt, sie werde ihre Grundsätze nachhaltiger Investitionen aktualisieren, um Platz für Waffen zu schaffen. Und die Commerzbank AG hat erklärt, dass ihre Türen für deutsche Waffenhersteller weit offen stehen, von denen viele Anfang des Jahres noch sagten, sie hätten Schwierigkeiten, Finanzierungen zu erhalten.»

Lobbyisten der Rüstungsindustrie bedrängen die politischen Entscheidungsträger der EU, Waffen in die «Sozialtaxonomie» aufzunehmen, und «es gibt Anzeichen dafür, dass einige EU-Entscheidungsträger darauf hören».
Gleichzeitig sagt man der europäischen Bevölkerung unter dem  Vorwand, «den Gürtel enger zu schnallen, um Freiheit und Demokratie zu retten», sie müsse mit tiefen Einschnitten im Lebensstandard rechnen.

Ein Leitartikel auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16.3. ist bezeichnend für die Medienkampagne: Unter der Überschrift «Die Stunde der Wahrheit» heisst es, die zusätzlichen 100 Mrd.€ für die Verteidigungsausgaben sollten nicht durch Kredite, sondern durch einen Kahlschlag in den Sozialhaushalten finanziert werden.

Auch das hässliche Wort «Rationierung» ist wieder in Europa zu hören. In Italien erklärte der ehemalige EZB-Präsident, Ministerpräsident Mario Draghi, am 18.3. unverblümt: «Wenn die Dinge sich verschlechtern, sollten wir in eine Logik der Rationierung eintreten.»


Der Text stammt aus dem (kostenpflichtigen) Newsletter des Schiller-Instituts.