Amma: Kuschelguru mit sozialem Gewissen
24 Millionen Umarmungen soll die spirituelle Meisterin aus Indien nur bis 2006 «absolviert» haben. Herzstück von Ammas Lebenswerk sind jedoch ihre sozialen Projekte. Sie beruhen auf der Hindu-Tradition des Karma-Yoga, des Wegs der guten Tat.
In dem hallenartigen Veranstaltungsraum hat sich eine unübersehbare Schlange gebildet. Würziger Räucherduft liegt in der Luft, im Hintergrund werden Mantras rezitiert. Manchmal sind es tausende an jedem Tag – und alle wollen nur «das Eine»: von Amma umarmt werden. Amma (Mata Amritanandamayi) ist eine kleine, pummelige Inderin im weiten Sari, heute fast 60 Jahre alt. Sie wuchs in einfachen Verhältnissen auf, die Tochter eines Fischers. Mit 22 soll sie eine Krishna-Bava erlebt haben, eine ekstatische Verschmelzung mit der Gottheit. Seiher hat sie immer wieder religiöse Visionen, gilt vielen als heilige Frau. Für manche ist sie gar eine Avatarin, eine Verkörperung des Göttlichen auf Erden.
Markenzeichen Ammas sind ihre Darshans (Treffen zwischen Meister und Schüler), bei denen sie jeden Besucher, der es wünscht, umarmt. Anfang kamen nur wenige Besucher, die Umarmungen waren intensive Begegnungen. Heute ist der Andrang so gross, dass Nummern vergeben werden müssen und die Interessenten «durchgeschleust» werden. Trotz der Eile berichten viele von starken Energieerlebnissen, dem Gefühl eines Segens. Manche sogar von einem lebensverändernden Ereignis. Mutter Erde selbst scheint ihre Söhne und Töchter in die Arme zu schliessen. Die Sehnsucht, von einer Muttergestalt vorbehaltlos angenommen zu werden, treibt selbst hart gesottenen Männern die Tränen in die Augen. 24 Millionen Umarmungen soll Amma nur bis 2006 «absolviert» haben.
Herzstück von Ammas Lebenswerk sind jedoch ihre sozialen Projekte. Sie beruhen auf der Hindu-Tradition des Karma-Yoga, des Wegs der guten Tat. Für Amma ist die praktische Hingabe an die Mitwelt wichtiger als Wortgelehrsamkeit. Zentrum ihrer Aktivitäten ist der Mata Amritanandamayi Math, ein karitativer Verein mit Sitz in Amritapuri. Unter anderem hat die Organisation 36.000 Häuser für Obdachlose errichtet. Zu den Projekten gehören auch ein Waisenhaus und ein Hospital, in dem mittellose Kranke kostenlos behandelt werden. Es gibt eine Unterstützungskasse für arme Witwen, ein Altenpflegeheim und ein Wiederaufforstungsprojekt. Den Opfern des Tsunamis von 2004 half Ammas Organisation ebenso wie verschuldeten Bauern, die sich in Indien reihenweise umbringen. «Seid umschlungen, Millionen!» – Schillers Motto setzt eine kleine Frau aus Indien in die Tat um. Auch die grössten Massenaufläufe bestehen aber aus Einzelnen, die in ihrer Bedürftigkeit gesehen und getröstet werden wollen.
(Weitere Artikel zum Thema finden Sie in der neuen «Zeitpunkt»-Printausgabe: «Politik und Spiritualität»)
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