Wie Sprache versteckte Tabus schafft

Meinen wir Umwelt, Mitwelt oder einfach Welt?

«Ich kommuniziere, also bin ich» ist der Leitsatz der digital vernetzten Welt. Ich konstruiere mit der Sprache meine Welt und meine Identität. Auch wenn wir im Alltag kaum etwas merken: Sprache verschleiert auch, manipuliert, steuert Gefühle und zementiert fatale Denkbilder. So wurden im 20. Jahrhundert aus dem zerstörerischen Kapitalismus die Frieden und Wohlstand fördernde Marktwirtschaft, aus der Atomenergie die scheinbar harmlose Kernkraft. Jean Ziegler wehrt sich gegen die Verschleierung der Machtverhältnisse durch den Begriff «Hunger». Das sei Massenmord, denn wir hätten alles in der Hand, dem Töten ein Ende zu setzen.


Wir brauchen Worte und merken oft nicht, wie sie uns irreführen. Deshalb lohnt es sich über Begriffe wie Innovation, Fortschritt, Entwicklung oder Wachstum nachzudenken. Ein weiteres Beispiel: «Umwelt» als alltäglicher Begriff verschleiert die Haltung dahinter. Umwelt ist alles um uns herum, wie wenn wir nichts damit zu tun hätten und nicht selbst Natur wären. Ohne Milliarden Helferinnen und Helfer in uns und in der Welt wären wir nicht geboren und könnten nicht leben. Bakterien im Darm, Regenwürmer, Springschwänze und Pilze im Boden helfen verdauen, lassen Karotten wachsen und Atemluft durch Photosynthese entstehen. Ohne jegliche menschliche Leistung. Die Trennung zwischen mir und der Welt ist nicht gerechtfertigt, hat aber fatale Folgen. Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere oder Gene werden zu Ressourcen und Waren. Damit sind Gewalt und Ausbeutung, anstelle von Respekt und Dankbarkeit, angelegt.

Diese Weltsicht hat auch eine Rückwirkung auf uns Menschen.Wir werden selbst zur Ware, zur «human ressource», die genutzt, und wenn abgenützt, abgeschoben wird.


Sprache muss reflektiert werden: Stärken die hinter den Begriffen verborgenen Menschen- und Weltbilder die gewünschten Werte und Haltungen? Anstelle von Umwelt spricht man auch von Mitwelt oder einfach Welt. Vielleicht sollten wir auch vom blauen Planeten, der Erde als lebendigem Organismus Gaia oder von Mutter Erde sprechen. Wir haben heute kein Umwelt-, sondern ein Weltproblem. Und wir sind Teil davon; aber auch der Lösung.


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Thomas Gröbly ist Dozent für Ethik an der Fachhochschule Nordwestschweiz und schreibt regelmässig für den Zeitpunkt.
Mehr Informationen: www.ethiklabor.ch




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Mehr zu diesen Thema finden Sie im Heft 136 «Berichte aus der Tabuzone»


Es gibt Dinge, über die spreche ich nicht einmal mit mir selbst. Konrad Adenauer



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