Schweizerische Abstimmungen und Wahlen sind im grossen Stil fälschbar

Briefliche und elektronische Abstimmungen in der Schweiz sind alles andere als fälschungssicher. Wer brieflich oder via Internet (e-Voting) abstimmt, riskiert, dass seine Voten verfälscht und sein Stimmverhalten registriert wird. Einzig der persönliche Gang an die Urne bietet Sicherheit. Die Problematik soll nun durch die Bundesanwaltschaft untersucht und vom Parlament behandelt werden.

Eine unabhängige Untersuchung der brieflichen Abstimmungen in der Schweiz bringt alarmierende Systemmängel und entsprechenden Handlungsbedarf zum Vorschein. Auf dem Weg vom Bürger zum Stimmenzähler im Wahlbüro kann das Abstimmungsmaterial problemlos gefälscht werden.

Recherchen und Insider-Informationen haben offengelegt, wie leicht im grossen Stil manipuliert werden kann. Die Sicherheitslücken und Überwachungsmöglichkeiten sind hauptsächlich durch technische und organisatorische Neuerungen sowie durch Gesetzesänderungen im Bereich der politischen Rechte entstanden.

So wurde z. B. das als Stimmrechtsausweis dienendende äussere Rücksendecouvert wegen neuer Anforderungen der schweizerischen Post durch die Stimmrechtskarte ersetzt. Die stimmberechtigte Person unterschreibt nicht mehr auf dem Couvert, sondern auf der Stimmrechtskarte und steckt sie zusammen mit den Stimmzetteln in einem kleinen Couvert in ein neutrales Rücksendecouvert. Das Abstimmungsmaterial ist dadurch leicht fälschbar.

In den Verwaltungen der Gemeinden und Städte sind jeweils wenige Insider für die Aufbewahrung von Hunderttausenden von Abstimmungscouverts zuständig, die vor der Abstimmung eintreffen. Vor allem in Städten wird das Material an geheimen Orten aufbewahrt. Fälscher können sich leicht und diskret Zugang zum Abstimmungsmaterial verschaffen (lassen). Das Entdeckungsrisiko ist gering, das Fälschungspotential und der Fälschungsanreiz sind gigantisch.

Die Fälscher haben leichtes Spiel. Sie öffnen einfach die gewünschte Anzahl Rücksendecouverts. Mit Ausnahme der Stimmrechtskarte wird das Original-Stimmmaterial vernichtet und durch vorbereitetes Reservematerial ersetzt, das gefälschte Stimmzettel sowie innere und äussere Couverts umfasst. Auch die Aufzeichnung des Stimmverhaltens ist möglich. Am Abstimmungssonntag erhält das Wahlbüro dann massenhaft gefälschtes Abstimmungsmaterial zur Auszählung. Da Adressen und Unterschriften der Stimmberechtigten auf den Rücksendecouverts fehlen, hat das Wahlbüro keine Chance, die Manipulationen zu erkennen.

Die Gemeinden und Kantone führen über die Verwendung des offiziellen Reservematerials keine öffentliche und transparente Buchhaltung. Weil das Abstimmungsmaterial keine wirksamen Sicherheitsmerkmale aufweist, sind die Fälscher nicht einmal auf offizielles Reservermaterial angewiesen, sondern können es selbst produzieren. Besonders effizient und leicht möglich ist die systematische Fälschung durch eingeschleuste Personen innerhalb der Post, die gezielt fälschen und über das Stimmverhalten eine verdeckte Datenbank anlegen können. Edward Snowden lässt grüssen. Noch krasser sind die Manipulationsmöglichkeiten beim e-Voting.

Eine schweizweit vernetzte Interessengruppe, die IG Wahre Demokratie, ist in Kontakt mit Zeugen und Insidern. Verwaltungsleiter und Wahlbüro-Chefs haben die Manipulationsmöglichkeiten bestätigt. Die IG verlangt nun von der Bundesanwaltschaft eine grundlegende Untersuchung der Missstände. Die Themen Sicherheitsmängel, Abstimmungsfälschung und -fichierung müssen dringend auch vom Parlament behandelt werden. Entsprechende Reformen und Gesetzesänderungen sind unumgänglich.

Die IG Wahre Demokratie schlägt eine einfache Lösung vor, die Missbräuchen bei der brieflichen Abstimmung definitiv einen Riegel schieben kann: Die Einführung eines individuellen Codes, den nur die stimmberechtigte Person kennt und mit welchem sie kontrollieren kann, ob ihre Stimme korrekt ins Gesamtresultat eingeflossen ist. Dadurch können die Stimmberechtigten selbst die einwandfreie Auszählung sicherstellen. Das Abstimmungsgeheimnis bleibt dabei gewahrt. Das Lösungsprinzip wurde im Rahmen eines Referendums bereits erfolgreich getestet.

Auf der Webseite http://wahre-demokratie.ch können Whistleblower (Warnrufer) ihre Erfahrungen bei der IG Wahre Demokratie namentlich oder anonym melden.

Bis zur Behebung der gravierenden Sicherheitslücken empfiehlt die IG Wahre Demokratie allen Stimmberechtigten dringend, nicht brieflich oder elektronisch abzustimmen. Einzig der Gang an die Urne schliesst die Fälschungsmöglichkeiten heute aus.


Der Autor Roger Burkhardt ist Wirtschaftsinformatiker, Gemeinderat und Ko-Präsident eines Wahlbüros.