So könnte Trumps Friedensplan aussehen – und warum Russland ihm zustimmen könnte
Putin könnte sich dazu bereit erklären, den Konflikt entlang der Kontaktlinie (Line Of Contact – LOC) einzufrieren, trotz früher vorgebrachter Einwände gegen dieses Szenario, falls Trump droht, den Konflikt ansonsten als Strafe zu eskalieren.
Trumps Versprechen, den Ukraine-Konflikt innerhalb von 24 Stunden zu lösen, ist zwar unrealistisch. Doch er wird unweigerlich irgendwann einen Friedensplan vorschlagen. Und so stellt sich die Frage, wie dieser aussehen könnte und ob Russland ihm zustimmen würde. Höchstwahrscheinlich wird er versuchen, den Konflikt entlang der Kontaktlinie (LOC) einzufrieren, wo auch immer diese zu diesem Zeitpunkt dann sein mag. Denn es ist nicht zu erwarten, dass er die Ukraine zwingen wird, sich aus all den Regionen zurückzuziehen, deren Verwaltungsgrenzen Russland in ihrer Gesamtheit beansprucht.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass Russland bereits die Kontrolle über das ganze Gebiet erlangt hat, wenn Trumps Vorschlag vorgelegt wird. Die ukrainischen Streitkräfte wurden immer noch nicht aus dem Donbass, der im Zentrum der Ansprüche steht, vertrieben, und daher ist es unwahrscheinlich, dass die Stadt Saporischschja, die gleichnamigen Gebiete entlang des Flusses Dnjepr, oder die oberhalb an die Region Cherson angrenzenden Gebiete eingenommen werden. Es könnte noch etwas Territorium dazu gewonnen werden, wenn Pokrowsk erobert wird, aber die USA könnten in gefährlicher Weise «eskalieren, um zu deeskalieren», um dadurch einen Ansturm auf den Fluss zu verhindern, wenn die Ukraine in die Flucht geschlagen wird.
Dies könnte durch die Androhung einer konventionellen NATO-Intervention geschehen, sofern der politische Wille dazu vorhanden ist, eine Krise wie seinerzeit in Kuba auszulösen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür würde stark steigen, wenn Russland in der aktuellen Situation irgendeinen Schritt unternimmt, den Dnjepr zu überqueren und damit den Zusammenbruch der ukrainischen Front auszulösen. Wie dem auch sei, ein solcher Ansturm auf den Fluss ist nicht zu erwarten, und das Äusserste, was Russland tun könnte, ist die Stadt Saporischschja zu belagern, aber selbst das könnte bis zu dem Zeitpunkt, an dem Trump seinen Friedensplan vorstellt, noch nicht geschehen sein.
Russland wird daher mit ziemlicher Sicherheit aufgefordert werden, den Konflikt entlang der Kontaktlinie einzufrieren, wenngleich ohne Rücknahme seiner Gebietsansprüche, was die Ukraine gleichfalls nicht tun wird, begleitet von der Drohung, dass Trump die militärische Unterstützung für die Ukraine aufstockt, wenn der Kreml sich weigert, die Feindseligkeiten einzustellen. Diese Vorhersage basiert auf dem Bericht vom Sommer, wonach einige seiner Berater ihm vorgeschlagen haben, genau das zu tun, um Russland dafür zu bestrafen, im Falle dass es jeden Friedensplan zurückweist, der ihm letztendlich von ihm angeboten wird.
In Anbetracht seiner Persönlichkeit und seiner Neigung, zu seinen Bedingungen «zu eskalieren, um zu deeskalieren», wenn er sich nicht respektiert fühlt, womit er während seiner ersten Amtszeit Nordkorea gegenüber als Verhandlungstaktik geliebäugelt hat, wird von ihm erwartet, dass er dem oben genannten Vorschlag in diesem Fall nachkommt. Angesichts von Putins vollendetem Pragmatismus, wie dieser selbst sein Herangehen als solches versteht, und seiner Abneigung gegen Eskalationen könnte er sich sehr wohl fügen, aber er könnte Trump auch auffordern, Selenskyj zu Zugeständnissen zu zwingen, um dies zu erleichtern.
Dazu gehören die Rücknahme der Verfassungsänderung von 2019, die die NATO-Mitgliedschaft zu einem strategischen Ziel macht, die Verkündung von Gesetzen, welche von Russland als Fortschritt im Hinblick auf das Ziel einer Entnazifizierung angesehen werden, das Einfrieren weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine und die Einrichtung einer Pufferzone innerhalb eines Teils des ukrainischen Territoriums. In der hier aufgezählten Reihenfolge wäre die erste hinfällig, nachdem die diesjährige Flut von Sicherheitsgarantien zwischen der Ukraine und mehreren NATO-Ländern sie bereits zu einem De-facto-Mitglied des Bündnisses gemacht hat.
Zur Erklärung: Sie alle beinhalten die Verpflichtung, ihre bestehende militärische Unterstützung für die Ukraine wieder aufzunehmen, falls der Konflikt mit Russland nach dessen letztendlichem Ende wieder aufflammt, und diese Unterstützung steht wohl auch im Einklang mit Artikel 5 der NATO. Entgegen der landläufigen Meinung gibt es keine Verpflichtung, Truppen zu entsenden, sondern nur, jede Unterstützung zu leisten, die für notwendig gehalten wird, um angegriffenen Verbündeten zu helfen. Das ist es, was bereits geschieht, aber dennoch hat Russland als Antwort auf diese Einbindung in bilaterale Militärabkommen nicht mit einer Ausweitung des Konflikts reagiert.
Was das Zweite von Putin eingeforderte Zugeständnis betrifft, zu dem Trump Selenskyj nötigen sollte, so haben der wiedergewählte amerikanische Staatschef und sein Team nie ein Interesse daran signalisiert, Russland bei der Entnazifizierung der Ukraine zu helfen. Und diese zur Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes zu zwingen, könnte im Ausland ein schlechtes Bild abgeben. Da Russland selbst die Ukraine nicht dazu zwingen kann, wird dieses spezielle Ziel der Spezialoperation wahrscheinlich unerfüllt bleiben und würde in diesem Fall wahrscheinlich auch nicht weiter von Beamten und Medien diskutiert werden.
Was den dritten Punkt betrifft, so würde Trump wahrscheinlich nicht zustimmen, Waffenlieferungen an die Ukraine einzufrieren, aber sie könnten von ganz allein dadurch eingeschränkt werden, dass er Amerikas militärische Prioritäten darauf konzentriert, China in Asien, anstatt Russland weiterhin in Europa einzudämmen. Was das angeht, wird seine angekündigte Absicht, die NATO-Mitglieder zu mehr Verantwortung für ihre Verteidigung zu ermutigen, bereits unter Biden umgesetzt, wie hier aufgezeigt, und diese könnten ihre Waffenlieferungen ja auch dann fortsetzen, wenn die USA ihre eigenen Waffenlieferungen einschränken.
Trotzdem könnte die möglicherweise sich von allein ergebende Einschränkung der US-Waffenlieferungen an die Ukraine so dargestellt werden, dass sie teilweise das russische Ziel einer Entmilitarisierung erfüllt, genauso auch wie eine von Trump akzeptierte Pufferzone, bei der die Ukraine gezwungen wird, diese auf ihrem eigenen Territorium zu errichten, um sie so am Beschuss russischer Städte zu hindern. Das wird für Putin schwer zu verkaufen sein, genauso könnte Trump vom «tiefen Staat» (den fest verankerten Angehörigen der militärischen, geheimdienstlichen und diplomatischen Bürokratien der USA) unter Druck gesetzt werden, sich dem zu widersetzen, aber es könnte funktionieren.
Der Grund für diesen vorsichtigen Optimismus liegt darin, dass er Russland eine Lösung an die Hand geben würde, mit der es «sein Gesicht wahren könnte», so es denn den Konflikt einfriert, auch wenn es seine maximalen Ziele nicht erreicht hat, anstatt durch die Ablehnung von Trumps absehbarem Vorschlag, der zu einer «Gesichtswahrung» im In- und Ausland führen würde, ein Spiel mit dem Feuer, ähnlich der Kuba-Krise, zu riskieren. Trump würde keine leeren Drohungen aussprechen und schon gar nicht zulassen, dass Putin seinen Bluff, so es denn einer wäre, aufdeckt. Also ist von ihm zu erwarten, dass er die Ukraine bis an die Zähne bewaffnet, sollte sein Friedensabkommen scheitern.
Allerdings hat er sich auch für die Beendigung des Ukraine-Konflikts eingesetzt, und er persönlich würde es vorziehen, Amerikas zur Neige gegangenen Vorräte aufzufüllen und parallel dazu seine asiatischen Verbündeten bis an die Zähne gegen China zu bewaffnen, anstatt die Ukraine weiter zu bewaffnen und eine grosse Krise mit Russland zu riskieren. Sein auf China zentrierter Fokus als neuem Kalten Krieg wird nur von einer Minderheit des «tiefen Staates» geteilt. Dessen Mehrheit räumt weiterhin der Eindämmung Russlands in Europa an Stelle einer Eindämmung Chinas in Asien Vorrang ein, hat aber bisher den Konflikt mit Russland noch nie rücksichtslos ausgeweitet.
Sie hat es zwar stark ausgeweitet (z. B. durch die Lieferung verschiedener Waffen), aber dem ging immer voraus, dass sie ihre Absicht hierzu offenlegte, lange bevor dies umgesetzt wurde, um Russland so genügend Zeit zu geben, eine durchdachte Antwort darauf auszuarbeiten, anstatt eine «Kurzschlusshandlung» zu riskieren, die sich zu einen Krieg mit der NATO ausweiten könnte. Diese antirussischen Falken könnten daher widerwillig jeder Pufferzone zustimmen, zu der sich Trump bereit erklärt, wenn dadurch eine potenziell unkontrollierbare Eskalation vermieden werden kann, mit der er droht, falls Russland seinen Deal nicht annimmt.
Subversive Elemente des «tiefen Staates» könnten sogar versuchen, eine solche Eskalation zu provozieren, um dieses Szenario einer Pufferzone abzuwenden oder auch alle anderen, die sie als inakzeptable Zugeständnisse an Russland betrachten. Das verbleibt zwar vor und nach seiner Amtseinführung als Risiko, aber es ist eindeutig nicht das bevorzugte Szenario dieser Fraktion. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt man, wenn man sich an die oben erwähnte Beobachtung erinnert, dass sie ihre Eskalationsabsichten zumindest bisher immer weit im Voraus zu erkennen gegeben haben, um dadurch eine grössere Eskalation zu vermeiden.
Selbst wenn Trump den von Putin spekulativen gestellten Forderungen nicht nachkommt und ihm so nicht dabei hilft, «das Gesicht zu wahren», wenn er diesen Konflikt einfriert, obwohl er die maximalen Ziele seines Landes in diesem Konflikt nicht erreicht hat, könnte er immer noch die Mohrrübe einer schrittweisen Lockerung der Sanktionen vor Putins Nase baumeln lassen, wie es Richard Haass Anfang dieser Woche vorgeschlagen hat. Der ehemalige Präsident des äusserst einflussreichen Council on Foreign Relations deutete an, dass dies Russland dazu ermutigen könnte, einen Waffenstillstand einzuhalten, und es sei möglich, dass Putin dem zustimmen könnte.
Die russische Wirtschaft hat das beispiellose Sanktionsregime des Westens überstanden, aber Russlands grosse Pläne, alternative Finanzinstitute zu schaffen und sich auf die nichtwestliche Welt zu konzentrieren, waren nicht so erfolgreich. Diese Analyse davon, dass das letzte BRICS-Gipfeltreffen überhaupt nichts von greifbarer Bedeutung erreicht hat, weist darauf hin, dass keine der ehrgeizigen Initiativen dieses Zusammenschlusses umgesetzt werden konnten. Sie enthält auch Links zu den Nachweisen, dass die in China ansässige New Development Bank und die SCO Bank überraschenderweise die US-Sanktionen einhalten.
Darüber hinaus wurden Anfang September die Anhänger von BRICS «durch die von den USA provozierten Zahlungsprobleme Russlands und Chinas überrascht», nachdem RT einen Sonderbeitrag über diese politisch ungünstige Entwicklung veröffentlicht hatte, die zeigt, dass China, der zentraler Kern der grossen russischen Pläne, nicht voll und ganz mitzieht. Hinzu kommt die ebenso unbequeme Tatsache, dass Russlands Hinwendung zur nichtwestlichen Welt meist nur aus Rohstoffverkäufen an diese Länder besteht und noch nicht zu etwas Bedeutenderem geworden ist.
Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn Putin das Versprechen einer schrittweisen Lockerung der Sanktionen zu schätzen wüsste, sofern er sich im Gegenzug bereit erklärt, den Konflikt entlang der Kontaktlinie einzufrieren, egal wie enttäuschend ein solches Ende der Spezialoperation in den Augen seiner eifrigsten Unterstützer sein mag. Immerhin sagte Aussenminister Lawrow letzten Monat vor einer Gruppe von Botschaftern, dass Russland «die Aufhebung der westlichen antirussischen Sanktionen» verlange, was so von allen im Kreml eindeutig geteilt wird, unabhängig davon, was seine Propagandisten behaupten.
Selbst wenn Trump solche Versprechen macht, wäre es schwierig, sie einzuhalten, da viele der amerikanischen antirussischen Sanktionen durch Abstimmungen im Kongress gesetzlich verankert sind. Der Kongress könnte jeglicher Forderung nach Rücknahme nachkommen, aber er könnte es auch nicht tun und damit den russischen Plänen einen Strich durch die Rechnung machen. Auch können die USA die EU nicht zwingen, ihre jeweiligen Sanktionen aufzuheben. Antirussische Länder wie Polen und die baltischen Staaten könnten Hindernisse für die Wiederaufnahme eines Handels mit Russland in den Weg legen, wenn die Beziehungen der EU zu Russland auftauen sollten.
Sollten sie jedoch umgesetzt werden, wenn auch nur halbwegs erfolgreich, dann könnte Trump für sich in Anspruch nehmen, Russland und China erfolgreich «entzweit» zu haben, wie er es versprochen hat, selbst wenn der Handel dieser beiden weiter wächst (vor allem durch chinesische Rohstoffimporte und das Ersetzen von weggefallenen westlichen Produkte in russischen Regalen). Er könnte diesen Vorschlag zur schrittweisen Aufhebung der Sanktionen auf dieser Grundlage so auch den antirussischen Falken des «tiefen Staates» und den Europäern, um sich ihre Unterstützung zu sichern und von Behauptungen abzulenken, dass er Putin damit einen Gefallen tut.
Wenn man über die in dieser Analyse vorgebrachten Erkenntnisse nachdenkt, ist nicht zu erwarten, dass Trumps Friedensplan Überraschungen mit sich bringen wird. Es wäre auch nicht überraschend, wenn Russland ihm aus den genannten Gründen zustimmt. Die USA halten die Karten in der Hand und werden nur dann auf die von Putin auf Verdacht geforderten Zugeständnisse eingehen, um es ihm leichter zu machen, bei einem Einfrieren des Konflikts sein «Gesicht zu wahren», obwohl er seine maximalen Ziele nicht erreicht hat. Keiner von beiden will eine totale Eskalation, und beide sind dieses Stellvertreterkrieges überdrüssig, so dass ein solcher Deal funktionieren könnte.
Es wird daher interessant sein zu sehen, wie sich die Sprechweise russischer Beamter und ihres weltweiten Medienökosystems ändern könnte, wenn Berichte darüber durchsickern, was genau Trump im Sinn hat. Er und die Minderheit des «tiefen Staates», die ihn unterstützt, sind geleitet von ihrem Wunsch, «Asien wieder zum Dreh- und Angelpunkt zu machen», um so China stärker einzudämmen – daher ihr Interesse, diesen Stellvertreterkrieg zu beenden. Was Russland angeht, so beginnt es zu begreifen, dass ein Kompromiss unvermeidlich sein wird und dass es die Öffentlichkeit darauf vorbereiten muss.
Natürlich kann etwas Unvorhergesehenes passieren, was eine Bewertung völlig verändernd würde, wie etwa dass Falken auf beiden Seiten ihre jeweiligen Präsidenten davon überzeugen, den Einsatz in diesem Konflikt zu verdoppeln, aber die hier vorgebrachten Argumente berücksichtigen stichhaltig die Interessen beider Seiten, insbesondere die von Russland. Wenn sich alles mehr oder weniger so entwickelt, wie oben beschrieben, dann wird man eine «vollständige Neuausrichtung der Medien und der Auffassungen» in Bezug auf Russlands Darstellung dieses Konfliktes beobachten können, was unerlässlich wäre, um all die dann von Putin einzugehenden Kompromisse zu ermöglichen.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
*Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer politischer Analyst, der an der MGIMO promoviert und sich spezialisiert hat, den weltweiten Übergang der Systeme hin zu einer zu untersuchen.
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