Donald Trump versprach bei seiner Wiederwahl als Präsident, den Krieg in der Ukraine zu beenden. Am 12. Februar hat er damit begonnen, das Versprechen einzulösen: in einem 90-minütigen Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit dem Biden seit Beginn des Krieges nicht gesprochen hat. Die beiden waren sich einig, dass sie «sofort» bereit sind für Verhandlungen. Daraufhin rief Trump Präsident Selenskyj an, um eine Stunde lang die Bedingungen für einen, wie Selenskyj es nennt, «dauerhaften und zuverlässigen Frieden» zu erörtern.
Gleichzeitig stellte der neue Verteidigungsminister der USA, Pete Hegseth, Trumps neue Politik bei einem Treffen der Ukraine-Verteidigungskontaktgruppe im NATO-Hauptquartier in Brüssel mit folgenden Worten näher vor: «Das Blutvergiessen muss aufhören. Und dieser Krieg muss beendet werden.»
Die neue Politik, die Hegseth ankündigte, umfasst zwei Teile. Zum einen erklärte Hegseth, dass Trump «beabsichtigt, diesen Krieg durch Diplomatie zu beenden und die Ukraine an einen Tisch bringen wird». Und zweitens werden die Vereinigten Staaten die Hauptverantwortung für die Bewaffnung der Ukraine und die Gewährleistung ihrer künftigen Sicherheit an die europäischen Mitglieder der NATO abgeben.
Europa die Rolle als Sicherheitsgarant zuzuweisen, ist ein durchsichtiger Schachzug, um die USA von der anhaltenden Verantwortung für einen Krieg zu entlasten, den sie durch das Scheitern früherer Verhandlungen massgeblich mitverursacht und verlängert haben. Wenn die Europäer die ihnen zugewiesene Rolle in Trumps Plan nicht akzeptieren oder Präsident Selenskyj oder Putin ihn ablehnen, müssen die USA möglicherweise doch eine grössere Rolle bei Sicherheitsgarantien für die Ukraine spielen, als es Trump oder vielen US-Bürgern lieb ist. Selenskyj sagte dem Guardian am 11. Februar, dass für die Ukraine«Sicherheitsgarantien ohne die USA keine echten Sicherheitsgarantien sind».
Nach der Blockade der Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine im April 2022 hat die Biden-Regierung Friedensverhandlungen über die Ukraine fast drei Jahre lang abgelehnt. Biden bestand darauf, dass die Ukraine ihr gesamtes international anerkanntes Territorium zurückerhalten müsse, einschliesslich der Regionen Krim und Donbas, die durch den von den Vereinigten Staaten unterstütztenPutsch in Kiew im Jahr 2014 von der Ukraineabgespalten wurden.
Hegseth öffnete die Tür zum Frieden, indem er Amerikas europäischen Verbündeten klar und ehrlich sagte: «…wir müssen zunächst erkennen, dass die Rückkehr zu den Grenzen der Ukraine von vor 2014 ein unrealistisches Ziel ist. Die Verfolgung dieses illusorischen Ziels wird den Krieg nur verlängern und mehr Leid verursachen.»
Hegseth erläuterte den Plan der Vereinigten Staaten im Detail und fuhr fort: «Ein dauerhafter Frieden für die Ukraine muss robuste Sicherheitsgarantien beinhalten, die gewährleisten, dass der Krieg nicht wieder beginnt. Dies darf nicht Minsk 3.0 sein. Die USA glauben jedoch nicht, dass die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ein realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung ist. Stattdessen muss jede Sicherheitsgarantie durch fähige europäische und aussereuropäische Truppen gestützt werden.»
Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine war für Russland schon immer völlig inakzeptabel. Trumps und Hegseths Unverblümtheit, endlich den Stecker zu ziehen, nachdem die USA seit 2008 mehreren ukrainischen Regierungen die NATO-Mitgliedschaft schmackhaft gemacht haben, zeigt, dass die Neutralität die beste Chance für die Ukraine ist, mit Russland und dem Westen zu koexistieren, ohne zum Schlachtfeld zwischen ihnen zu werden.
Trump und Hegseth erwarten, dass Europa die Hauptverantwortung für die Ukraine übernimmt, während sich das Pentagon stattdessen auf Trumps zwei Hauptprioritäten konzentrieren wird: innenpolitisch auf die Abschiebung von Einwanderern und aussenpolitisch auf die Auseinandersetzung mit China. Hegseth rechtfertigte dies als «eine Arbeitsteilung, die unsere komparativen Vorteile in Europa bzw. im Pazifikraum maximiert».
Hegseth erläuterte die Rolle, die der Plan der USA von ihren europäischen Verbündeten verlangt: «Wenn diese Truppen irgendwann als Friedenstruppen in die Ukraine entsandt werden, dann sollten sie im Rahmen einer Nicht-NATO-Mission eingesetzt werden. Und sie sollten nicht unter Artikel 5 fallen. Ausserdem muss es eine solide internationale Aufsicht über die Kontaktlinie geben. Es muss klar sein, dass im Rahmen einer Sicherheitsgarantie keine US-Truppen in der Ukraine stationiert werden… Die Wahrung der europäischen Sicherheit muss für die europäischen NATO-Mitglieder eine zwingende Notwendigkeit sein. In diesem Zusammenhang muss Europa den überwiegenden Teil der künftigen militärischen und nichtmilitärischen Hilfe für die Ukraine bereitstellen.»
Die Aussage, dass die US-Truppen niemals an der Seite europäischer Streitkräfte in der Ukraine kämpfen werden und dass Artikel 5, die Verpflichtung zur gegenseitigen Verteidigung in der NATO-Charta, nicht für europäische Streitkräfte in der Ukraine gelten wird, geht einen Schritt weiter als die einfache Verweigerung der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, indem die Ukraine zu einer Ausschlusszone erklärt wird, in der die NATO-Charta nicht mehr gilt, auch nicht für NATO-Mitglieder.
Während Trump plant, direkt mit Russland und der Ukraine zu verhandeln, bedeutet die verwundbare Position, in die sein Plan die europäischen NATO-Mitglieder versetzen würde, dass auch sie ein erhebliches Mitspracherecht bei den Friedensverhandlungen haben wollen und wahrscheinlich eine Rolle der USA bei den Sicherheitsgarantien für die Ukraine fordern werden. Trumps Bestreben, die USA von den Folgen ihres Handelns in der Ukraine abzuschirmen, könnte sich also als Makulatur erweisen, noch bevor er sich zu Verhandlungen mit Russland und der Ukraine zusammensetzt.
Hegseths Verweis auf das Minsker Abkommen verdeutlicht die Parallelen zwischen Trumps Plänen und den Vereinbarungen von 2014 und 2015, die den Frieden in der Ostukraine von damals bis 2022 weitgehendbewahrten. Westliche Politiker haben inzwischen zugegeben, dass sie immer beabsichtigt haben, den relativen Frieden, der durch das Minsker Abkommen geschaffen wurde, zu nutzen, um die Ukraine militärisch aufzurüsten, damit sie Donezk und Luhansk schliesslich mit Gewalt zurückerobern kann, anstatt ihnen die in den Abkommen vereinbarte Autonomie zu gewähren.
Russland wird mit Sicherheit auf Bestimmungen bestehen, die den Westen daran hindern, ein neues Friedensabkommen auf dieselbe Weise zu nutzen, und es wäre höchst unwahrscheinlich, dass es westlichen Streitkräften oder Stützpunkten in der Ukraine als Teil der Sicherheitsgarantien der Ukraine zustimmt. Präsident Putin hat immer darauf bestanden, dass eine neutrale Ukraine für einen dauerhaften Frieden unerlässlich ist.
In den Vorschlägen von Trump und Hegseth steckt natürlich auch ein gewisses Mass an «Selbstbehauptung». Selbst wenn die Europäer den grössten Teil der Verantwortung für die Gewährleistung der künftigen Sicherheit der Ukraine übernehmen und die USA nicht durch Artikel 5 verpflichtet sind, sie zu unterstützen, würden die USA ihre wesentliche Befehls- und Kontrollposition über Europas Streitkräfte durch die NATO beibehalten. Trump fordert nach wie vor, dass die europäischen Mitglieder ihre Militärausgaben auf 5 % des BIP erhöhen, weit mehr als die USA für ihre aufgeblähte, verschwenderische und gescheiterteKriegsmaschinerie ausgeben.
Biden war bereit, Russland «bis zum letzten Ukrainer» zu bekämpfen, wie der pensionierte US-Diplomat Chas Freeman im März 2022 sagte, und die US-Waffenfirmen mit ukrainischem Blut reich zu machen. Bereitet sich Trump nun darauf vor, Russland auch bis zum letzten britischen, französischen, deutschen oder polnischen Soldaten zu bekämpfen, wenn sein Friedensplan scheitert?
Trumps Telefonat mit Putin und Hegseths Zugeständnisse in Bezug auf die NATO und die territoriale Integrität der Ukraine lässt viele europäische Staats- und Regierungschefs ratlos zurück. Sie beschwerten sich darüber, dass die USA hinter ihrem Rücken Zugeständnisse machen, dass diese Fragen am Verhandlungstisch verhandelt werden sollten und dass die Ukraine nicht gezwungen werden darf, auf die NATO-Mitgliedschaft zu verzichten.
Die europäischen NATO-Mitglieder haben berechtigte Bedenken, die sie mit der neuen US-Regierung klären müssen, aber Trump und Hegseth tun gut daran, der Ukraine endlich ehrlich zu sagen, dass sie nicht Mitglied der NATO werden wird, um diese tragische Illusion zu zerstreuen und das Land in eine neutrale und friedlichere Zukunft zu führen.
Auch die republikanischen Hardliner haben eine Gegenreaktion ausgelöst, während die Demokraten, die in Bezug auf die Ukraine als Kriegspartei aufgetreten sind, wahrscheinlich versuchen werden, Trumps Bemühungen zu sabotieren. Andererseits werden vielleicht ein paar mutige Demokraten dies als Chance erkennen, das verlorene Erbe ihrer Partei als die zurückhaltendere der beiden veralteten Parteien Amerikas zurückzuerobern und die dringend benötigte neue progressive aussenpolitische Führung im Kongress zu stellen.
Auf beiden Seiten des Atlantiks ist Trumps Friedensinitiative ein Wendepunkt und eine neue Chance für den Frieden, die die USA und ihre Verbündeten ergreifen sollten, auch wenn sie ihre jeweilige Verantwortung für die Bereitstellung von Sicherheitsgarantien für die Ukraine ausarbeiten. Es ist ebenso an der Zeit, dass Europa erkennt, dass es die Aussenpolitik der USA nicht einfach nachahmen und im Gegenzug Schutz durch die USA erwarten kann. Die schwierige Beziehung Europas zu Trumps Amerika könnte zu einem neuen Modus Operandi und einer Neubewertung (oder vielleicht sogar dem Ende?) der NATO führen.
In der Zwischenzeit sollten diejenigen unter uns, denen der Frieden in der Ukraine am Herzen liegt, die Initiative von Präsident Trump begrüssen, aber wir müssen auch auf die eklatanten Widersprüche eines Präsidenten hinweisen, der das Töten in der Ukraine für inakzeptabel hält, aber den Völkermord in Palästina uneingeschränkt unterstützt.
Bei den meisten Opfern in der Ukraine handelt es sich um Soldaten, während die Mehrzahl der Verstümmelten und Getöteten in Palästina sind Zivilisten, darunter Tausende von Kindern, so dass Mitgefühl und Humanität in Palästina sogar noch stärker für den Frieden sprechen als in der Ukraine. Warum setzt sich Trump also dafür ein, das Töten in der Ukraine zu stoppen, aber nicht in Gaza? Liegt es daran, dass Trump so sehr auf Israel fixiert ist, dass er sich weigert, das Gemetzel zu beenden? Oder liegt es einfach daran, dass Ukrainer und Russen weiss und europäisch sind, die Palästinenser aber nicht?
Wenn Trump die politischen Argumente zurückweisen kann, die drei Jahre Krieg in der Ukraine angeheizt haben, und wenn er Mitgefühl und gesunden Menschenverstand anwendet, um diesen Krieg zu beenden, dann kann er das sicher auch im Nahen Osten tun.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Angela Becker vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!