Urin, der Dünger der Zukunft

Urin gehört in den Boden und nicht ins Wasser. Statt ihn wegzuspülen und in Seen und Meeren ökologische Schäden zu verursachen, sollten wir ihn besser als Dünger verwenden, denn Harn ernährt Bodenlebewesen. Vom Rohstoff ist genügend vorhanden, nun braucht es nur noch ein Umdenken im Kopf.


Seit Millionen von Jahren ist Urin ein wichtiger Teil des Ökosystems Boden. Lebendiger Boden kann kleine Mengen davon schnell aufnehmen und verarbeiten. Urin dient als Nahrung für Bodenlebewesen und fördert die Bodenfruchtbarkeit und die Humusbildung. Harn enthält viel Stickstoff, der wiederum wichtig für das Pflanzenwachstum ist, denn jede Zelle braucht Eiweisse und jedes Eiweiss braucht Stickstoff. Wenn wir im Garten Urin giessen, betreiben wir Kreislaufwirtschaft. Wir imitieren einen bewährten Prozess. In vielen Ländern wird seit Jahrhunderten mit Urin gedüngt, bei uns ist es verboten. Zeit, umzudenken!
Denn Urin und Kunstdünger führen zu zwei ökologischen Katastrophen. Zum einen führen Kot und Urin im Wasser zu Überdüngung und Verschmutzung von Flüssen, Seen und Meeren, viele Länder haben keine Kläranlagen. So gehen dem Land Nährstoffe für die Pflanzen verloren. Zum andern enthält Kunstdünger wasserlösliche Salze. Diese sind aggressiv und töten Bodenlebewesen ab, die natürliche Bodenfruchtbarkeit und die Humusbildung gehen zurück. Bei starkem Regen wird Kunstdünger ausgewaschen und Grund- und Oberflächenwasser verschmutzt. Es entsteht eine Durchlaufwirtschaft, die Gefahr von Hunger steigt. Hinzu kommt, dass jährlich mit hohem Energieaufwand und grosser Umweltbelastung Millionen von Tonnen Harnstoff für Dünger produziert und transportiert werden.


Dass wir keinen Urindünger verwenden, liegt an unserer Einstellung zu Harn. Viele Leute ekeln sich vor dem eigenen Urin, sie denken fälschlicherweise, er enthalte nur Abfallstoffe. Harn besteht aus Stoffen des Blutplasmas. Die Niere, wo der Urin zunächst entsteht, scheidet Substanzen aus, die im Blutplasma eine zu hohe Konzentration aufweisen. Deshalb befinden sich im Urin dieselben Substanzen wie im Blutplasma – nur in anderer Konzentration. Diese sind so wertvoll, dass Menschen Eigenurin als Medizin verwenden.
Die emotionale Abneigung gegen Urin ist in unserer Kultur tief verwurzelt. Da helfen meist die besten Argumente nicht weiter, sondern nur noch ein Trick: Wir machen den Urin unsichtbar und geruchlos, indem wir Holzkohlestaub hinein mischen. Dieser absorbiert Geruch und Farbe. Anschliessend wird die Flüssigkeit direkt als Dünger eingesetzt. Wenn Tomaten und andere Nahrungsmittel dann erst einmal wunderbar gedeihen und vorzüglich schmecken, kann man die Leute immer noch mit der unbequemen Wahrheit konfrontieren.


Holzkohle ist ein wertvoller Bodenverbesserer: Die sagenumwobene Terra preta der präkolumbianischen Amazonasindianer, eine von Menschen gemachte Erde, ist 500 Jahre nach dem Verschwinden dieser Kultur noch immer fruchtbar. Terra preta bedeutet schwarze Erde. Sie ist schwarz, weil sie Holzkohle enthält. Holzkohle hat die chemische Eigenschaft, Mineralien, Wasser und viele weitere Stoffe zu binden und sie später an Pflanzenwurzeln abzugeben. Sie weist eine grosse Oberfläche im Verhältnis zum Volumen auf. Bakterien können diese Oberflächen besiedeln. Zudem kann Holzkohle über Jahrhunderte im Boden überdauern.
Um Urin als Dünger verwenden zu können, muss er von Fäkalien getrennt werden. Dafür sorgen «NoMix-Toiletten» (siehe Box). Der Urin läuft getrennt vom restlichen Abwasser in einen Sammeltank, die Fäkalien werden – wie gehabt – hinten weggespült. Der gesammelte Urin muss nur noch mit Wasser verdünnt werden (Verhältnis 1:10), damit er als Schnelldünger verwendet werden kann. Konzentriert würden die Pflanzen eingehen. Durch das Giessen mit Urin (1 bis 3 Liter pro m2) wird Terra Preta übrigens wie ein Akku wieder aufgeladen. Den Urin kann man in dichten Kanistern oder Tonnen über Monate zur Verwendung lagern. Es wird denn auch eine halbjährige Lagerung empfohlen, damit Bakterien absterben.


Mit der neuartigen WC-Wirtschaft lassen sich Wasserverschmutzung vermeiden und die Nährstoffe und Mineralien kommen wieder dorthin, wo sie hingehören, nämlich in den Boden. Noch braucht das System Anwender. Sind Sie dabei?


Beat Rölli arbeitet hauptberuflich als Permakultur-Designer. In seiner «Permakultur Beratung» führt er verschiedene Kurse und Ausbildungen (dipl. Permakultur-Designer und Permakultur-Training) durch. Rölli lebt mit seiner Familie in der Ökosiedlung Unter-Grundhof in Emmen bei Luzern.
Kontakt: B. Rölli, Emmen. Tel. 041 210 92 91, www.permakultur-beratung.ch