Uruguays Ex-Präsident Pepe Mujica nimmt Abschied: «Meine Uhr ist abgelaufen»

Ein Nachruf auf einen aussergewöhnlichen Mann, der sich zum Sterben aus der Öffentlichkeit zurückzieht. Er war Guerillero, Häftling, Politiker.

Uruguays Präsident José «Pepe» Mujica: «Der Ärmste ist der, der viel zum Leben braucht.»

Es klang wie ein Nachruf auf sich selbst, den der frühere uruguayische Präsident José «Pepe» Mujica dieser Tage in der Wochenzeitschrift «Búsqueda» formulierte, wie der Guardian berichtete. «Ehrlich, ich sterbe», sagte der 89-Jährige mit Blick auf eine Krebserkrankung, an der er bereits seit einiger Zeit leidet. Nun hat der Tumor gestreut. «Bitte fragt mich nicht nach weiteren Interviews, meine Uhr ist abgelaufen.» Offensichtlich bereitet er sich auf den nahenden Tod vor.

Damit neigt sich ein bewegtes Leben einer beeindruckenden Persönlichkeit dem Ende zu. Pepe Mujica war mehr als vier Jahrzehnte politisch aktiv, fünf Jahre davon – 2010 bis 2015 – sogar als Präsident des kleinen Landes zwischen Argentinien und Brasilien, das sich durch eine solide Politik seit einigen Jahren den Beinamen «Schweiz Südamerikas» redlich verdient hat. International wurde Mujica fast bekannter als sein Land als so genannter «ärmster Präsident der Welt», einen Beinamen, mit dem er wenig anfangen konnte und der doch seither an ihm haftete. «Ich bin nicht der ärmste Präsident, sagte er einmal in einem Interview mit dem New York Times. «Es gab Zeiten, da war ich froh, wenn ich eine Matratze hatte.»

Pepe Mujica war mehr als vier Jahrzehnte politisch aktiv, fünf Jahre davon – 2010 bis 2015 – sogar als Präsident des kleinen Landes zwischen Argentinien und Brasilien, das sich durch eine solide Politik seit einigen Jahren den Beinamen «Schweiz Südamerikas» redlich verdient hat. International wurde Mujica fast bekannter als sein Land als so genannter «ärmster Präsident der Welt», einen Beinamen, mit dem er wenig anfangen konnte und der doch seither an ihm haftete. «Ich bin nicht der ärmste Präsident, sagte er einmal in einem Interview mit dem Guardian. «Der Ärmste ist der, der viel zum Leben braucht.»

Bescheidener Lebensstil: Alter Käfer statt Staatskarosse

Hintergrund dieses vor allem von westlichen Medien gerne benutzten Spitznamens war sein bescheidener Lebenswandel, den er auch während seiner Präsidentschaft aufrechterhielt. Statt in der Präsidentenresidenz, zog er es vor, in einem kleinen Haus ausserhalb der Hauptstadt Montevideos zu wohnen. «Es gibt eine Residenz», hatte er mal in einem Interview gesagt. «Es hat vier Stockwerke und um einen Tee trinken zu können, muss man drei Blocks weit laufen. Sinnlos. Man sollte daraus eine Oberschule machen.»

Bekannt wurde Mujica auch durch seinen alten VW-Käfer, den er ebenfalls nicht gegen eine gepanzerte Staatskarosse tauschen mochte. Aus materiellen Dingen macht er sich nichts. «Mein Lebensstil ist die Konsequenz meiner Wunden, ich bin das Kind meiner eigenen Geschichte», sagte er in einem Interview mit der New York Times. «Es gab Zeiten, da war ich froh, wenn ich eine Matratze hatte.»

Mujica war nicht immer Spitzenpolitiker. Sein langes politisches Leben lässt sich in einem Dreiklang zusammenfassen: Guerillero, Häftling, Politiker. In den 1960er-Jahren schloss er sich als junger Mann aus einfachen Verhältnissen der Tupamaros-Bewegung an, einer kommunistischen Guerrilla-Organisation.

Guerillero, Häftling, Politiker

Diese war aus gewerkschaftlichen Elementen entstanden und von 1963 bis in die 1970er Jahre als Untergrundbewegung tätig. Seit 1985 agiert sie als politische Partei. Hatte sich die Bewegung in den 1960er Jahren noch von bewaffneten Aktionen und Gewalt distanziert, änderte sich dies mit Beginn der Militärdiktatur 1973.

Ihr Konzept der Stadtguerilla umfasste auch Öffentlichkeitsarbeit. Ab 1968 verschärften sich die Massnahmen der Regierung gegen Arbeitsunruhen im Land, die Tupamaros begannen sich zu radikalisieren. In diesem Jahr entführten sie Ulysses Pereira Reverbel, einen führenden Politiker der Partido Colorado, und verübten mehrere Anschläge und Raubüberfälle. Weil sie erbeutete Lebensmittel und Geld an Arme verteilten, erlangen sie den Ruf einer «Robin Hood-Guerrilla» – zweifellos ein etwas verklärender Begriff.

Er traf Mao Zedong und Che Guevara

Vier Mal wurde Mujica verhaftet, zwei Mal gelang es ihm zu entkommen. 1972 wurde er erneut verhaftet und blieb bis 1985 inhaftiert, teilweise in Einzelhaft. Der Legende nach soll er sich dort mit einem Frosch angefreundet haben, um nicht durchzudrehen. Ein Amnestiegesetz am Ende der Diktatur brachte ihn zurück in Freiheit und zur legalen politischen Arbeit. Er dürfte einer der letzten lebenden Ex-Staatsoberhäupter sein, der Mao Zedong und Ernesto «Che» Guevara persönlich getroffen hat. Überhaupt pflegte er zu den linken Präsidenten Südamerikas, von Hugo Chaves (Venezuela) über Evo Morales (Bolivien) bis Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien) Kontakte. Mit letzterem verbindet Mujica sogar eine persönliche Freundschaft.

Vielleicht liegt es am ähnlichen Werdegang der beiden, der signifikante Gemeinsamkeiten aufweist: Wie Mujica stammt Lula aus dem gewerkschaftlichen Milieu, lehnte sich gegen die Militärdiktatur auf, landete im Gefängnis und half am Ende der Diktatur die Demokratie als dauerhafte Staatsform zu etablieren. So überreichte Lula seinem Freund am 6. Dezember 2024 im Rahmen des Mercosur Gipfeltreffens den brasilianischen Orden `Kreuz des Südens´. «Nicht dafür, weil er Präsident war, sondern dafür, wer er ist», hatte Lula bei der Verleihung betont.

Mit Mujica zieht sich eine charismatische Gestalt zurück – und das nicht, weil er die aktuelle Politik nicht mehr versteht. Mujicas Ansatz war stets ein progressiver. Während seiner Amtszeit führte Uruguay gleichgeschlechtliche Ehen ein, die Abtreibung wurde legalisiert wie auch der Anbau und die Abgabe von Marihuana zu medizinischen Zwecken. Zudem war Mujica stets ein Fürsprecher der Erneuerbaren Energien und des Recyclings, sah ungezügelten Konsum eher kritisch, auch wenn ihm stets bewusst war, dass er den Zeitgeist nicht aufhalten kann. Wirtschaftliches Wachstum durch mehr Konsum war für ihn eine «blinde Obsession».

Nun zieht er sich auf eigenen Wunsch ins Privatleben zurück und tritt somit heraus aus dem Rampenlicht, in dem er nie gern zu stehen schien.


Andreas Nöthen
Aus Bonn stammender Journalist lebt in Frankfurt und zurzeit in Rio de Janeiro. Er ist dort als freiberuflicher Journalist, Korrespondent und Blogger tätig und schreibt über Schwerpunktthemen wie Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz, Gesellschaft, Reisen, Lebensmittel, Immobilien, Architektur.

Kommentare

Beeindruckt

von MS
Möge er in Ruhe und Frieden seine letzten Wege gehen. Ich bin sehr beeindruckt von ihm, einmal mehr.