Das wird von den Werten und Loyalitäten der Bauenden abhängen. Wenn sie nicht humanistische Werte verkörpern und grundlegende moralische Wahrheiten anerkennen, dann werden ihre Konstruktionen ganz genauso hässlich sein wie das, was sie zerstört haben – oder sogar noch hässlicher.
Das Wichtigste – und in konfliktreichen Zeiten am ehesten Vergessene – an diesen Wahrheiten und Werten ist so grundlegend, dass es oft zu einer Plattitüde verkommt. Jeder Mensch, von jeder Herkunft, Rasse, Überzeugung, Nation, Ethnie oder Lebenssituation, ist gleichermassen ein Wunder der Schöpfung, zu Leiden, Freude und Trauer fähig … ein vollständiges menschliches Wesen, nicht weniger und nicht mehr von Gott geliebt als jedes andere. Dieser Gedanke ist die Basis der politischen Aufklärung, die im 17. Jahrhundert begann, mit ihren Lehren von Menschenrechten und individuellen Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit, Rechtssicherheit und demokratischer Regierungsweise. Auf sie gehen auch die Abschaffung der Sklaverei, die Frauen-, Homosexuellen- und Bürgerechte zurück.
Alle Menschen sind gleich geschaffen.
Ich habe dieses Denken in monotheistischer Terminologie umrissen, aber andere spirituelle Traditionen können es ebenso gut ausdrücken. Es ist eine universelle Wahrheit, die Wahrheit des Mitfühlens. Unsere Getrenntheit ist eine Illusion. Niemand von uns besteht aus besserem Material als irgendjemand anderes. Wir können ungleich sein, was unsere Gaben, Gebrechen und Geschicke angeht, aber unser grundlegender Wert ist derselbe.
Ich hoffe, das hört sich jetzt nicht zu moralisierend oder gönnerhaft an – Spiritualität auf Kindergarten-Niveau – aber Trumps Rhetorik und Taktik bedarf einer Abmahnung. Am offenkundigsten ist das beim Thema Einwanderung: die Entmenschlichung illegal Eingewanderter, die Leugnung der Umstände, die sie herbrachten, und die Nichtanerkennung des Leids, das durch willkürliche Abschiebungen verursacht wird. Nichts Gutes wird daraus entstehen. Nichts Gutes entsteht aus Missachtung der Wahrheit von Mitgefühl. Das wird nicht nur den Migrantinnen schaden, es wird auch Bürgern der Vereinigten Staaten Schaden zufügen. Was für ein Land wird aus uns werden, wenn wir manchen Menschen weniger Würde und Freiheit zugestehen als anderen? Was für ein Land wird aus uns, wenn wir Hilflose brutal behandeln?
Je mehr wir die Feuer des Hasses anfachen, desto mehr Brennstoff wird er einfordern, und desto mehr von uns werden brennen.
Bedenken wir auch die Rücknahme des Grundsatzes von DEI (dt. Diversität, Gleichheit, Inklusion) in den Regelwerken der Regierung und anderer Organisationen. Konservative haben auf berechtigte Fragen hingewiesen, z. B. zur Anwendung von Rassendiskriminierung, um die Folgen vergangener Rassendiskriminierung wiedergutzumachen. Oder die Fallstricke des Herabstufens von Leistungen in Bildung und Arbeitswelt. Die Absurdität und Unangemessenheit einiger Konzepte, die unter der Flagge von DEI eingeführt wurden, haben in der Öffentlichkeit starken Groll hervorgerufen.
Vergessen wir jedoch nicht den moralischen Antrieb, der solche Konzepte ursprünglich auf den Weg gebracht hat. Es war die Sorge um die beklagenswerte Lage verschiedener Minderheiten in US-Amerika, besonders derjenigen mit afrikanischen Wurzeln. Sklaverei, Völkermord, die Jim-Crow-Ära, Lynchmorde und alles andere hinterliessen ein nachhaltiges Vermächtnis, ein Vermächtnis von Armut, ein Vermächtnis von Sucht, Gewalt, Inhaftierung und psychischer Erkrankung. Wenn wir das nicht anerkennen, handeln wir nicht in der Wirklichkeit. Wenn wir die Lage unserer Geschwister dunklerer Hautfarbe ignorieren, verlassen wir unsere Grundlage moralischer Wahrheit. Wir müssen den Diskurs der «Critical Race Theory» nicht übernehmen, um die Dringlichkeit einer Reaktion zu erkennen.
Es geht nicht nur um Altruismus. Die Gesellschaft kann nicht gesund sein, wenn es ihr in grossen Teilen schlecht geht. Und diese Krankheit wird sich ausbreiten. Das hat sie schon getan. Heute hat sich in vielen ländlichen weissen Städten im Mittleren Westen der USA ein Verfall eingestellt, der einmal den Innenstadt-Ghettos und Indianer-Reservaten vorbehalten war: überall Ein-Dollar-Läden, Pfandleiher, Meth-Labore, Depression, Suizid, Krebs, Sucht und Verzweiflung. Und die Mauern des Privilegs – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – können manche Formen dieser Auswüchse nicht einmal von den reichsten Enklaven fernhalten. Sucht, Krankheit, Missbrauch und Depression finden ihren Weg auch dorthin.
Das Prinzip, das das Wohlergehen einiger weniger mit dem Wohlergehen der übrigen verbindet, lässt sich auch auf das Verhältnis zwischen Staaten anwenden. Kein Land kann «gross» und bedeutsam sein, wenn seine Grossartigkeit und Bedeutsamkeit auf Kosten anderer geht. Ein Anführer ist nicht der, der die Übrigen am erfolgreichsten beherrscht. Ein Anführer ist jemand, der den Weg weist, der mit gutem Beispiel vorangeht, der allen Nutzen bringt. In der Weltpolitik kann Amerika nicht Grösse und Bedeutsamkeit erlangen, indem es grabscht und schikaniert, indem es einem Handelskrieg oder irgendeine Art von Krieg führt. Ein solches Vorgehen bringt vielleicht vordergründig kurzfristige wirtschaftliche Vorteile; da es aber die Wahrheit des Verbundenseins ausblendet, wird es am Ende Armut erzeugen und den Niedergang des Landes beschleunigen.
Kein Land kann gedeihen, wenn es sich globaler Zusammenarbeit verschliesst oder Hals über Kopf einen Wettbewerb aller gegen alle gewinnen will. Diese Zeiten sind vorbei. Im Reifeprozess der Weltzivilisation geht es genau darum, sich zu etwas Grösserem zu vereinigen als dem jeweiligen Eigeninteresse von Nationen oder Individuen. Der Wettbewerb spielt eine wichtige Rolle, aber das Gewinnen darf nicht das höchste Ziel sein. Es ist wie im Sport. Das Spiel hat seine Regeln, denen alle Parteien zu ihrer aller Nutzen und zum Nutzen des Spiels selbst zustimmen. Alle sind sich einig, dass es etwas Wichtigeres gibt, als den Ball ins Tor zu bekommen. Wenn dies das Wichtigste wäre, wäre das Spiel kein Spiel mehr, sondern es wäre ein Schlachtfeld, und Tötungsqualitäten würden an die Stelle von Fussballqualitäten treten.
Kritiker von links und rechts haben die «regelbasierte internationale Ordnung» abgelehnt – und das mit gutem Grund, denn es waren die USA, die die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil gemacht und auch ungestraft gebrochen haben. Doch der Kern der Idee war richtig: Um zu verhindern, dass der Wettbewerb uns alle zerstört, müssen wir uns auf seine Regeln einigen. Doch diese Einigung darf nicht allein dazu dienen, die Zerstörung zu vermeiden, denn dann wären die Anreize zum Betrügen zu stark.
Sie muss vielmehr einer gemeinsamen Hoffnung dienen, einer Sache, die die ganze Menschheit stolz unter einem gemeinsamen Ziel vereint. Donald Trumps Betonung des «Gewinnens» fällt aus der Zeit. Allerdings: Auch wenn diese Zeiten vorbei sind, bedeutet das nicht, dass ein Staatsoberhaupt jeden Gedanken an nationales Eigeninteresse verwerfen soll. Kein fremder Machthaber kann so gut wissen, was ein Volk will und braucht, wie dessen selbst gewählter. Aber dieser Machthaber, diese Regierung muss auch verstehen, dass das Gedeihen der Nation ebenso vom Gedeihen anderer Nationen abhängt.
Jede Nation, die das vergisst und die Wahrheit gegenseitiger Verbundenheit leugnet, erntet das Gegenteil dessen, was sie anstrebt. Strebt sie Wohlstand an, wird sie Armut ernten; strebt sie Sicherheit an, wird sie dauerhafte Bedrohung ernten. Die Gewalt, die sie im Ausland ausübt, dringt in ihre eigenen Städte vor, in ihre Wohnungen, in ihre Bevölkerung – und nimmt alle Formen bürgerlicher, häuslicher und innerer Gewalt an.
Die Lage in Palästina zeigt dieses Prinzip sehr deutlich. Als Vorwand für Unterdrückung, Enteignung und das Abschlachten der Palästinenser beruft sich Israel auf seine eigene Sicherheit. Aber nicht einmal die hat es erlangt. Und zwar, weil Sicherheit gar nicht auf diesem Weg erlangt werden kann. Sie kann nicht durch eine Wir-gegen-die-Weltsicht erlangt werden. Sie kann nicht erlangt werden, indem man die Grundwahrheit der gegenseitigen Verbundenheit leugnet. Endloser Krieg gegen andere, endlose Wachsamkeit bedeutet nicht Sicherheit. Es bedeutet das Gegenteil.
Dasselbe gilt für die Vereinigten Staaten. Die Wir-gegen-Die-Weltsicht nationalen Chauvinismus' reduziert die Vielfältigkeit anderer Gesellschaften auf schlichte binäre Kategorien. Wenn wir andere Nationen oder einfach andere Menschen als unerbittliche Gegner behandeln, nehmen sie in aller Regel die vorbereitete Rolle an. Die Hardliner gewinnen an Macht und sehen sich in ihrem Glauben bestätigt, wir selbst seien der unerbittliche Gegner: Russland ist …, Iran ist ..., China ist … – das sind keine feststehenden objektiven Grössen. Genau wie in zwischenmenschlichen Beziehungen, verändern sich die anderen, je nachdem, wie wir sie betrachten und zu was für einer Beziehung wir sie einladen. Das ist eine weitere Wahrheit des gegenseitigen Verbundenseins.
Die Trump-Regierung scheint zu verstehen, dass das unipolare Zeitalter vorbei ist, dass die Vereinigten Staaten ihren Traum von der Weltbeherrschung aufgeben und eine multipolare Weltordnung akzeptieren müssen. Aber Multipolarität muss nicht ein allgemeines Gerangel bedeuten, in dem die USA zum Ober-Raufbold ihres Spielplatzabschnitts werden, der in seiner geschrumpften Einflusssphäre so viel wie möglich von den schwächeren Kindern herausschindet. Ob in der bipolaren Welt des Kalten Krieges, der unipolaren Zeit amerikanischer Hegemonie, die darauf folgte, oder in der multipolaren Welt von heute – nichts Gutes kann entstehen, wenn man das Konzept des «Gewinnens» auf den einzelnen Nationalstaat beschränkt.
Die Geschichte schreibt diese Wahrheit ohne jeden Zweifel fest: Die «grossen» dominierenden Reiche litten im eigenen Inneren am Spiegelbild ihrer imperialistischen Tyrannei; sie alle verrotteten von innen. Das ist heute umso wahrer, wo der technologische Fortschritt das Schicksal von Nationen und das Schicksal der Menschheit enger verwoben hat als je zuvor. Gentechnik, künstliche Intelligenz, der ökologische Kollaps und die guten alten Atomwaffen untermauern die Notwendigkeit einer weltumspannenden Übereinkunft zur Zusammenarbeit, um den Wettbewerb zwischen den Staaten einzudämmen.
Konservative Lesende widersprechen mir vielleicht bei der Erwähnung von «ökologischem Kollaps», weil sie ihn mit dem Problem der menschgemachten Erderwärmung gleichsetzen. Aber selbst diejenigen, die diese wissenschaftliche Theorie ablehnen, brauchen eines nicht zusammen mit ihrer Naturliebe und ihrer spirituellen Intuition zu verwerfen: nämlich dass wir alles, was wir der lebendigen Welt antun – genau wie den Nationen und Menschen – uns selbst antun. Die Ausweitung von Bohrungen, Fracking, Bergbau und Abholzung und die Deregulierung der Industrie, die Trump verspricht, verursachen nicht nur Treibhausgase. Sie vernichten Lebensräume, zerstören ganze Ökosysteme, pumpen Gifte in den lebendigen Leib der Erde. Daran werden wir alle Schaden erleiden. Unsere Leben werden leiden. Unsere Kinder werden leiden. Unser Geist wird leiden.
Indem er sich den Forderungen von Robert F. Kennedy jr. anschloss, hat Donald Trump das Anliegen, «Macht Amerika wieder gesund» (MAHA) zu eigen gemacht. Ich glaube, das meint er ernst. Gesundheit ist jedoch nicht in Isolation erreichbar. Wir können alles tun, wozu Kennedy geraten hat. Wir können industriell verarbeitete Lebensmittel meiden. Wir können Impfpläne einer unabhängigen Wissenschaft unterwerfen. Wir können Interessenkonflikte aus den Gesundheitsbehörden entfernen. Wir können die Auswirkungen von Pestizidrückständen, PFAS, Mikroplastik, hormonaktiven Substanzen im Trinkwasser, elektromagnetischer Strahlung und Psychopharmaka eingehend untersuchen und Schritte zum Schutz der Bevölkerung einleiten.
Aber Gesundheit wird unerreichbar bleiben, wenn der Staat weiterhin rund um die Welt Genozide und den Ökozid fördert. So etwas tut nur eine kranke Nation – und so etwas zu tun, macht eine Nation krank.
Die Wir-gegen-die-Mentalität, die ich beschrieben habe, durchdringt die politische Kultur bis an die Basis. Eine politisch engagierte Leserin, die bis hier gelesen hat, versucht diesen Essay vielleicht unter dem Blickwinkel «Auf welcher Seite steht Eisenstein?» zu verstehen. Genau wie in der Aussenpolitik oder auf jedem anderen Gebiet unterschlägt diese Sichtweise Vielfalt und Zwischentöne. Sowohl «Trump der Held» als auch «Trump der Bösewicht» lassen eine Menge aus.
Dasselbe gilt für «Eisenstein unterstützt Trump» oder «Eisenstein ist gegen Trump». Schluss damit. Das Framing aktueller Ereignisse anhand von zwei Seiten, die gegeneinander arbeiten, können wir beiseitelegen. Wir brauchen dieses Narrativ nicht zu bedienen und unser Los bei der einen oder anderen Seite in den Topf zu werfen. Jenseits davon, jenseits seiner falschen Einfachheit und der dadurch verstärkten Wünsche oder Befürchtungen können wir offensichtliche Wahrheiten bemerken. Wir können Programmen, die diese Wahrheiten nicht zur Grundlage haben, unsere politische Unterstützung entziehen. Wir können stattdessen für Programme eintreten, die auf ihnen gründen.
Täuschen wir uns nicht. Ja, die Institutionen, die Trump zerlegt, sind völlig korrupt. Sie haben ein System aus Lügen und Heimlichkeit aufrechterhalten, das seit mindestens zwei Generationen besteht. Unter dem Mantel dieser Lügen haben sie derart abscheuliche und weitreichende Verbrechen begangen, dass schon allein deren Schockpotential sie unrealistisch und unglaubwürdig wirken lässt.
Doch denken wir daran: Wenn diejenigen, die die korrupten Institutionen mit der Wurzel ausreissen, nicht von Mitgefühl und Transparenz, Ehrlichkeit und Demut geleitet werden, wird das, was sie ersetzt, keinen Deut besser sein. Ein neuer Deep State wird den alten ersetzen. Ein Krieg gegen Korruption wird sich in einen Krieg gegen politische Gegner verwandeln. Zensur wird nicht abgeschafft, sondern nur verlagert werden. Die KI-Instrumente, die Musk & Co. zur Vernichtung korrupter Institutionen benutzen, können zu schrecklichen Kontroll-Instrumenten umfunktioniert werden. Wer von der eigenen Rechtschaffenheit überzeugt ist, wer süchtig nach Gewinnen ist, wer die Welt in Begriffen von Wir-gegen-Die einteilt, wer Würde und Wert einer jeden menschlichen Seele vergisst, wird ganz sicher die Macht missbrauchen, die er oder sie ergriffen hat.
Was werden sie tun, wenn ihre auf Täuschung beruhenden Massnahmen scheitern? Werden sie ihre Macht bereitwillig abtreten? Werden sie der anderen Seite die machtvollen Werkzeuge übergeben, die sie entwickelt haben?
Die politische Revolution von 2024 wird überhaupt keine Revolution sein, wenn sie nur einen Deep State gegen einen anderen eintauscht, eine Täuschung gegen eine andere, einen Feind gegen einen anderen (Iran statt Russland), eine Zielgruppe für Entmenschlichung gegen eine andere (Transmenschen oder Immigranten statt weisse Cis-Männer).
Die wirkliche Revolution ist eine Revolution der Liebe. Es ist eine Revolution des Friedens. Es ist eine Revolution der Heilung. Es ist eine Revolution der Vergebung. Wir alle wissen dies auf einer bestimmten Ebene, weil es offensichtlich ist. Du hörst dir eine wahre Geschichte an von einem Migranten oder einer schwarzen Mutter oder einem Weissen vom Land oder einer Monsanto-Managerin oder von irgendwem, den eine Ideologie verachtet, und die Wahrheit kommt ans Licht: Du bist mein Bruder, du bist meine Schwester, nur durch die Gnade Gottes gehe ich nicht in deinen Schuhen. Die Revolution besteht darin, dieses Verständnis in unsere Systeme zu integrieren und das Zusammenleben auf diesem Planeten nach dieser Wahrheit auszurichten. Tun wir nicht so, als wäre es anders.
Übersetzt und korrekturgelesen von Ingrid Suprayan, Vanessa Gross und Christoph Peterseil. Die englische Originalfassung dieses Essays vom 13. Februar 2025 – »Greatness” after the Bulldozer” – findest du hier.