VBR: Nicht noch mehr Einschränkungen!

Das Verbandsbeschwerderecht sollte die Durchsetzung des Umweltrechts sicherstellen. Mit der Initiative, die am 30. November zur Abstimmung kommt, würden Verbandsbeschwerden praktisch unmöglich gemacht.

Ihr wichtigstes Interesse sei die Verhinderung von grossen Bauprojekten, dies verzögere unnötig wichtige Bauvorhaben in Milliardenhöhe, sagen Grossunternehmer und rechtsbürgerliche Politiker über die beschwerdeberechtigten Schutzorganisationen und Natursportverbände.

Diese halten entgegen, eine im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco erarbeitete Studie belege, dass Hürden im Bereich Umwelt-, Natur- und Heimatschutz nebensächlich seien, Bewilligungsverfahren in der Schweiz in der Regel rasch und meist schon auf Gemeindeebene erfolgreich durchgeführt werden könnten. Der Grossteil der Einsprachen kommt laut der Studie von privaten Beschwerdeführern, die in einem privaten Interesse (Schattenwurf, Aussicht) handeln und nicht in einem öffentlichen wie die Organisationen.

Dreissig Organisationen
Zu einer Beschwerde gegen mittelgrosse und grosse Bauvorhaben berechtigt sind dreissig Non-Government-Organisationen wie Schweizer Wanderwege, Alpenclub, Heimatschutz, Birdlife, Pro Natura und Verkehrs-Club. Gesetzliche Grundlagen des seit 1966 bestehenden Rechts bilden das Umweltschutz- und das Natur- und Heimatschutzgesetz sowie kantonale Gesetze. Das eidgenössische Parlament gibt die Berechtigung an Organisationen, die im Bereich des Umweltrechts tätig sind und entzieht diese, wenn eine Organisation das Tätigkeitsfeld wechselt.

Die bestehenden Einschränkungen
SVP-Ständerat Hans Hofmann und weitere bürgerliche Parlamentarier setzten zwischen 2002 und 2006 verschiedene Einschränkungen des Verbandsbeschwerderechts durch. Neu sind Organisationen nur noch in Gebieten beschwerdeberechtigt, die sie seit zehn Jahren bearbeiten. Unterliegen sie, müssen sie Verfahrenskosten tragen. Wer nicht in einem frühen Zeitpunkt der Planung seine Einwände vorbringt, kann nicht mehr intervenieren. Und die Bauherren dürfen mit den Bauarbeiten bereits vor der Erledigung der Beschwerden beginnen.

Fiala und die Verhinderer
Im Mai 2006 reichte ein rechtsfreisinniges Zürcher Komitee die Initiative „Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit der Verhinderungspolitik – Mehr Wachstum für die Schweiz“ ein, die auch nach der FDP-Nationalrätin Doris Fiala genannt wird. Die Initiative will das VBR ausschliessen, wenn es um Bauvorhaben geht, die auf Volks- oder Parlamentsentscheiden beruhen.

Liberale gegen Initiative
2006 sprach sich der Bundesrat für das Verbandsbeschwerderecht und gegen die Fiala-Initiative aus: Das VBR sei da, um das öffentliche Interesse an der richtigen Durchsetzung des Umweltrechts sicherzustellen, hielt der Bundesrat fest. Auch etliche Freisinnige wie der Solothurner Stadtpräsident und Nationalrat Kurt Fluri zeigten sich vernünftig: Die angeblich missbräuchliche Verwendung des VBR und die Dämonisierung der beschwerdeführenden Verbände dienten vielfach dazu, wie im „Stadionfall“ in Zürich, mangelhafte Projekteingaben zu kaschieren, so Fluri. Auch 45 Staatsrechtsprofessoren unterstützen das VBR mit ihrer Erklärung von Ende August dieses Jahres.

Heimniederlage
Die FDP des Bezirks Dielsdorf, wo Doris Fiala zu Hause ist, lehnte die Initiative deutlich ab, das Zürcher Kantonsparlament in Übereinstimmung mit dem Regierungsrat ebenfalls. Letztes Jahr entschied sich der Bundesrat trotz den eindeutigen Aussagen der Seco-Studie überraschend für die Initiative, ein Jahr später – entblochert - doch wieder dagegen. Anlässlich der Lancierung der „Nein“-Kampagne trat Bundesrat Leuenberger dann persönlich in Erscheinung und stellte den Umweltorganisationen einen guten Leistungsausweis aus.

Schon im Projektstadium
„Immer mehr Bauherren von grösseren Projekten nehmen die Schutzorganisationen schon im Projektstadium mit an Bord, um allfällige Differenzen früh bereinigen zu können“, sagt Ueli Hermann, Leiter der Fachgruppe Pro Natura Seeland. Als Beispiele nennt er den Ausbau der Hochspannungs-Transportleitung Fribourg–Neuenburg und den Regionalen Waldplan oberes Seeland. Weiter benützten Pro Natura und die anderen Organisationen jeweils die Öffentliche Mitwirkung, um Anregungen zu machen, zum Beispiel bei Ortsplanungsrevisionen und Landschafts-Vernetzungsprojekten nach Öko-Qualitätsverordnung.

Konstruktive Einsprachen
„Manchmal bleibt keine andere Möglichkeit sich einzubringen als die Einsprache“, sagt Hermann, „wir suchen in den Einigungsverhandlungen nach vernünftigen Lösungen, sofern sich aus Sicht von Natur- und Landschaftsschutz Kompromisse verantworten lassen.“ Beim Projekt eines Milchviehmaststalls im Landschaftsschutzgebiet habe dank der Einsprache eine kompaktere Anordnung der Siedlung und eine Kaschierung des Neubaus mit Heckenpflanzen erreicht werden können. „Die Organisationen helfen innerhalb des gesetzlichen Rahmens Projekte in besonders empfindlichen Landschaftsräumen oder mit grossen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit zu verbessern“, drückt es Silvia Semadeni, Präsidentin von Pro Natura Schweiz, aus.


Mehr Informationen:

http://www.verbandsbeschwerde.ch

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07. Oktober 2008
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