Warum es Salecina immer noch gibt

Das Ferien- und Bildungszentrum Salecina in Maloja feiert vom 22. Bis 24. Juni sein 40-jähriges Bestehen

Salecina wurde 1972 vom Zürcher Ehepaar Theo und Amalie Pinkus gegründet mit der Idee einen Ort zu schaffen für Kurse, Seminare und Ferien in einer wundervollen Umgebung wie der Region Maloja auch ohne einen dicken Geldbeutel zu haben, da der Preis für die Übernachtung dem innovativen Modell folgt, dass für jeden der 56 Schlafplätze soviel bezahlt wird, wie es den eigenen finanziellen Möglichkeiten entspricht. Und dies gilt auch heute noch.

Selbstverwaltung seit 1972
Die Kultur- und Ferienstiftung Salecina bei Maloja hat sich von Anfang an so strukturiert, dass die Gäste sich selbst organisieren, um all jene Dinge zu tun, damit man sich im Haus wohl fühlt: Das Haus soll nicht verdrecken, also stellt man einen Putzplan auf; man will gut essen, also wird wöchentlich eine Menüplanung durch die Gäste erstellt, und ein Kochteam von jeweils bis zu fünf Personen kümmert sich um die Zubereitung in der gut ausgestatteten Küche. Abwaschteams bringen anschließend alles wieder in Ordnung. Auch andere anfallende Arbeiten werden nach dem Prinzip der Freiwilligkeit unter den Gästen verteilt, so dass jede(r) irgendetwas zum Wohle aller beiträgt. Jedem Gast in Salecina ist klar, dass er/sie irgendetwas beitragen muss. Und man tut es in der Regel gerne.
Größere Arbeiten am Haus werden nach Möglichkeit auch von Gästen ausgeführt. So wurden die aufwändigen Umbaumaßnahmen in den 70er Jahren fast alle in Eigenarbeit geleistet. Es kommt aber auch vor, dass manche Arbeiten gegen Bezahlung nach außen vergeben werden.

Aus dem Kreis der Gäste stammen auch die Ideen, die zu Seminaren, Kultur- und Sportaktivitäten führen. Manchmal findet man sich spontan zusammen und unternimmt Wanderungen, musiziert zusammen, Diskussionsrunden bilden sich oder man schaut sich im Saal einen Film an. Viele Veranstaltungen werden aber auch über ein Jahr und länger geplant. Hier stehen kulturelle und sportaktive Wochen, oft miteinander verwoben, im Vordergrund.
Die längerfristigen Planungen werden auch von den Gästen vorgenommen. Dazu bilden interessierte Gäste den Salecinarat, in dem unter anderem die zukünftigen Seminare und die Baumaßnahmen besprochen und Entscheidungen gefällt werden. Die Einnahmen werden registriert und es wird entschieden, in welche Projekte die Überschüsse, sofern vorhanden, investiert werden. Es wird seit jeher darauf geachtet, dass im Rat Frauen und Männer, Junge und Ältere, Schweizer, Italiener und Deutsche vertreten sind.
Zusätzlich zur Gäste-Ratstätigkeit arbeiten zur Zeit vier Betriebsleiterinnen mit Teilzeitanstellung im Haus, die für vieles im Hintergrund zuständig sind, das eine dauerhafte Präsenz im Kultur- und Ferienzentrum erfordert – u.a. Gästeanfragen entgegennehmen sowie die Ein- und Ausgabenführung. Auch die Betriebsleiterinnen sind Ratsmitglieder.

Das Geheimnis von Salecina oder Warum es Salecina immer noch gibt
Viele linke Projekte sind in den letzten vierzig Jahren verschwunden, selbst „linke“ Staaten sind implodiert – Salecina gibt es weiterhin, und die Idee des selbstverwalteten Kultur- und Fereinzentrums lebt weiter fort. Worin besteht diese Idee? Würde man die Gäste fragen, auch die aus dem Rat, man bekäme viele unterschiedliche Antworten. Und das ist auch schon das „Geheimnis“: Vieles, sehr vieles ist möglich in diesem wunderschönen Haus im Bergell. Eine Verengung oder Verkrampfung auf eine bestimmte gerade Linie hat nie stattgefunden. Schon der Initiator der Stiftung, der Zürcher Verleger Theo Pinkus, musste mehrere vorgeblich linke Organisationen verlassen – er war zu unangepasst, nicht linientreu genug. Und Salecina, eines seiner Kinder, ist auch unangepasst. Zwar spürt man so etwas wie eine linke, humanistisch geprägte Grundstimmung im Haus, aber die Ränder sind weit gefasst. Auch wurde Neues immer wieder integriert, sofern es nicht eng, dumpf oder nationalistisch gewebt war.

Das zweite Geheimnis: Die Gäste, das Haus, das Seminarprogramm und die einzigartige Bergwelt des Oberengadins und des Bergells lassen sich jeweils so ergänzen, dass alle Besucher ihre passende ‹Mischung› zusammenstellen können – ob auf der Basis einer Skitourenwoche, Literaturwanderwoche, einer Geschichtswerkstatt oder einfach ein paar erholsamen Tagen in der frischen Bergluft. Viele kommen immer wieder, aber auch junge Leute werden angezogen. Es gibt inzwischen Familien, die in der dritten Generation Salecina besuchen. Jährlich summiert sich dies auf 8.000 bis 10.000 Übernachtungen.
Wie sagte letztens ein italienische Besucherin: Salecina ist ein Ort des Ausruhens, des Lesens, der Musik und der Schönheit der Natur. Es ist gemütlich für Einzelne und Familien, ein Ort des Austausches und linker Tradition im offenen Sinn.
Und bezahlbar bleibt es auch, denn alle packen mit an, und denjenigen mit sehr geringem Einkommen werden Sonderkonditionen eingeräumt. Soziale Anliegen sind Teil der Salecina-Idee.
 
Das Jubiläumsfest
Vom 22. – 24. Juni wird ein Fest aus Anlass des vierzigjährigen Bestehens der Stiftung Salecina stattfinden. Um alle Gäste aufnehmen zu können, darf an dem Wochenende ausnahmsweise auch um das Haus herum gezeltet werden. Von Freitag bis Sonntag werden Workshops angeboten (kostenlos) zu Themen wie „alternative Ökonomie“, „gut leben statt viel haben“, eine Eiszeitwanderung soll stattfinden, aber auch künstlerische Ambitionen sollen umgesetzt werden. Musik wird auch gemacht, eine Lesung sowie eine Podiumsdiskussion zur Zukunft Salecinas sind vorgesehen.
Vertreter anderer selbstverwalteter Häuser/Institutionen sind eingeladen, sich zu präsentieren und in einen Erfahrungsaustausch mit unserem Haus einzutreten.
Anmeldungen für das Fest oder einen Aufenthalt zu einem anderen Zeitpunkt siehe unter www.salecina.ch. Es finden sich dort auch das genaue Festprogramm sowie die Übersicht zu den Seminaren, die in diesem Jahr noch stattfinden.


Dieter Braecker ist regelmässiger Gast und Mitglied des Salecinarats
04. Juni 2012
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