Was hat über einen Zeitraum von 10 Jahren gemessen die Scheidungsrate im US Bundesstaat Miami mit dem Margarinekonsum der dort lebenden Menschen zu tun? Es besteht eine Korrelation von über 99%.2 Dieses und andere Beispiele hat Tyler Vigen, ein ehemaliger Harvard Student mit einem Computerprogramm ermittelt. Diese und weitere 30‘000 verrückte Korrelationen. Sollte man daraus schliessen, dass die Margarine die Stabilität einer Ehe beeinflusst? Wohl kaum.
Eine von Schweizer Wissenschaftlern 2024 erstellte Studie will eine Korrelation der Todesrate in Schweizer Gemeinden 2020 mit dem Wahlverhalten der dort lebenden Bürgerinnen und Bürger anlässlich des Referendums, über das im Juni 21 abgestimmt wurde, festgestellt haben. (Area-level excess mortality in times of COVID-19 in Switzerland: geographical, socioeconomic and political determinants - PMC) Mehr Neinstimmen zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen (bezogen auf das Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrats zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie vom 25. September 2020) korreliere mit einer höheren Todesrate in den betreffenden Gemeinden. Lässt sich daraus irgendetwas schliessen?
Lässt sich z.Bsp. daraus schliessen, dass Personen, die mit «nein» gestimmt haben, 2020 (denn um dieses Jahr geht es in dieser Studie) ein riskanteres Verhalten im Umgang mit Covid-19 an den Tag gelegt haben, was dann mit einer höheren Todesrate einherging, bzw. den Tod zur Folge hatte?
Nein! Eine Korrelation ist keine Kausalität. Eine Korrelation ist ein mit statistischer mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten errechneter Zusammenhang zwischen bestimmten Erscheinungen, wobei es sich um eine vom Zufall beeinflusste Beziehung handelt, sofern nicht andere Faktoren die Korrelation im Hinblick auf eine mögliche Kausalität stützen. So soll es im Zeitraum von 10 Jahren eine Korrelation von 66% gegeben haben zwischen der Anzahl an Menschen, die in einem Pool ertrunken sind und der Anzahl an veröffentlichten Filmen, in denen der Schauspieler Nikolas Cage mitspielt. «Sind die Filme des Schauspielers somit etwa gefährlich?»3
An dieser Stelle könnte der Beitrag schmunzelnd als anekdotisch beiseitegelegt werden, gäbe es da nicht einen Grossbeitrag in verschiedenen Schweizer Medien, der sich z.Bsp. in den Schaffhauser Nachrichten vom 30. Dezember 2024 über 3 Seiten (inklusive Interview) erstreckte.
Auf S. 1 prangte folgender Titel:
Gemeinden mit höherem Nein-Anteil bei Corona-Abstimmungen hatten mehr Opfer. Eine neue Studie zeigt Zusammenhang zwischen Nein-Anteil bei Corona-Abstimmungen und Übersterblichkeit.4
Prof. Dr. med. Matthias Egger, Epidemiologe der Universität Bern und in der ersten Phase der Covid-Pandemie Präsident der wissenschaftlichen Taskforce, die den Bundesrat beraten hat, habe in einer Studie nachweisen können, dass in Gemeinden mit einem höheren Neinanteil zu den Covid-Massnahmen mehr Menschen an Covid starben. Die Schweizer Arbeit, bei der Matthias Egger Mitautor ist, wurde im European Journal of Public Health 2024 publiziert.5 Sie trägt den Titel: «Area-level excess mortality in times of COVID-19 in Switzerland: geographical, socioeconomic and political determinants.»6
Der Erstautor, der Zweitautor und der Mitautor, Prof. Dr. med. Matthias Egger entstammen der Universität Bern. Die Schaffhauser Nachrichten fragen Matthias Egger, wie es sich erklären lasse, dass ein politischer Faktor das Sterberisiko beeinflusse. Egger antwortet: «Naheliegend ist, dass jene Personen, die Nein stimmten, grundsätzlich skeptisch waren gegenüber Schutzmassnahmen und diese folglich weniger befolgten.», sagt Egger.7
Diese gewagte Feststellung von Matthias Egger wird auf S. 1 der Zeitung gleich zweimal positioniert und auf S. 3 nochmals. Fett gedruckt finden wir auf S. 1: «Die Korrelation zwischen dem Abstimmungsverhalten und der Sterblichkeit während der Pandemie ist erwiesen: Mehr Nein Stimmen geht einher mit mehr Toten.»8
Nun beinhalten die dargestellten Aussagen jeweils grundsätzlich etwas anderes. Da handelt es sich zum einen um Korrelationen, zum anderen um eine von Hrn. Egger vermutete Kausalität. Das ist starker Tobak für einen Wissenschaftler.
Irgendwo am Schluss des Textes in den Schaffhauser Nachrichten steht, dass Hr. Egger eingeräumt habe, dass es sich lediglich um eine Interpretation handele. Matthias Egger kann seine persönlichen Interpretationen als Privatperson verbreiten wie und wo er will, aber als Wissenschaftler und Behördenvertreter ist ihm das schlichtweg m.E. so nicht erlaubt. Diese starken Aussagen zwingen dazu uns die Arbeit genauer anzuschauen:
Die Autoren leiten damit ein, dass die auf die Coronaviruserkrankung bezogene Übersterblichkeit in der Schweiz gut dokumentiert sei, aber es gebe keine untersuchte Mortalität auf Gemeindelevel. Man habe nun die Übersterblichkeit 2020 für 2141 Schweizer Gemeinden untersucht. Dabei bediente man sich eines statistischen Verfahrens, der sogenannten Bayesian Raumzeitmodellierung, eingepasst in die Daten 2011 bis 2019. Die von Übersterblichkeit meist betroffenen Regionen 2020 seien das Tessin, die Romandie und die Nordostschweiz gewesen. Ländliche Gemeinden, Gemeinden innerhalb des grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes und Menschen mit geringer sozioökonomischer Position und mit geringerer Unterstützung für die Kontrollmassnahmen anlässlich der Volksabstimmung zum Covid-19 Gesetz hätten eine grössere Übersterblichkeiten gezeigt. Bestimmte vulnerable Gemeinden würden spezielle Bemühungen erfordern um die Einflüsse der Pandemie zu mildern.
Zunächst einmal: Welche Volksabstimmung ist hier gemeint? Wir hatten derer drei. Aus dem Gesamtkontext der Studie geht dann hervor, dass die Volksabstimmung vom 13. Juni 2021 Referendum gegen das Covid-19 Gesetz vom 25. September 2020 gemeint war. Untersucht wurde also nicht wie in der Einleitung beschrieben «das Votum zum Covid-19 Act», sondern die Sterberate der Gemeinden 2020 wurde im Hinblick auf das Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie vom 25. September 2020 untersucht, gegen das das Referendum ergriffen und über das am 13. Juni 2021 abgestimmt wurde.
Die Fussnote 9 der Studie (verlinkt)9, die die Autoren in ihrem Artikel als Quelle für das Covid-19 Gesetz vom 25. September 2020 angeben, um dem Leser des Beitrags zu ermöglichen, zu erkennen, über was überhaupt abgestimmt wurde, ist falsch. Sie bezieht sich auf eine viel spätere, viel umfassendere Version des Gesetzes (eine Version vom Jahre 2024), über die das Volk am 13. Juni 2021 nicht abgestimmt hat. Das ist Irreführung!
Was wird unter Übersterblichkeit verstanden?
Die Autoren schrieben, es habe 74‘776 Tote in der Schweiz im Alter von über 40 Jahren (die unter 40-Jährigen waren von der Studie ausgeschlossen) im 2020 gegeben, verglichen mit zu erwartenden 55‘676 Toten. Dies impliziere ein relatives Ansteigen der Übersterblichkeit von 34%.
Von einer Übersterblichkeit sprechen wir im Allgemeinen, wenn in einem bestimmten Zeitraum deutlich mehr Menschen versterben als üblich. Die Übersterblichkeit wird mit der durchschnittlichen Todesrate erfasst, dies bedeutet mit der Anzahl Verstorbener auf 1000 Einwohner in einem bestimmten Zeitraum; z.Bsp. in einem Jahr, verglichen mit der Anzahl Verstorbener pro 1000 Einwohner in den Jahren davor.
In der vorliegenden Arbeit war offenbar die Gesamtzahl der Todesfälle der Massstab und nicht die Sterblichkeit auf 1000 Einwohner. Das macht einen grossen Unterschied, betrug doch die Bevölkerungszahl im Jahre 2010 7.825 Millionen und im Jahre 2020 8.638 Millionen, also über 10% mehr. Da ist es naheliegend, dass es auch eine grössere Anzahl von Gesamttodesfällen gibt. Die Gesamtzahl der Todesfälle ist so wenig aussagekräftig. Deshalb bevorzugt man die Sterblichkeit auf 1000 Einwohner.
Was die Sterblichkeitsrate in der Schweiz betrifft, also Tode auf 1000 Einwohner, zeigte sich zwischen dem Jahr 2019 und 2020 ein Plus von 0.9%o. (7.9/8.8%o) Im Jahre 2021 betrug die Sterblichkeit 8.2 auf 1000 Einwohner. Das gleiche Level wie 2015.
Dass die Untersuchungen in der Studie auf Gemeindeebene ergeben haben sollen, dass die Sterblichkeit, was immer hier unter Übersterblichkeit verstanden wird, in grenznahen Gebieten der italienischsprachigen Schweiz, der französischsprachigen Schweiz und der deutschsprachigen Schweiz höher war, verglichen selbst mit Städten wie Zürich und Bern und abgelegenen Regionen im Graubünden, möchte ich einmal dahingestellt lassen.
Der Fokus meiner Arbeit liegt auf der allfällig festgestellten Korrelation zwischen dem Wahlverhalten der Schweizer Bevölkerung anlässlich des Referendums im Juni 2021 und der «Sterblichkeit» 2020 in Schweizer Gemeinden. Zunächst einmal stellt sich die Frage: Warum wird das Wahlverhalten im Juni 21 mit der Sterblichkeit 2020 verglichen? Warum wird das Wahlverhalten im Juni 21 nicht mit der Sterblichkeit 2021 verglichen? Es sei hier die Frage erlaubt, ob hier eine Voreingenommenheit eine Rolle gespielt hat, hatten sich doch die Sterberaten 2021 bereits wieder auf «Normalität» eingependelt.
Was geschah eigentlich im Jahre 2020?
Im Jahr 2020 kam es am 25. Februar zum ersten bestätigten Fall von Covid-19. Bis zum 28. Februar 2020, also 2 Monate lang, hatte sich im Jahr 2020 gar nichts bezüglich Massnahmen getan. Am 28. Februar 2020 hat der Bundesrat bis zum 15. März alle Grossanlässe mit mehr als 1000 Personen in der Schweiz verboten.10
Also: in den ersten zwei Monaten 2020 konnte die Bevölkerung weder eine Skepsis noch eine Befürwortung für die Massnahmen entwickeln, weil es keine gab. Am 14. März schloss der Kanton Tessin als erster Kanton alle Restaurants. Am 16. März beschloss der Bundesrat die Anwendung von Notstandgesetzen (Notrecht) und versetzte das Land in den Ausnahmezustand. Schulen und Ausbildungsstätten wurden vorerst bis 4. April geschlossen. Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen wurden verboten. In Bars, Restaurants, Diskotheken durften sich maximal 50 Personen aufhalten. Am 17. März wurden bis auf Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Drogerien die Geschäfte geschlossen. Zwei Tage später wird der öffentliche Nahverkehr schrittweise ausgedünnt. Bis dato wurden also Massnahmen ergriffen, denen sich der einzelne Bürger, ob er die Massnahmen des Bundesrates befürwortete oder nicht, nicht entziehen konnte.
Die Behörden rieten dem Bürger bis zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich davon ab, Gesichtsmasken zu tragen. Wie sich später herausstellte, spielte hier eine Rolle, dass keine entsprechenden Masken zur Verfügung standen. Auch Desinfektionsmittel und Schutzmaterial waren Mangelware. Als Gesichtsmasken schliesslich im Laufe des späten Aprils (1/3 des Jahres war vorbei) auf den Markt kamen, gab es darunter zahlreiche unzureichend wirkende Materialien, die nicht den Zertifikatsansprüchen von Swissmedic genügten. Da waren z.Bsp. die sogenannten «Stoffmasken», Mikrobenschleudern, die verbreitet wurden und erlaubt waren, von deren Tragen Swissmedic jedoch ausdrücklich abriet. Sozialhilfeempfänger erhielten z.Bsp. von der Caritas Gratis-Gesichtsmasken chinesischen Fabrikats (ich bekam entsprechendes Material zugestellt), die explizit gekennzeichnet waren, dass diese Masken nicht geeignet seien, um vor Bakterien oder Viren zu schützen oder die Verbreitung der Mikroben an Dritte durch diese Masken zu reduzieren.
Was geschah in dieser Zeit mit der sogenannt «besonders gefährdeten Gruppe»? Ältere Menschen über 65 wurden zur Selbstisolation aufgerufen. Als Solidarität wurde bezeichnet, wenn man diesen mit Lebensmitteln gefüllte Einkaufstaschen vor die Türe stellte und auf den Sozialkontakt verzichtete.
Eine Empfehlung des BAG vom 2. April 2020 richtete sich speziell an Institutionen wie Alters- und Pflegeheime, sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Es heisst dort: «Besuche von Familie, Freunden und Bekannten in Institutionen wie Alters- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sind verboten. Dieses Besuchsverbot gilt nicht für Angehörige, die eine sterbende Person besuchen. Die Einrichtungen können in Ausnahmefällen Angehörigen erlauben Personen zu besuchen, die sich in einer besonders schwierigen oder belastenden Situation befinden. Bei solchen Besuchen müssen die Hygiene- und Verhaltensregeln strikt eingehalten werden. Es ist Bewohnern verboten, Besuche ausserhalb der Einrichtung vorzunehmen oder einen Ausflug zu unternehmen. In besonderen Fällen können die Einrichtungen Ausnahmen von diesem Verbot vorsehen; vorausgesetzt der Bewohner, die Bewohnerin ist in der Lage, sich strikt an die Hygiene- und Verhaltensregeln zu halten (inklusive keine Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Abstand von zwei Metern zu anderen Personen).11
Zwar wurden die Empfehlungen vom 2. April 4 Wochen später am 29. April etwas gelockert, «aber für Alters- und Pflegeheime blieb das BAG bei seinem restriktiven Kurs.»12 … «Aufgrund dieser Verordnungen und Empfehlungen haben die Kantone durchweg mit Besuchs- und Ausgangsverboten für Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen reagiert.»13 … «Abgesehen von Menschen in Spitälern und vergleichbaren Einrichtungen wurde keine Gruppe stärker geschützt als jene, aber auch keine war härteren und längeren Restriktionen ausgesetzt.»14
Ältere, besonders kranke und pflegebedürftige Menschen wurden also des grössten Kapitals, welches wir Menschen haben und welches unser Überleben sichert, der sozialen Beziehungen zum Teil fast vollständig beraubt. Es gibt kaum einen so gut belegten Zusammenhang wie der zwischen sozialer Isolation und Sterberisiko.
Es gibt seit Jahren fundierte Hinweise darauf, dass ein Mangel an sozialer Integration das Risiko vorzeitiger Sterblichkeit, insbesondere aus kardiovaskulären Gründen signifikant erhöht. - Das Ausmass dieses Risikos übersteigt das vieler klassischer Risikofaktoren, so das Fazit einer Metaanalyse mit mehr als 300‘000 Patientinnen und Patienten.15
Es wäre also z.Bsp. die Frage zu stellen, inwieweit gerade Gemeinden, die besonders eifrig waren in der Befolgung von sozialer Isolation von Alten, älteren und kranken Menschen, Gemeinden also, die die Regeln besonders gut befolgt haben, eine höhere Sterblichkeit zu verzeichnen hatten. Eine solche Frage, für die ich hiermit natürlich keine Beweisführung beanspruche, haben sich die Autoren des Artikels noch nicht mal im Entferntesten gestellt.
Widmen wir uns weiter der Chronologie des Jahres 2020: Am 16. April 2020 kündigte der Bundesrat die schrittweise Aufhebung von Lockdown-Massnahmen an.16 Am 11. Mai durften neben obligatorischen Schulen auch Läden, Cafes, Restaurants, Fitnesscenter, Bibliotheken und Museen mit Schutzvorkehrungen wieder öffnen. Der vorübergehend heruntergefahrene öffentliche Verkehr wurde weitgehend wieder normalisiert.
Ende Mai verbreitete Bundesrat Berset: «Wir können Corona.» Kundgebungen bis zu 30 Personen wurden wieder erlaubt; im Juni durften auch Kinos, Zoos und Theater etc. den Betrieb wieder aufnehmen. Die Obergrenze für Veranstaltungen wurde auf 300 angesetzt. Am 22. Juni wurden weitere Lockerungen eingeführt.
Am 1. Juli 2020, also nach der ersten Hälfte des Jahres, führt der Bund die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr ein. Zu den Masken habe ich mich bereits weiter oben geäussert. Am 1. Oktober 2020 wurden Grossanlässe mit über 1000 Personen wieder erlaubt.
Ab 7./8. Oktober stellte man fest, dass die Ansteckungszahlen wieder steigen würden auf über 1000 pro Tag. Die Maskenpflicht wurde am 19. Oktober 2020, also nachdem schon etwas 5/6 des Jahres vorbei waren, auf geschlossene öffentliche Innenräume, einschliesslich Bahnsteige ausgeweitet. Ende Oktober wurden wegen steigender Fallzahlen die Massnahmen wieder hochgefahren.
Am 23. Dezember 2020 wird eine neue Ära eingeläutet. Die erste Person in der Schweiz (eine 90jährige Frau) wird mit einem neuen, wenig erprobten «Impfstoff» geimpft. Die in der Schweiz üblichen bis dahin hohen Zulassungsbedingungen für neu eingeführte «Impfstoffe» und Medikamente waren in diesem Fall gelockert worden.
Die Massnahmen, die 2020 vom Bund verhängt wurden bzw. nicht verhängt wurden, unterscheiden sich ganz grundsätzlich von dem, was im Jahre 2021 eingeführt wurde. Im Jahr 2021 entwickelten sich massive Aufrufe bis zu Druckversuchen, «sich impfen zu lassen». Im Juni 21 wurde die Einführung des G2 (geimpft oder genesen) und G3 (geimpft, genesen oder getestet) Zertifikats diskutiert, und Ende Juni wurde das EU kompatible Covidzertifikat eingeführt und sollte einen fälschungssicheren und international anerkannten Nachweis einer «Covid-Impfung», einer durchgemachten Erkrankung oder eines negativen Testergebnisses ermöglichen. Die Massnahmen des Jahres 2021 waren aber nicht Gegenstand der Abstimmung vom Juni 21, die die Grundlage der Studie von Riou et al. waren.
Die Abstimmung vom 13. Juni 2021 bezog sich wie bereits gesagt auf das «Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie vom 25. September 2020», gegen das das Referendum ergriffen wurde. Dieses Gesetz umfasste die Möglichkeit der Verlängerung von Notrechtsmassnahmen, gegebenenfalls Lockerungen der Bestimmungen bei der Zulassung von Medizinalprodukten, Massnahmen des Arbeitnehmerschutzes (z.Bsp. Lohnfortzahlung etc.), allfällige Notwendigkeit von Einschränkungen der Einreise von Ausländerinnnen und Ausländern, allfällig notwendige Massnahmen der Grenzschliessung, allfällig notwendige justizielle und verfahrensrechtliche Massnahmen wie Stillstand, Erstreckung oder Wiederherstellung gesetzlicher oder behördlicher Fristen und Termine; allfällig notwendige Massnahmen im Bereich von Versammlungen, von Gesellschaften (vom Obligationenrecht abweichende Bestimmung über die Ausübung z.Bsp. der Rechte auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form), insolvenzrechtliche Massnahmen, Unterstützung für Kulturunternehmen, Kulturschaffende, Kulturvereine etc. Härtefallmassnahmen für Unternehmen und Massnahmen im Sportbereich (finanzielle Unterstützung) sowie Massnahmen im Medienbereich (finanzielle Unterstützung) Massnahmen zur Entschädigung des Erwerbsausfalls, Massnahmen im Bereich der beruflichen Vorsorge, Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Es galt das fakultative Referendum. (AS 2020 3835 - Bundesgesetz über die gesetzliche... | Fedlex)
Die Vertreter, die das Referendum ergriffen hatten, zeigten sich vor allen Dingen besorgt darüber, ob die Notrechtsmassnahmen bzw. deren Verlängerung den verfassungsrechtlichen Grundlagen entsprechen. Sie forderten vor einer allfälligen Fortsetzung von Notrechtsmassnahmen die Evaluation der Zweckmässigkeit vorangegangenern Massnahmen wie Lockdown, sozialer Isolation von alten und kranken Menschen sowie Schulschliessungen etc.. Zudem zeigten sie sich besorgt über die im Bundesgesetz enthaltene Klausel, dass die hohen in der Schweiz üblichen Anforderungen für die Zulassung von Medizinalprodukten unter gewissen Umständen gesenkt werden sollten.
Nicht Gegenstand der Abstimmung vom 13. Juni 2021 waren die medizinischen gesellschaftlichen und politischen Folgen im Kontext der Einführung der neuen mRNA-Impfung im Jahre 2021. Überhaupt spielten konkret G2/G3 und die «Impfung» im Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen zur Bewältigung der Covid-19 Epidemie vom 25. Sept. 2020 in der gesellschaftlichen Diskussion von September 2020 bis Ende des Jahres 2020 keine Rolle. Wir können ausschliessen, dass es im Jahr 2020 in gewissen Gemeinden zu einer erhöhten Sterblichkeit gekommen ist, die im Kontext von umfassenden Massnahmen des Jahres 2021, die ich jetzt nicht detaillierter aufgeführt habe, vorgenommen worden waren. Denn es können nicht Menschen in Gemeinden 2020 sterben im Zusammenhang von Massnahmen, die erst 2021 eingeführt wurden.
Wer war von der in der Studie von Riou et al. beschriebenen «Übersterblichkeit» in den Gemeinden betroffen? Die Studie hat einen Anhang von 30 Seiten. Dort finden wir auf S. 6.
«As expected the relative excess mortality varies a lot across age and sex groups. It’s very small in females aged 40-59 and 60-69 (in fact the data is compatible with no excess in both cases.) It increases in females aged 70-79 and even more so aged 80+. It’s comperatively higher in males below 80 but somewhat surprisely lower in males in age group 80+. This still corresponds to basic sanity checks with the data.» (Wie erwartet, variiert die relative Übersterblichkeit breit zwischen Alter und Geschlechtern. Die relative «Übersterblichkeit» bei Frauen zwischen 40 und 59 und 60 bis 68 ist sehr klein. In der Tat sind die Daten kompatibel mit keiner «Übersterblichkeit» in beiden Fällen. Das Anwachsen bei Frauen fand im Alter zwischen 70 und 79 statt, und noch stärker bei denen über 80+. Das ist vergleichbar höher bei Männern unter 80 aber in irgendeiner Weise überraschend niedriger bei Männern der Altersgruppe über 80+. Das korrespondiert noch mit den basic sanity checks mit den Daten.)
Fassen wir es zusammen. Die sogenannte «Übersterblichkeit» zeigte sich gesamthaft diskret ab 70, stärker ab 80 bei Frauen. Bei den Männern war es vergleichbar, dort zeigte sich die sogenannte «Übersterblichkeit» gesamthaft bei Männern jedoch weniger bei denen über 80.
Wenn wir nun die behördlichen Massnahmen, die ich weiter vorne beschrieben habe, im Jahre 2020 genau anschauen, wo genau sollen die über 70-Jährigen sich grösseren Gefahren in Gemeinden ausgesetzt haben oder ausgesetzt gewesen sein? (ausser wenn es um die Frage der sozialen Isolation geht, bei denen die Pensionäre in Alters- und Pflegeheimen keinen Spielraum hatten).
Die meisten beschriebenen Massnahmen, die sowieso erst wenige Monate nach Beginn des Jahres 2020 einsetzten, Schliessung von Bars, Diskotheken, Restaurants, Veranstaltungen über 1000 Personen, betrafen die über 70-Jährigen wohl nur zu einem äusserst geringen Teil. Hinzu kommt eine Vorsicht bei der Beurteilung von sogenannten «Übersterblichkeiten» bei älteren Menschen. Von «Multimorbidität» betroffene Menschen können sterben und davon kann durch Zufall bedingt in einem Jahr diese, im andern Jahr jene Gemeinde mehr betroffen sein. Interessant wäre auch zu erfahren, ob die Gemeinden, bei denen man angeblich eine höhere Übersterblichkeit in Korrelation mit dem Wahlverhalten festgestellt hat, in ihren Bevölkerungen mehr über 70Jährige gehabt haben als vergleichbare Gemeinden. Und nochmal: Was hat das Verhalten von Menschen im Jahre 2020 und ein erst Ende September 2020 beschlossenes Gesetz mit dem Wahlverhalten Mitte des Jahres 2021, wo sich inzwischen andere Bedingungen im Hinblick auf den Umgang mit Covid-19 ergeben hatten, zu tun?
Bisweilen ergibt sich in der Studie von Riou et al. der Eindruck, dass mit der Faktengrundlage sehr grosszügig umgegangen wurde. So steht auf S. 21 des Anhangs unter dem Abschnitt «Referendum on Covid-19 Measures»: «We now focus on results from two referendums about Covid-19, control measures held in June and November 2020. The point here ist not to look as casualty one way or the other as we look at overall access for 2020 and the voting took place at two separated points.» (Deutsche Übersetzung: Wir fokussieren uns nun auf die Resultate von zwei Referenden über Covid-19 Kontrollmassnahmen, die im Juni und November 2020 abgehalten wurden. Der Punkt hier ist nicht eine Kausalität herzustellen in der einen oder andern Weise, sondern wir schauen auf die Gesamtübersterblichkeit 2020 und die Wahl fand statt an zwei unterschiedlichen Punkten.»)
Ups!
Zwei Referenden im Juni und November 2020? Das wäre zwar im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand nachvollziehbar, nur hat keine solche Wahl im Jahr 2020 stattgefunden. Aus dem Kontext geht hervor, dass den Autoren hier offensichtlich Fehler unterlaufen sind, die der Korrektur unbemerkt blieben. Hoffen wir, dass dies in den weniger verständlichen Passagen des Anhangs nicht der Fall war und die weiteren Ergebnisse nicht noch mehr beeinträchtigt hat. Aus dem weiteren Kontext geht hervor, dass für die relevanten Modifizierungen nur die Referendumsabstimmung vom Juni verwendet wurde (u.a. S. 25 des Anhangs).
Abschliessend schreiben die Autoren Riou et al.: «Due to the small number of death in the least populated municipalities, our study’s power will have been limitied, particulary for the multivariable analyses. In conclusion, public helath interventions targeted at vulnerable municipalities, including testing and vaccination campaigns, could mitigate the impact in these areas in future pandemics.» («Im Hinblick auf die kleine Anzahl von Todesfällen in den sehr kleinen Gemeinden ist unsere Studienaussagekraft limitiert, besonders für die Multivarianzanalyse. Zusammenfassend sollten die Public Health Interventionen auf die vulnerablen Gemeinden zielen, einschliesslich Testen und Vakzinationskampagnen und das könnte die Auswirkungen in diesen Bereichen, bei zukünftigen Pandemien vermindern.»)
Oha! Die Wirkung der Vakzination war nicht Gegenstand dieser Studie. Es gab noch keine Vakzine im Jahre 2020. Diese Schlussfolgerungen erfolgt «out of the blue». (aus heiterem Himmel).
In der Schaffhauser Nachrichten finden wir noch eine erweiterte Erklärung, die Matthias Egger abgibt im Zusammenhang mit der festgestellten Korrelation. «Naheliegend ist, dass jene Personen, die Nein stimmten, grundsätzlich skeptisch waren gegenüber Schutzmassnahmen und diese folglich weniger befolgten, sagt Egger. Das Phänomen zeige sich vorab in ländlichen Gemeinden. Anders als in Städten und Agglomerationen, wo viele Menschen einen Bürojob haben, hätten sich Berufsleute auf dem Land oft nicht ins schützende Homeoffice zurückziehen können. «Wer Postchauffeur ist oder im Service arbeitet oder auf der Baustelle, war exponierter und erlebte auch viele der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmassnahmen unmittelbarer; möglicherweise führte dies zu einer stärkeren Ablehnung.»17
Dies ist eine reine Spekulation. Vielleicht hat Prof. Egger vergessen, dass im Jahre 2020 viele Serviceangestellte sowohl auf dem Land wie in der Stadt, ebenso wie viele Busfahrer im Kontext des Lockdowns gar nicht arbeiten durften. Gibt es auf dem Land relativ mehr Busfahrer und Serviceangestellte als in der Stadt und somit mehr Menschen, die die Massnahmen, was auch immer gemeint war, nicht befolgten? Bauarbeiter arbeiten überwiegend im Freien. Diese arbeitstätigen Gruppen waren zudem nachweislich nicht von einer Übersterblichkeit betroffen und die Studie befasst sich nur mit verstorbenen Personen über 40 Jahre. Hinzu kommt, dass die Zweckmässigkeit von Homeoffice in Bezug auf das Risiko an Covid zu erkranken oder zu sterben nicht erwiesen ist. Allfällige erste Forschungsdaten zu dem Thema sprechen dafür, dass Homeoffice nicht zu einer Reduktion von Coviderkrankungen oder Todesfällen beigetragen hat.18
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die Hintergründe einer allfälligen Korrelation zwischen «Wahlverhalten» und «Sterberate» angesichts dieser Studie vollkommen im Dunkeln liegen. Diese mit Furore präsentierte Studie sagt gar nichts Relevantes aus. Die Interpretation, die sich Prof. M. Egger gegenüber den Medien geleistet hat, ist entweder als meines Erachtens unlauterer Ausdruck seiner persönlichen Meinung zu interpretieren oder, was viel schlimmer wäre, als Ausdruck einer «Propaganda», die weit entfernt ist von einer redlichen Aufarbeitung dessen, was sich in der Zeit der Coronaepidemie in der Schweiz abgespielt hat.
Das, was sich abgespielt hat, war in weiten Teilen von Seiten der Behörden meiner Meinung nach eher eine Gehorsamsübung für die Bevölkerung als eine Bewältigung mit Übersicht. Die heftigen Auseinandersetzungen 2021 im Kontext um «Impfung» und «Zertifikatspflicht» haben gezeigt, wie leicht auch eine gestandene Demokratie in der Schweiz zu sprengen wäre. (Warum wir über die Covid-Zeit sprechen sollten — Wyler van Laak) Der Beitrag der Schaffhauser Nachrichten vom 30.12.24 präsentiert die Rolle, die die Medien dabei spielten par excellence.
Meine persönliche Auffassung ist, dass die Schweiz ihr direktdemokratrisches System vor dem Schlimmsten bewahrt hat und der Mut und die Ausdauer einer grossen, nicht zu übersehenden Minderheit von bis zu 40% der Wählenden, die auf der Grundlage des Grundsatzes, dass in der Schweiz Minderheiten nicht ignoriert, sondern in die politische Meinungsbildung mit einbezogen werden, dafür gesorgt hat, dass unsere Demokratie dieser Herausforderung, wenngleich sie meines Erachtens beschädigt wurde, dennoch standgehalten hat. Wissenschaftler, die während der vergangenen Jahre zum Teil einen fragwürdigen Kurs gefahren sind, der sich u.a. weil Google nie vergisst, unschwer rekonstruieren lässt, sollten sich ihrer Verantwortung, die sie gegenüber der Bevölkerung haben, bewusst sein und sich nie in Meinungsmache und Propaganda, auch nicht für Ruhm, Ehre und Geld einspannen lassen. In der Vergangenheit hat dies immer wieder verheerende Folgen gehabt.19
Vielleicht sollten einige Wissenschaftler auch in niedrigeren Räumen arbeiten. Denn es wurde eine Korrelation festgestellt: Je höher der Raum desto schlechter die Leistung!20
Quellen:
1 MyINVEST. Oktober 26/22.
2 Ebenda.
3 Ebenda.
4 Schaffhauser Nachrichten Montag, 30. Dezember 2024; S. 1.
5 Riou Julien et al.; Area-level excess mortality in times of COVID-19 in Switzerland: geographical, socioeconomic and political determinants. European Journal of Public Health, Vol. 34, No. 2, S. 415-417, 2024.
6 Ebenda.
7 Schaffhauser Nachrichten; Montag 30. Dezember 2021; S. 1 und S. 3.
8 Ebenda S. 1.
9 Riou Julien et al.; Area-level excess mortality in times of COVID-19 in Switzerland: geographical, socioeconomic and political determinants. European Journal of Public Health, Vol. 34, No. 2, S. 417, 2024.
10 «Zwei Jahre Coronavirus in der Schweiz-ein Rückblick»/Chronik/htr.ch.
11 Harm-Peter Zimmermann. (Hg.) Alters- und Pflegeheime in der Pandemie, Leben mit Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen; Werkstücke Band 12, Universität Zürich, Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaften-Populäre Kulturen 2022; S. 6.
12 Ebenda S. 7.
13 Ebenda S. 7.
14 Ebenda S. 8.
15 Allaz Anne-Françoise; «Einsamkeit: Der unerkannte Killer»; Schweizerische Ärztezeitung 2021: 102 (3): 108.
16 «Zwei Jahre Coronavirus in der Schweiz-ein Rückblick»/Chronik/htr.ch.
17 Schaffhauser Nachrichten 30. Dezember 2024. S. 3.
18 Emmerich Franziska et al.; Impact of Home-Based Work during the COVID-19 Pandemic on Mental and Physical Helath in a German Population-Based Sample; Healthcare (Basel) 2024 Apr. 5;12(7): 789. C09:10.3390/healthcare12070789.
19 Catja Wyler van Laak; «Die Arzt-Patient-Beziehung in Zeiten gesellschaftlicher Herausforderungen. Was zählt?» Paramon 2020.
20 Zeit-Magazin, «Freiraum: Worin besteht genau der Reiz hoher Zimmerdecken?» 16.1.25 Wo. 3; S. 15.