Westliche Illusionen von Demokratie, Freiheit, Wohlstand

1989 war das Jahr, in dem die DDR den Geist und der Kapitalismus seine sozialliberale Tendenz aufgab. Vielleicht werden wir uns 20 Jahre später der sozialen und demokratischen Tugenden der gemeuchelten Republik bewusst.



----------------------------------------
Wer nicht PROSPERIERT wird AUSRANGIERT
Hingeschaut 1


So und so
Nachdem sich die durch Hausbesetzungen und antimilitaristische Solidaritätskampagnen bekannt gewordene Mundartrockband Anfang der Neunziger Jahre von ihrem lästig gewordenen Politimage befreit und sich dem hedonistischen Fussballfieber verschrieben hatte, war ihr ein komfortables Überleben auch im neuen Jahrhundert sicher.
Ob sich der inzwischen fünfzigjährige Bandleader und Poet L. wirklich so wohl fühlt in stickigen Sälen, brechend voll mit kreischenden, hungrigen, Cüpli leerenden jungen Frauen?


Solidarität
Strukturbereinigung ist geil für jene Kleinen und Grossen, die unter allen Regimes obenauf schwimmen. Arbeitsplätze werden verknappt, Ausbildungen wichtiger und schwieriger zu erreichen. Vieles wird teurer, Verdienstmöglichkeiten rarer. Der verschärfte Wettbewerb diskriminiert zunehmend. Wer nicht prosperiert, bleibt auf der Strecke und kann die immer höher ausfallenden Rechnungen der diversen legalen Mafiaorganisationen nicht mehr bezahlen.
Die Mehrheit schmettert ihnen entgegen: Wer keine Arbeit findet, ist selber schuld, will nur nicht. Solidarität haben sie sich abgewöhnt, die bürgerliche Konsum- und Wettbewerbspropaganda hat breitflächig gewirkt. Dabei merken sie nicht, dass sie selber Teil des Problems sind.


Surrogate zuhauf (Citoyens, -ennes!)
Abzocker suggerieren das Mittelstandsparadies: mit chemischen und virtuellen Paradiesen, billigen Konsumgütern und Lebensmitteln, mit tiefen Steuern, die in Wirklichkeit Steuerprivilegien sind. Und belohnen das Stimm- und Arbeitsvieh mit steigenden Mieten, Versicherungsprämien und Gebühren, mit ausfallenden Sozialbeiträgen, sinkenden Löhnen und vorenthaltenen Bürgerrechten.
Big Brother überwacht mit allen technischen Mitteln. Arme Einwanderer aus Dritte-Welt-Staaten, störende Politaktivisten, übermütige Fussballfans, Kleinkriminelle und Mariginalisierte werden mit demokratischen Gesetzen zunehmend unter Generalverdacht gestellt, diskriminiert und neutralisiert.
Maggie ist entzückt, Ronnie grinst.



----------------------------------------
VERSCHÄRFTES Patriarchat im KAPITALISMUS
Hingeschaut 2


Sozialistischer Staat und Partizipation
Das Parlament der Deutschen Demokratischen Republik funktionierte nicht wie die Volksvertretungen bürgerlicher Demokratien. Weitere Partizipation für die Staatsbürger gab es über die einflussreichen Arbeiter- und Bürgerkomitees, Schieds- und Konfliktkommissionen und Gewerkschaften.
Die grosse Anzahl fest angestellter und informativer Mitarbeiter der Staatssicherheit wurde ebenfalls zu einer Volksvertretung, die 1989 mithalf, die konsumhungrig gewordene sozialistische Republik der Gier des Kapitalismus zu überlassen.


Sex in der DDR
Die bigotte Sexualmoral der Kirchen hatte im atheistischen Staat wenig Einfluss auf die Gesellschaft. Während im Kapitalismus versteckt teure, normierte Pornographie konsumiert und damit eine mächtige Branche unterstützt wird, drehten die Männer und Frauen in Ostdeutschland ihre eigenen Pornos im Filmklub des volkseigenen Betriebs. Auf Campingplätzen und an Stränden wurde Freikörperkultur gepflegt. Die Frauen nahmen eine aktive und führende Rolle ein in der Entwicklung einer selbstbestimmten Sexualität.
Für viele junge Frauen im Kapitalismus ist es eine moralische und finanzielle Katastrophe, mit einem Kind und einem abwesenden Mann dazustehen, für die Frauen in der DDR war’s das nicht. Der Ausbildungs- oder Arbeitsplatz war nicht gefährdet, genügend Kindergeld wurde ausbezahlt, Betreuungsstrukturen standen zur Verfügung.


Sozialismus und Patriarchat
Der bürgerliche Kapitalismus hatte entgegen einem populären Vorurteil eine Verstärkung der patriarchalen Herrschaft gebracht, der seit den 90-ern zunehmend verschärfte Wettbewerb verstärkte sie noch einmal.
Sozialismus und Sozialliberalismus gestalteten das Patriarchat für wenige Jahrzehnte etwas sozialer, „weiblicher“, fürsorglicher, in Osteuropa mehr als in Westeuropa.
Beide Systeme arbeiteten aber nicht für wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter, nicht für die Ausbalancierung der Interessen aller Lebewesen fern von Gewalt, Manipulation und Bevormundung und nicht für die konsequente Förderung eines profunden Bewusstseins der Citoyens und Citoyennes.

------------------------------------


TV-Langspielfilm „Wir sind das Volk“ zu 20 Jahren Ende der DDR

Mehr KlartextLyrikprosa
09. März 2009
von: