In Zürich ist man nicht so zimperlich beim Abbruch von Häusern wie beim Nagelhaus in China

An der Pressekonferenz des Pro Komitees für den Bau des Nagelhauses am Escherwyssplatz meinte Gian von Plantavon den Grünliberalen, die Zürcher Stadtplaner seien vor dreissig Jahren ebenso rücksichtlos umgegangen wie jene heute in China, als sie in Zürich mit der Hardbrücke eine Autobahn mitten durch ein Wohnquartier gelegt hätten. Damals waren es aber oft die Politiker die diese Autobahnen durch Städte bauen liessen. Die Stadtplaner wurden oft kaum gefragt. Der Architekt und Stadtplaner Hans Marti kritisierte schon 1961 das Ypsilon, das Vorhaben Autobahnen quer durch die Stadt Zürich zu bauen. (siehe Anhang) Als der Stadtplaner Hans Marti sich gegen den Bau von Parkhäusern in der Zürcher City stellte, wurde seine Meinung ganz einfach ignoriert, obwohl er damals in Zürich offiziell Delegierter für die Stadtplanung war.

 
Rücksichtslos wird heute in Zürich nach wie vor beim Abbruch von gut erhaltenen Wohnungen vorgegangen. Das erlebtenund erleben in Zürich sehr viele Mieter, von privaten, städtischen und genossenschaftlichen Wohnungen. Wenn sie sich wehren, haben sie, dank schwachem Widerstand, meist keine Chance gegen den Filz von Business und Politik. Aber anders als im kommunistischen China ist man hier nicht so zimperlich beim Abbruch von Wohnhäusern. Hier würde es nie vorkommen, dass ein Haus, wie das Nagelhaus in China, am Rande einer Baugrube stehen bleiben würde. 1971 wurden die Häuser an der Venedigstrasse bei Bahnhof Enge abgerissen. Im Morgengrauen marschierten Trupps von Polizisten auf und beendeten die Besetzung. Ironie der Geschichte: Das Bürohaus, mit brauner Blechfassade, das dann nachher in der Enge gebaut wurde, wird jetzt schon wieder abgerissen.

 
In Zürich zelebriert man den Widerstand gegen den Abbruch eines Hauses in China. Derweil gehen die unsinnigen Häuserabbrüche hier still weiter. In Schwamendingen und in Seebach verschwinden nach und nach die kinderfreundlichen Gartenstadtsiedlungen die der Architekt und Städteplaner A. H. Steiner nach dem Zweiten Weltkrieg konzipierte. Der New Brutalismus Stil macht sich breit, eine familien- und kinderfeindliche Art des Bauens, mit Kies- und Asphaltplätzen und wenig grün. Verdichtete Bauweise, kasernenartig.

 
Die Siedlungsgenossenschaft Sunnige Hof wird ihre Siedlung Mattenhof in Schwamendingen auch abreissen und durch Neubauten ersetzen. Die 138 Häuser wurden 1946 gebaut und sollen eine schlechte Bausubstanz aufweisen. - Als Baufachmann teile ich diese Einschätzung punkto schlechter Bausubstanz nicht. - Diese Häuser wurden nämlich schon einmal gründlich renoviert und wurden immer sehr gut unterhalten. Eine Frau dort in Stettbach, in einem dieser Reiheneinfamlienhäuser die bald einmal abgerissen werden, sagte mir, als sie gerade am Wäsche aufhängen war, es sei sehr schade dass diese Häuser abgebrochen werden.

 
An der Altwiesen- Heerenschürlistrasse, ganz in der Nähe des Mattenhofes, werden auch viele Wohnungen abgerissen, die kaum vierzig Jahre alt sind. 28 Wohnhäuser mit total 200 Wohnungen Häuser werden dort ab Herbst 2010 wegrasiert. Besitzerin der Liegenschaft ist die Freienberg AG Zürich, eine Gesellschaft des UBS Immobilienfonds. Werden die vielen Mieter dort eine neue Wohnung in Zürich finden, der Verkäufer beim Coop der brutto 4‘000 verdient, der Schreiner, der 3‘845 Fr. verdient, der Koch, der Bäcker, der Hilfsarbeiter, die Verkäuferin die noch weniger verdienen? Die AHV-Rentnerin mit Zusatzrente?

30. August 2010
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