20 Jahre Frontex – Nichts zu Danken!

In der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober wurden in Zürich, Basel, Bern und Luzern über 1000 Werbeposter aufgehängt, auf welchen Frontex der Schweiz dankt für «20 Jahre treues Schweigen, neutrales Zuschauen und grosszügiges Finanzieren».

Plakataktion in Zürich

Die Plakate wurden im Rahmen einer politischen Aktion an Plakatwänden angebracht oder in Trams und Bussen ausgetauscht, um anlässlich des 20-jährigen Bestehens der europäischen Grenzagentur einmal mehr die Kritik daran in den öffentlichen Raum zu tragen.

Wer heute Morgen in Trams und Bussen zur Arbeit fuhr oder an grossen Werbetafeln vorbeikam und die üblichen Werbeplakate betrachtete, hat sich wohl irritiert die müden Augen gerieben. Anstatt Werbung für eine neue Zahnbürste hing da etwas anderes. Die europäische Grenzagentur bedankte sich mit einem Geburtstagskarten-Wettbewerb und action-geladenen Bildern für die Unterstützung der Schweiz in den letzten zwei Jahrzehnten. Hinter der Aktion steckt ein Aktionskollektiv von Menschen die sich unter dem Motto «Frontex - 20 Jahre zu viel» zusammengefunden haben.

 

20 Jahre treues Schweigen und neutrales Wegschauen

«Mit der heutigen Aktion soll die Rolle der Schweiz bei ihrer Beteiligung an den menschrechtswidrigen Praktiken von Frontex ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Die Irritation will sichtbar machen, dass die offizielle Schweiz mitverantwortlich ist für Frontex und somit auch für deren Taten» beschreibt Ada Deniz, Pressesprecherin des Aktionskollektivs die Aktion.

Im Abstimmungskampf zum NoFrontex Referendum im Mai 2022 wurde von den BefürworterInnen immer wieder betont, die einzige Möglichkeit für die Einhaltung von Menschenrechten bei Frontex zu sorgen, sei sich weiterhin an der Organisation zu beteiligen. Die seither anhaltenden Menschrechtsverletzungen, wie beispielsweise die mehrfach dokumentierte andauernde Zusammenarbeit mit der lybischen Küstenwache, welche bekannt dafür ist, Flüchtende zurück in Folterlager zu bringen, oder die Untätigkeit von Frontex beim Schiffsunglück von Pylos setzen dem die Realität entgegen.

 

20 Jahre grosszügiges Finanzieren

Die Schweiz unterstützt die Frontex als Schengen-Mitglied seit 2009 finanziell und personell. Jedes Jahr überweist sie 61 Millionen an die grösste Agentur der EU. Aktuell verfügt Frontex über ein Budget von 5,6 Milliarden Euro sowie eine wachsende Truppe von bald 10 000 GrenzpolizistInnen.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, plant jedoch bereits den nächsten Ausbau, welcher die Truppe verdreifachen würde. Dies hätte möglicherweise auch einen erneuten Anstieg der Schweizer Beteiligung zur Folge. «Dazu darf es nicht kommen. Anstatt für dringend nötige sichere Fluchtwege zu sorgen, fördert Frontex einen regelrechten Krieg gegen Migration.» kommentiert Ada Deniz.

25. Oktober 2024
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Kommentare

Teil des traurigen Spiels?

von renekueng
In einem wohlinformierten Organ wie dem ZEITPUNKT würde es sich gut anstehen, wenn zu einer originellen Aktion - durchaus mit Blick auf einen humaneren Umgang der Menschheit untereinander - ein Kommentar zu und auch an die treuen Wegschauer angefügt würde. Zuvorderst müsste der Blick auf die Kräfte und Mächte gerichtet werden, die strategisch gezielt ganze Länder, jetzt Weltregionen, in Brand stecken. Keine 'sicheren' Wege für Waffenlieferungen, freier Blick auf die Destabilisierer und Gierigen aller Art bis hin auf die 'Verschwörungstheorien', dass Flüchtlingsströme auch gezielt dazu gebraucht werden, bisher funktionierende (?) Gesellschaften zu destabilisieren bzw runter zu fahren. Alles Dinge, die informierte Menschen in unserer verdorbenen Welt mit in Betracht ziehen sollten, damit die Ursachen, die Wurzeln der furchtbaren Flüchtlingsströme angegangen werden könnten. In diesem Sinne: wenn der ZEITPUNKT gutmeinenden Organisationen den Raum und das Forum öffnet, um ihre wichtigen Anliegen zu thematisieren, dann könnte der ZEITPUNKT auch verlangen, dass diese Menschen den Zeitpunkt lesen. Um sich kritisch damit auseinander zu setzen, wo ihre Arbeit als Feigenblatt geduldet und missbraucht wird: für eine heuchlerische koloniale, hegemoniale, unseren anspruchsvolle Lebensart mit etwas Humanismus von Wenigen gegenüber dem ignoranten Schweigen der ignorant mit Profitierenden zu dekorieren.  

Vielen Dank für diesen Kommentar

von christoph

Es stimmt, wir hätten sowohl die Frontex als auch die Aktion in eine übergeordnete Perspektive stellen müssen. Aber weil wir das im allgemeinen Fall personell nicht schaffen, sind wir froh, wenn unsere Leser die Lücken füllen. Ganz schliessen müssen solche Wahrnehmungslücken schliesslich wir alle individuell. Solche Kommentare schätzen wir sehr. 
Christoph Pfluger, Herausgeber