70 Jahre Schulzwang in Deutschland: Frei lernt es sich besser

Als am 6. Juli 1938 die nationalsozialistische Führung das Reichsschulpflichtgesetz unterzeichnete, konnte sie nicht ahnen, dass seine wesentlichen Bestandteile auch 70 Jahre danach noch ihre Gültigkeit haben würden. Mit dem Untergang des vermeintlich «tausendjährigen Reiches» verschwanden zwar die meisten Gesetze und Verordnungen aus jener Zeit, der europaweit einmalige deutsche Schulzwang, der es dem Staat ermöglicht,  Schüler mit Hilfe der Polizei und notfalls unter Einsatz von Gewalt der Schule zuzuführen, blieb unverändert.

Der 6. Juli 1938 ist eine historische Zäsur, waren doch bis zu diesem Tag auch schulfreie, alternative Bildungswege möglich und wurden, wenn auch in bescheidenem Masse, praktiziert. Obwohl 1717 in Preussen die Schulpflicht eingeführt wurde, konnte man in der Reichsverfassung vom 28.3.1849 noch lesen: «Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung». Die bestehende Schulpflicht wurde bis 1938 immer im Sinne einer Unterrichtspflicht verstanden und liess Ausnahmen zu. Die meisten demokratisch verfassten Staaten der Welt kennen daher bis heute keinen Schulzwang, sondern praktizieren eine Bildungspflicht, die Raum für eine Vielzahl von Alternativen bietet, wie Kinder heute lernen.

Freilerner werden bestraft – oder wandern aus
Der im Kern gewalttätige Schulzwang hat in Deutschland solch abstruse Blüten getrieben, dass 2007 die 15-jährige Tochter einer vorbildlichen Erlanger Familie zwangsweise mit einem Grossaufgebot an Polizei und Jugendamt in die Psychiatrie verbracht wurde. Ihr Vergehen: Sie wurde zu Hause individuell unterrichtet und gefördert, statt weiter die öffentliche Schule zu besuchen, wo ihr das Lernen zunehmend Schwierigkeiten bereitete.
Die Akademikerfamilie Dudek aus dem hessischen Archfeld wird ihre Vorliebe für freie Bildungsformen in Kürze mit Gefängnis bezahlen müssen. Der älteste Sohn lernte zwar zu Hause so gut, dass er jetzt seinen Realschulabschluss als Klassenbester mit der Note 1,1 absolvierte, der Geist des Reichsschulpflichtgesetzes forderte jedoch seinen Tribut in Form von je 3 Monaten Haft für Vater und Mutter.
Andere Freilernerfamilien verlassen Deutschland und ihr gewohntes Umfeld, erfreuen sich aber nun der wiedergewonnen Freiheit in unseren europäischen Nachbarstaaten.

Zwang verschlechtert das Lernklima
Dass eine Atmosphäre des Zwangs und Drucks kein nachhaltiges, erfolgreiches Lernen fördert, ist in der Fachwelt mittlerweile unumstritten. Dass deutsche Bildungspolitiker unter allen Umständen auf der Präsenz in einem Schulgebäude bestehen, obwohl Lernen an anderen Orten und anderen Umständen häufig mindestens genauso gut, wenn nicht besser gelingt, ist weder nachvollziehbar noch zeitgemäss.
Es ist an der Zeit, eindeutige Vorgaben des UN-Sonderbeauftragten Vernor Munoz umzusetzen, der bei seinem Besuch in Deutschland gefordert hatte, dass «Bildung nicht auf reine Schulanwesenheit reduziert werden darf». Vielmehr seien  «Fernlehrmethoden und Homeschooling .... gültige Optionen..., die unter bestimmten Umständen weiterentwickelt werden können.»

Das Netzwerk Bildungsfreiheit fordert den deutschen Schulzwang nach 70 Jahren endgültig zu beerdigen und die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass vielfältige schulische und schulfreie Bildungswege möglich werden, die zueinander in Konkurrenz treten und sich gegenseitig bereichern. Bundeskanzlerin Merkels Motto «Mehr Freiheit wagen» sollte endlich auch für den Bildungsbereich gelten.

Quelle: Netzwerk Bildungsfreiheit e.V. Nürnberg


Das "Netzwerk Bildungsfreiheit" ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Organisationen, Elterninitiativen und Einzelpersonen, denen das Recht auf freien Zugang zur Bildung, freie Wahl und freie Gestaltung des individuellen persönlichen Bildungsweges unter Zuhilfenahme öffentlicher wie privat initiierter Ressourcen ein Anliegen ist.
www.netzwerk-bildungsfreiheit.de

Freie Schulwahl in der Schweiz:
www.elternlobby.ch

05. Juli 2008
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