Alpin bis urban

Ländler interessieren Tritonus nicht, sondern Lieder und Melodien vor 1800. Seit dreissig Jahren sind sie Experten für alte Volksmusik auf alten Instrumenten, scheuen aber auch nicht zeitgenössische Töne.

Eisig kalt ist es draussen, wohlig warm im getäferten Saal. 23. Februar 2008 im «Rössli» zu Mogelsberg. Kein freier Platz an den Holztischen, kaum Platz für die Musiker auf der Bühne, dafür reichlich Raum für die Musik. Sie klingt seltsam vertraut und doch ganz anders als sonst rund um den Alpstein, wo Streichmusik und Naturjodel dominieren. Als «aufgemischte Alpentöne» hat sie eine Zeitung beschrieben, als «Archäologie fürs Ohr» eine andere.

Tritonus meinen es ernst mit ihrer Musik und mit ihren Zuhörern, die nicht zur Oberkrainer-Fraktion gehören. Nutzen Zwischentöne statt Verstärker. Stöbern in Archiven. Arrangieren Hirtenrufe, Kühreihen und Lieder für originale Instrumente: Schalmei und Drehleiher, Rebec und Geige, diatonisches Hackbrett und Hümmelchen, Kontrabass und Violone, Rahmentrommel und Schellenstock. Und nehmen seit einigen Jahren auch Jazzmusiker hinzu wie den Geiger Tobias Preisig oder den Bläser Andreas Ambühl.
Aus der Urzelle um den Schaffhauser Beat Wolf und den Ausserrhoder Urs Klauser entstand 1985 vorerst das Trio Tritonus Diabolus, das mit Alpine Jazz Herd an Jazzfestivals auftrat. Eine lebhafte Bandgeschichte folgte, sie lässt sich auf der Website nachlesen. Spiritus rector und einziges verbliebenes Gründungsmitglied ist Urs Klauser. Dank ihm hat die historische Aufführungspraxis den Weg von der klassischen in die Volksmusik gefunden. 1991 entstand mit der ersten CD «Alte Volksmusik in der Schweiz» ein Standardwerk.
Tritonus entziehen sich der Hektik, lassen sich Zeit für Neues, auch weil fast alle Musiker auch in anderen Projekten und Formationen unterwegs sind. Fünfzehn Jahre dauerte es bis zur CD «Alpan», mit der der historisch-wissenschaftliche Weg verlassen wurde. Der Geiger Tobias Preisig und der Saxofonist Reto Suhner schlugen jazzige Töne an, Andreas Cincera brachte Violone und Kontrabass ins Spiel – und Tritonus vereinte «Herkunft und Zukunft der Volksmusik», wie Urs Klauser sagt.
Nochmals neun Jahre später, 2015, schlossen Tritonus mit «urbanus» ihre Trilogie ab und wurden auch inhaltlich urbaner: Während «Alpan» sich vor allem der Appenzeller Musik widmete, stammen die neuen, weitgehend unbekannten Stücke und Lieder aus Schweizer Städten.

Kühl ist es auf dem Berg, irgendwo in den Alpen. Plötzlich blickt meine Mitwanderin Felicia zum gegenüberliegenden Hang hinüber und singt. Singt einen Kühreihen und der Berg ruft zurück. Über Felicia Kraft, eine gute alte Freundin, kenne ich Tritonus. Die Sängerin aus Winterthur war Mitte der Achtziger Jahre mit ihren zwei Schwestern als «Šarena Duga» und Liedern aus dem Balkan unterwegs, als sie Urs Klauser und Beat Wolf bei einem Auftritt begegnete. 1991 schloss sie sich Tritonus an.
Sie bat mich, bei den Proben zu «Alpan» zu fotografieren, später zu «urbanus». Ich genoss meine Rolle als stummer Zuschauer, konzentrierte mich auf Auge, nicht Ohr. Musste nicht mit den Musikern mitleiden, wenn es ums Probieren und Feilen ging, um Finessen dieses Arrangements oder Uneinigkeit über jene Passage. Draussen, für die Ensembleaufnahmen, war ich dann Arrangeur.
Und ich war wieder dabei, als es ernst galt bei den Aufnahmen in den Hardstudios. Staunte, wie klar Klangmeister Moritz Wetter kleinste Nuancen zwischen den Einspielungen eines Stückes heraushörte. Und lachte mit den Musikern in den kleinen Pausen.     

www.tritonus.ch

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