Arbeit für Erwerbslose: Abfall zu Abfall

Ausgrenzung und Arbeitszwang: Der zwingende Einsatz von überflüssigen Menschen auf dem Arbeitsmarkt wird zum „Workfare“. Viele sehen darin eine Pflicht der Sozialhilfe-EmpfängerInnen zur Gegenleistung für die empfangene Unterstützung.

Seit Ende 2007 arbeitet eine Erwerbslosen-Equipe auf dem Areal einer Recyclingfirma in der Gemeinde Köniz bei Bern. Die Beschäftigten zerlegen im Auftrag des Vereins „Fractio“ Computer, Fernseher oder Videorecorder in Handarbeit; die Rohstoffe werden sodann verkauft. Diese SchrottarbeiterInnen sind in „geschützten Arbeitsplätzen als für nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbare Erwerbslose“ tätig, wie die Gemeinde in einer Medienmitteilung festhält. Die AbfallverwerterInnen werden vom Sozialdienst unterstützt und vermittelt. Dem Recycling-Unternehmen gewährt die Gemeinde eine finanzielle Starthilfe.

Abschätzung mit System
Der Zürcher Soziologe Kurt Wyss schreibt in seiner Studie „Workfare“* zum Thema Abschätzung: „Pointiert formuliert lässt man die als Abfall der Gesellschaft stigmatisierten Menschen den Abfall der Gesellschaft möglichst billig entsorgen. Natürlich sind solche Arbeiten nötig, aber genau für diese müssten korrekte Anstellungsbedingungen, und zwar in jeder Hinsicht korrekte Arbeitsbedingungen geschaffen werden.“ Wyss weist auf eine gängige Sozialhilfepraxis hin: „Es handelt sich zumeist um Arbeiten innerhalb der Gemeinde, für die es kein richtiges Budget gibt respektive, für die man infolge von Steuerreduktionen und des Abbaus öffentlicher Dienste kein richtiges Budget mehr vorsehen will.“ Work not Welfare (aus dem Englischen), Arbeit statt Sozialhilfe, das ist die Devise von Workfare. Ein berufliches Recycling der Menschen mit Weiterbildung liegt nicht drin.

Disziplinierung als Signal an alle
Die Studie „Workfare“ erwähnt weitere Beispiele solcher Abfallbewirtschaftungen. Nebst dem Schrott-Recycling zählen das Entfernen von Graffitis, das Säubern von öffentlichen Parkanlagen, das Unkrautjäten im Garten, das Beseitigen von Unterholz in Wäldern, das Wegputzen von Blut nach Suiziden oder das Herstellen von billigen Särgen für die Armen zu solchen Tätigkeiten. Diese entwürdigende Sozialhilfepraxis enthält nebst der verdeckten Disqualifizierung der Arbeitenden auch eine explizite Warnung an die übrigen Berufstätigen in regulären Arbeitsverhältnissen, sich ja dem ausbeuterischen Druck der Arbeitgeberschaft zu unterwerfen, ansonsten die Eingliederung in die Workfare-Kaste erfolgt. Die Sozialhilfepraxis wird so zur abschreckenden Drohkulisse für ein menschenunwürdiges Dasein in der modernen Arbeitswelt.

Druck auf die Schwächsten
Die Workfare-Ideologie setzt Druck auf die Schwächsten der Gesellschaft voraus, um diese aus ihrer Armut herauszuführen; das bedeutet Integration durch Arbeitszwang. Das Forschungsprogramm NFP51 des Schweizerischen Nationalfonds stellt fest, dass Integrationsmassnahmen durch Bestrafung der Benachteiligten erst recht zum Ausschluss beitragen, und: „Die aktuelle, auf Anreize setzende, aber auch – durch Bussen und Leistungkürzungen bzw. Leistungseinstellungen – sanktionierende Sozialhilfe tut gut daran, sich dieser Problematik bewusst(er) zu werden und sich mit ihr auseinanderzusetzen.“

* Kurt Wyss, Workfare – Sozialstaatliche Repression im Dienst des globalisierten Kapitalismus, edition8, Zürich, 2007, ISBN 978-3-85990-125-4.

Links:
https://www.vorwaerts-ba.de/wbh_artikel.php?klick=584&ea=4&id_art=61696&VK=15.20
http://www.woz.ch/artikel/inhalt/2007/nr51/Schweiz/15791.html
31. März 2008
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