Arbeitslosenversicherung statt Sozialhilfe

Ein nächster Abbauschritt bedroht die Arbeitslosenversicherung (ALV) in der Schweiz. Mehr Einnahmen, mehr Solidarität und die Anwendung des Verursacherprinzips sind gefragt.

Der Bundesrat beabsichtigt, noch in der laufenden Hochkonjunktur mit dem Abbau der rund 5 Mrd. Franken Schulden in der Arbeitslosenversicherung (ALV) zu beginnen. Das Finanzloch ist seit 2003 durch einen zu grossen Abbauschritt entstanden, als die durchschnittliche Zahl der Erwerbslosen zu tief bemessen und jegliche Solidarleistungen von Gutverdienenden wegfielen. Die neue Abbauvorlage möchte eine Opfersymmetrie herstellen und gleichzeitig minimal erhöhte Lohnbeiträge und eine kleine Solidaritätsabgabe wieder einführen, was der Arbeitgeberschaft kaum weh tut. Sie kappt aber wichtige Leistungen zum Entsetzen der ArbeitnehmerInnen.

Prekär Arbeitende benachteiligt
Um 400 Taggelder von der Arbeitslosenversicherung zu beziehen, bräuchte es neu 400 Tage Beitragsdauer anstatt 260 wie bisher. „Die Verschlechterung betrifft in erster Linie Frauen, Niedrigqualifizierte, Personen in prekären Arbeitsverhältnissen und Junge“, schreibt Susanne Blank von der Gewerkschaft Travail.Suisse. Und: „Seit Jahren besteht eine anhaltende Tendenz zu immer mehr Flexibilisierung. Befristete Anstellungen, Temporärarbeit, Arbeit auf Abruf etc. erhöhen für die Arbeitnehmenden das Risiko, arbeitslos zu werden. Die Arbeitslosenversicherung sollte eigentlich genau vor diesen Risiken schützen.“ Betroffen von den Abbauplänen sind aber auch ältere ArbeitnehmerInnen und die bisher Beitragsbefreiten.

Abbaulasten zuhanden Sozialhilfe
Die Sozialpolitik der Schweiz scheint für Öffentlichkeit und Medien allein Sache des eidgenössischen Zentralstaates und seiner Sozialversicherungen zu sein. Gemeinden kommen nur defensiv in der Sozialhilfe-Missbrauchsdebatte vor, nicht jedoch als Akteurinnen in der Sozialpolitik. Zur geplanten Änderungen in der ALV hält die Konferenz der kantonalen SozialdirektorInnen (SODK) fest: „Die Anpassung der Bezugsdauer an die Länge der Beitragszeit ist eine klare Leistungseinschränkung mit einem Spareffekt für die ALV, aber ohne Angaben, wie diese Einschränkung aufgefangen werden soll denn über die Sozialhilfe.“ Auch die SODK weist ausdrücklich darauf hin, dass temporär und prekär Arbeitende benachteiligt werden: „Es ist wenig konsequent, auf der einen Seite die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse zuzulassen, resp. zu fördern, auf der anderen Seite aber genau die davon betroffenen Personen in der Versicherung zu bestrafen.“

Mehreinnahmen gesucht
Die Lohnbeiträge für die ALV könnten laut Schweizerischem Gewerkschaftsbund (SGB) auf 2.3% festgesetzt werden, und zwar auf Einkommen bis zu 315'000 Franken (vorher 126'000 Franken). Mit diesem Finanzierungskonzept würden jährlich rund 600 Mio. Franken eingenommen, Leistungskürzungen aufgefangen und Schulden saniert. Die Konferenz der Erwerbslosen und Ausgesteuerten der Mediengewerkschaft comedia verlangt eine Finanzierung der ALV wie bei der Altersversicherung AHV oder bei der Invalidenversicherung IV, ohne jegliche Plafonierung der Beiträge auf dem gesamten Lohn bis ganz oben, aber mit einer Begrenzung des versicherten Verdienstes. Der Verein zur Förderung neuer Arbeitsformen FleXibles (www.flexibles.ch) fordert sogar, dass börsenkotierte Unternehmen, welche zur Erzielung eines Gewinnes Personal entlassen, entsprechend dem Gewinn aus dem Stellenabbau zusätzlich an die ALV bezahlen müssen.

Quelle:
Mediendienst Hälfte
Verein für soziale Gerechtigkeit
CH 3097 Liebefeld-Bern
Tel. + 41 (0) 31 972 82 23
www.haelfte.ch
24. November 2008
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