«Bitte: Besteuert uns!»

Millionäre im Ausland fordern während der Coronakrise noch vehementer höhere Steuern – für sich selber. Während in der Schweiz ein Millionär in die Staatskasse greift.

Etwa in den Euro-Ländern Holland und Deutschland wollen Reiche mehr Steuern zahlen.

Verkehrte Welt: In der Schweiz will ein Milliardär, Ex-Bundesrat Christoph Blocher, die Bundeskasse um 2,7 Millionen mitten in der jetzigen Krise erleichtern. In den USA, Deutschland, Grossbritannien, Holland, Kanada und Neuseeland dagegen wollen Millionäre mehr Steuern zahlen: «Bitte: Besteuert uns! Besteuert uns! Besteuert uns!», heisst es im offenen Brief, den sie an die G-20-Finanzminister und Notenbankchefs adressiert haben.

Unter den Initiantinnen und Initianten, die sich «Millionaires for Humanity» nennen sind die Disney-Erbin Abigail Disney, der Mitgründer des Glacé-Imperiums Ben & Jerry’s, Jerry Greenfield, oder der ehemalige Black Rock-Manager Morris Pearl. Die drei gehören auch zu den «Patriotischen Millionären», die für das WEF in Davos bereits einen gleich lautenden Appell verfasst hatten.

«Wir haben Geld, das jetzt und künftig verzweifelt benötigt wird, um die Welt aus dieser Krise zu führen.»

In der Covid-19-Krise wird ihr Ruf noch dringender: «Nein, wir pflegen keine Kranken in den Intensivstationen. Wir fahren keine Ambulanzen, um Kranke in die Spitäler zu bringen. Wir füllen nicht Regale in Lebensmittelläden auf oder liefern die Einkäufe zu den Haustüren. Aber wir haben Geld, viel davon. Geld, das jetzt und künftig verzweifelt benötigt wird, um die Welt aus dieser Krise zu führen», schreiben sie. Es gebe deshalb nur eines, was sie tun könnten: «Wir fordern unsere Regierung auf, die Steuern für Menschen wie wir zu erhöhen. Sofort. Substantiell. Dauerhaft.»

Für europäische und vor allem schweizerische Ohren mag das pathetisch klingen. Auch sind die Steuersysteme in allen Ländern unterschiedlich ausgestaltet. Das Engagement der Reichen muss man deshalb vor dem Hintergrund sehen, dass in den USA und anderen Ländern viele Aufgaben, die bei uns der Staat übernimmt, von reichen Philanthropen bezahlt werden. Wer reich ist, steht in der Pflicht, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. Millionäre und Milliardäre finanzieren Spitäler, Lehrstühle, Museen, soziale Einrichtungen. Meist prangt dann als Dank der Name des Spenders am Gebäude. Jetzt betonen die Millionärinnen und Millionäre aber, dass dies der falsche Ansatz sei: «Philanthropie ist ein ungeeigneter Ersatz für staatliche Investitionen. Steuern sind der beste und der richtige Weg.» Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner wollen aber nicht nur höhere Steuern bezahlen, sie wollen auch, dass Menschen mit tiefen Einkommen weniger Steuern abliefern müssen, dass Minimallöhne eingeführt werden und dass politische Macht nicht vom Geldbeutel abhängt.

Bereits der legendäre US-Investor Warren Buffet hatte vor mehr als zehn Jahren höhere Steuern für Reiche gefordert. Es könne nicht sein, dass er weniger Steuern bezahlen müsse als Menschen des Mittelstandes. Der damalige US-Präsident Barack Obama nahm 2011 die «Buffet-Regel» in seine Steuerreform auf, die eine mindestens 30-prozentige Abgabe für Einkommen über eine Million US-Dollar vorsah. Er scheiterte damit aber im Kongress.

In der Schweiz fordert die SP ebenfalls eine Erhöhung des Steuertarifs bei der direkten Bundessteuer für Vermögen ab 300’000 Franken um zehn Prozent. Heute beträgt der Maximaltarif 11,5 Prozent. Dies als Solidaritätsabgabe, um die Corona-Krise zu meistern. Parteipräsident Christian Levrat zeigte sich überzeugt, dass sich dafür eine Mehrheit finden lasse. Laut neusten Daten bezahlen heute fünf Prozent (Einkommen über 150’000 Franken) zwei Drittel der gesamten Bundessteuern der Privatpersonen. Rund die Hälfte der Steuerpflichtigen müssen keine Bundessteuer bezahlen. Die Progression bei der Direkten Bundessteuer ist gewollt, will man doch tiefe Einkommen entlasten. Steuersenkungen auf Kantons- und Gemeindeebene sind weniger ausgleichend, obwohl auch dort verschiedene Tarife je nach Einkommen gelten.

Bei der Bundessteuer stammt die Hälfte der Einnahmen von Privatpersonen, die andere Hälfte von Unternehmen. Die SP fordert in diesem Bereich eine zusätzliche Abgabe in der Höhe von fünf Prozent von den Unternehmen zur Bewältigung der Corona-Krise.