Bonus, mit Garantie

«Erschüttert» war Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, als sie nach dem 68 Milliarden-Deal zur Rettung der UBS vernahm, dass die marode Bank auch in Zukunft zweistellige Boni bezahlen würde. An diese Boni hätte sie, und mit ihr der Gesamtbundesrat, ein paar Tage früher denken müssen, als die Verträge mit der UBS ausgehandelt wurden. Jetzt wird es schwierig werden, die geradezu obszöne Bereicherung des UBS-Managements rückgängig zu machen. Es fehlen die juristischen Hebel, auf die privatrechtlichen Verträge zwischen der UBS und ihren Angestellten einzuwirken. Der Vorgang zeigt, mit welcher Unverfrorenheit das Rechtsempfinden des Volkes behandelt wird, wenn es um die Interessen der Akteure im globalen Finanzcasino geht. Und es verheisst nichts Gutes für das, was noch kommen könnte. Es scheint, als ob die Quacksalber, die uns die Finanzmisere beschert haben, gleich auch noch die Medizin brauen und noch einmal daran verdienen möchten.
Was hätten Nationalbank und Bundesrat tun können? Sie hätten das Paket um sieben Milliarden reduzieren und von der UBS zum Beispiel verlangen sollen, die für dieses Jahr vorgesehenen Boni in derselben Höhe als Beitrag der Verursacher des Desasters beizusteuern. Und, wenn wir schon dabei sind, die Rückerstattung der im Januar ausbezahlten zwölf Milliarden verlangen können. Aber es musste offenbar alles sehr schnell gehen.

Damit sind wir beim Tempo der Rettungsaktion angelangt. Eine «vorausschauende Massnahme» sei das Paket gewesen, sagte der UBS -CEO Marcel Rohner in der TV-Diskussionssendung Arena. Warum denn diese Eile, dass Nationalbank und UBS mit ihrem Heer von Juristen nicht einmal genügend Zeit hatten, eine Gesellschaft nach schweizerischem Recht zu gründen, sondern auf die Cayman Islands ausweichen mussten? Und warum hat kein etabliertes Medium der Schweiz die Frage nach der Logik hinter diesem Tempo gestellt? Darauf kann es nur eine Antwort geben: Die Eile war nötig! Das Desaster wäre über die UBS hereingebrochen. Vorausgeschaut hat die UBS schon, aber nur ein paar Tage, bis zu den nächsten Zahlungsverpflichtungen.
Vorausgeschaut wird bei den Banken und Regierungen in diesen Tagen und Wochen eh nicht. Angela Merkel hat es an jenem denkwürdigen Sonntag, den 5. Oktober nicht gemacht, als sie vor die Kameras trat und betont unaufgeregt verkündete, die Sparguthaben der Bundesbürger würden von der Regierung garantiert und, wie um sich selber zu versichern, nachschob: «Und ich sage, diese Erklärung gilt!» Dass sie die Sparguthaben nicht würde garantieren können, war schon an jenem Sonntag klar. Jetzt, wo das 470-Milliarden-Euro-Paket verabschiedet ist, kann man es auch nachrechnen. Die Bundesregierung muss das Geld, das sie ja nicht hat, auf dem Kapitalmarkt mittels Anleihen beschaffen. Die Anleger werden also ihre Aktien verkaufen, dadurch die Schieflage der Börse verschärfen und scheinbar sicherere Bundesanleihen kaufen. Doch wie will der hochverschuldete Staat die Anleihen je zurückzahlen? Vereinfacht ausgedrückt, gibt sich der Steuerzahler von heute einen Kredit, den der Steuerzahler der Zukunft zurückbezahlen muss, wozu er aller Voraussicht nach nie in der Lage sein wird. Dieses Geld ist so wertlos, dass man es nur als Falschgeld bezeichnen kann.
Damit das Spiel mit diesem Falschgeld noch ein Weilchen weitergehen kann, braucht es jetzt erstens staatliches Spielgeld und die gewissenlosen Menschen, die das Spiel weitertreiben. Da reicht ein normaler Lohn nicht aus. Wer seine Seele verkauft, braucht einen anständigen Bonus. Sonst macht er diesen Drecksjob garantiert nicht. Manche Leser haben sich über meine negative Grundhaltung beklagt. Darum zum Schluss noch etwas Versöhnliches: Das Leben geht weiter und beschert uns dank Finanzkrise ganz neue Herausforderungen. Ich bin sicher, dass wir dadurch  näher zusammenrücken und eine Solidarität erfahren, die im courant normal der letzten Jahrzehnte gar nicht möglich gewesen wäre.
23. Oktober 2008
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