In den digitalisierten Schlaraffenländern fühlt sich etwa ein Drittel der Menschen einsam.

In dieser Folge unserer Serie «Was denkst du über die Krise? Wie bereitest du dich vor?» kommen drei Stimmen zu Wort, die auf den sozialen Aspekt eingehen: Es geht um Kontakt, Austausch und Miteinander. Am Ende gibt es eine ganz konkrete Frage.

Wir brauchen einander! Foto: Andrea Piacquadio

Gute NachbarschaftKrise

Im September 21 bin ich in eine Wohnung in einem 6-Haushalte-Mietblock gezogen. Schon im Vorfeld klärte mich eine Nachbarin, die ich bereits flüchtig kannte, auf: «Wir werden dich dann bei einem Essen in deiner Wohnung offiziell begrüssen. Das Essen bringen wir mit. Du brauchst nur den Tisch zu richten.» und: «Drei Nachbarinnen singen während der Corona-Zeit abends auf den eigenen Balkonen oder im Treppenhaus mit Abstand miteinander.»
Ein gemeinsamer Haus-Chat ist schon oft äusserst hilfreich gewesen. Kürzliche Beispiele: Waschküche ist schon frei, Waschmaschine defekt, darum Hausbesitzerin informiert, wer kann die Türe öffnen, wenn der Monteur kommt? Ich freute mich und es entsteht immer mehr Gemeinsames, bis man eben die Wohnungstüre wieder schliessen will.
Elsbeth Asper

Gemeinschaftsbildung braucht logistische Unterstützung.

Gemeinschaftsbildung ist Alltagskultur

In Ländern wie der Schweiz leben viele Menschen im Überfluss und nennen es Wohlstand. Ich nenne es wohlstandsverwahrlost. Das ist auch eine Gesellschaft ohne Gemeinschaft. Insbesondere in den digitalisierten Schlaraffenländern fühlt sich etwa ein Drittel der Menschen einsam. Menschen sind nicht geschaffen, um nur allein zu sein. Sie möchten sich leibhaftig austauschen, einander zuhören, sich verstehen, sehen und wahrnehmen. Sich und ihre Welt gemeinsam weiterentwickeln. Und das geht nun mal nur mit anderen zusammen.
Allein sind heute nicht nur betagte Menschen: auch viele jüngere und Menschen, welche ihren Job, den Partner, ihre Familie oder Freunde verloren haben. Bedingt beispielsweise durch die Covid-Situation, werden viele immer mehr dem Alleinsein überlassen.
Wie wir miteinander umgehen, ist Alltagskultur. Wie wir einander respektieren. Wie wir uns sozial verhalten. Wie wir einander unterstützen und helfen. Wie wir uns um unsere Mitmenschen und um unsere Welt kümmern. Alltagskultur ist, wie wir von Politik und Verwaltung dazu ermuntert und dabei unterstützt werden, dies vor Ort in unserem Alltag und in unseren Lebensräumen gemeinsam zu tun. Gemeinschaft ist, wenn wir es als eine Selbstverständlichkeit leben, dass unsere öffentlichen Räume der Bevölkerung als naheliegende und vertraute Begegnungsorte dienen: miteinander & füreinander. Es gibt dafür viele Möglichkeiten. So wie bereits «Allschwil bewegt» im Wegmattenpark, eine «Plauderbank» im Lindenpark oder eine «Bücherkabine» im Tulpenpark. Und neu vielleicht beispielsweise «Generationen verbindende Spielräume» oder «Raumpatenschaften im Quartier»?
Solches und noch viel mehr geht in unserer hybriden Gesellschaft aber nicht von selber. Es braucht dafür eine logistische Unterstützung. Deshalb habe ich bereits 2017 ein Postulat «Support für Gemeinschaftsbildung (in der Zivilgesellschaft)» eingereicht. Ich kann nur hoffen, dass der Einwohner- und der Gemeinderat verstehen, was mit Gemeinschaftsbildung gemeint und möglich ist ... und wahrhaftig und wirklich mehr dafür tun wollen!
Ueli Keller, Einwohnerrat Allschwil

Die sozialen Kontakte sind sehr wichtig geworden, vor allem in den letzten Jahren.

Gedanken zum sozialen Aspekt

Ich schreibe meine Gedanken zum «sozialen Aspekt». Aus den sozialen Kontakten schöpfen wir Hoffnung, Kraft und inneren Frieden. Die sozialen Kontakte sind sehr wichtig geworden, vor allem in den letzten Jahren, wo sie uns in hohem Masse abhanden gekommen sind. Man suchte und fand Kontakte, ging an Demos, trat den Verfassungsfreunden bei, dem Netzwerk der Graswurzler und anderen Vereinen und Gruppierungen. Plötzlich hatte man neue Freunde und beobachtete, was da weltweit geschah, was möglicherweise auf uns zukommt und wie wir uns darauf vorbereiten können.
Durch Themen wie Permakultur, Vorräte anlegen, Einkochen, Garten und Gemüseanbau usw. lernte man viel Neues fürs Leben – eben. In diesen grösser werdenden Gruppen treffen wir uns seither regelmässig zum sozialen Austausch. Im Sommer draussen und im Winter drinnen.
Aber dieses «Drinnen» ist räumlich begrenzt und im Gegensatz dazu wächst das Interesse nach sozialem Austausch. Das Bedürfnis ist im Winter grösser nach sozialem Austausch.
Manche haben ein festes Vereins-Lokal angemietet mit Kosten-Aufwand. Anders in Privathäusern und Wohnungen ist dieser Aufwand bescheiden, aber auch der Platz beschränkter. Wie lässt sich das Platzproblem kostengünstig lösen? Diese Frage treibt mich um! Wer weiss wie?
Freundliche Grüsse
Heidy Seeberger, Hunzenschwil

Krise

Wie beurteilen Sie die Lage? und vor allem: Wie bereiten Sie sich auf die Krise vor? Wofür würden Sie bei Ihrem Nachbarn klingeln? Am liebsten ist uns eine schriftliche Antwort per E-Mail an: [email protected], dann hat die fleissige Redaktion am wenigsten Arbeit.
Es darf auch ganz kurz sein!
Sie können uns auch eine Nachricht mit Ihrer Telefonnummer und ein paar Stichworten schicken. Wir nehmen dann Kontakt mit Ihnen auf und schreiben aus dem Gesprächsprotokoll einen Artikel.

28. November 2022
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