Der Bundesrat beendet die Pandemie – mit einer Unwahrheit
Selbst das offizielle Ende der Pandemie muss der Bundesrat noch mit einer Unwahrheit begründen: «Dank der hohen Immunität in der Bevölkerung» seien die «Voraussetzungen für eine rasche Normalisierung» gegeben, schreibt er in seiner Medienmitteilung zur grossen Lockerung. Aber die «Ansteckungen» liegen weit über dem Niveau vom Dezember 2020, als ein Teil-Lockdown verfügt wurde.
Von einer «hohen Immunität», wie der Bundesrat mitteilt, kann keine Rede sein. Tatsache ist vielmehr, dass sich trotz Impfung wesentlich mehr Menschen anstecken als vor einem Jahr. Nur haben viele inzwischen gemerkt, dass das Virus doch nicht so tödlich ist, wie behauptet.
Die Grafik der «Fälle» aus dem Kanton St. Gallen zeigt: Heute, mit der grossen Lockerung gibt es rund dreimal mehr Fälle als im Dezember 2020, als deutlich verschräft wurde. (Quelle)
Damit der Bundesrat den längst fälligen Entscheid zur Aufhebung der Massnahmen nicht mit denselben Richtwerten begründen musste, die früher der Verschärfung dienten, hat er die Kantone zu Tempo und Art der Lockerung befragt. Und die äusserten sich deutlich.
Eine Überlastung des Gesundheitssystems sei unwahrscheinlich, schreibt der Bundesrat im weiteren. Aber: Eine Überlastung des Gesundheitssystems hat, von einigen Spitälern abgesehen, nie stattgefunden. Es gab immer genug Intensivbetten, obwohl sie während der Pandemie massiv abgebaut wurden.
Diese bundesrätlichen Widersprüche werden untergehen in der allgemeinen Erleichterung, welche die Schweiz erfassen wird. Aber sie stellen die Lauterkeit der Regierung in Zweifel. Und sie zeigen, dass eine Aufarbeitung der Pandemiemassnahmen dringend nötig ist, damit das nächste Virus nicht wieder zu einem gesellschaftlichen Kahlschlag führt.
Sehr erfreulich ist die Abschaffung der Zertifikatspflicht. Ein knappes halbes Jahr nach ihrer Einführung hat sich die Bevölkerung noch nicht wirklich daran gewöhnt, ihre Freiheiten nur mit Erlaubnis zu geniessen. Dass es das Zertifikat nicht doch noch in ein «new normal» schafft, ist damit allerdings nicht gewährleistet, zumal es für viele grenzüberschreitende Reisen noch notwendig ist. Die Absicht besteht und die Vorarbeiten sind gemacht, aus dem Impfpass ein universelles, globales Kontrollsystem zu entwickeln. Die Gefahr ist nicht gebannt.
Dazu drei aufschlussreiche Analysen von Catherine Riva und Serena Tinari [1, 2, 3].
Die EU, in vielen Dingen auch massgebend für die Schweiz, möchte die Verwendung der Covid-Impfpässe bis Juni 2023 verlängern (hier der Entwurf zur Verordnung). Sie hat dazu eine online-Befragung gestartet, an der sich bis dato knapp 45’000 EU-Bürgerinnen und -Bürger beteiligten. Die letzten 20 Rückmeldungen lehnen das Vorhaben eindeutig ab.
Erfreulich ist auch, dass die «besondere Lage» gemäss dem Epidemiengesetz auf Ende März nach fast zwei Jahren aufgehoben wird, sofern sich «die epidemiologische Lage wie erwartet» entwickelt. Die «besondere Lage» ist ein juristisches Konstrukt, dem es gemäss einer vom BAG in Auftrag gegebenen Studie «Analyse besondere Lage gemäss EpG» von 2018 an «Gesetzesklarheit» mangelt und das zu Kompetenzproblemen führt.
Die Autoren Prof. Christoph Zenger und das Politikberatungsbüro Adrian Vatter halten in ihren «Empfehlungen u.a. fest:
«Im Interesse der Rechtssicherheit empfiehlt sich, die Instanzen, Verfahren und Kriterien für die Feststellung, ob in einer konkreten Situation eine besondere Lage vorliegt, generell-abstrakt zu regeln.»
Das war den Behörden anderthalb Jahre vor der Pandemie bekannt – und sie wussten die fehlende «Gesetzesklarheit»zu nutzen. Spätestens jetzt sollte man sich an die Schliessung der Lücken machen, sonst droht beim nächsten kleinen Virus wieder ein politisches Durcheinander.
In seiner Rundum-Lockerung versteckt der Bundesrat auch die Aufhebung der ungeliebten TaskForce, die sich immer noch mit einer umfangreichen Strafanzeige konfrontiert sieht. Die Aufhebung der TaskForce geschieht vorzeitig auf den 31. März und offiziell auf deren Wunsch. Hätte das Ende der TaskForce in einer eigenen Medienmitteilung kommuniziert werden müssen, wäre das Echo beträchtlich gewesen und bestimmt wären auch ein paar unangenehme Fragen zur Validität ihrer Prognosen gestellt worden. Jetzt tritt sie still, leise und mit einem netten Dank des Bundesrates ab.
Noch vor einem Monat warnte die TaskForce vor 2500 bis 10’000 Hospitalisierungen in einer einzigen Woche. Tatsächlich gab es dann in den vier Wochen zwischen dem 20. Januar und dem 16. Februar gerade mal 125 Neueintritte. Das ist vielleicht eine besonders krasse, aber bei weitem nicht die einzige Fehleinschätzung der TaskForce. Mit Wissenschaft hat das nichts zu tun, sondern mit der Verwendung wissenschaftlicher Sprache zur Verbreitung von Angst. Ein solches Gremium kann nicht anders, als die Politik in die Irre zu führen. Es bleibt noch die strafrechtliche Aufarbeitung.
Es wird jetzt darum gehen, aus der Pandemie etwas zu lernen, für die Politiker, die Menschen aus dem Widerstand und wenn möglich auch für die Bürgerinnen und Bürger, die den Anweisungen gefolgt sind.
Wir haben unser Wissen auf der ganzen Welt verbreitet. Was hat sich dadurch verändert?
Was haben wir in den letzten zwei Jahren nicht alles unternommen! Wir haben informiert und aufgeklärt. Wir wissen jetzt, wie unzuverlässig Hochrechnungen sind, dass das Corona-Virus noch nicht isoliert werden konnte, wieviele Menschen nach Impfung verstarben, dass Bill Gates die WHO, die Johns Hopkins Universität und viele Grossmedien sponsert, dass auch gesicherte Informationen über Impfnebenwirkungen gegen die «Community-Richtlinien» von YouTube verstossen oder dass die Parlamente den Regierungen gehorchten, anstatt sie zu kontrollieren. Wir wissen noch sehr viel mehr und wir haben es auf der ganzen Welt verbreitet. Was hat sich dadurch verändert?
Wir sind zahlreich auf die Strasse gegangen und haben lautstark unsere Meinung gesagt; wer wollte, konnte sie hören. Wir haben unserer Überzeugung zuliebe Freundschaften und Arbeitsplätze riskiert und nicht selten auch verloren. Stehen wir jetzt aufrechter da oder sind wir innerlich geknickt, weil auch das nichts gebracht hat?
Wir haben politische Organisationen gegründet, Unterschriften gesammelt, Geld gespendet und Plakate geklebt. Wir haben den Verantwortlichen eindringliche Briefe geschrieben, auf die Verfassung gepocht, vor Gericht geklagt und die Grundrechte beschworen. Waren wir erfolgreich? Bleiben wenigstens die Organisationen weiterhin aktiv? Nicht wirklich.
Nicht die Masken, nicht die Impfung und nicht die Zertifikate haben das Virus vertrieben. Nicht unsere Proteste, nicht die Einsicht der Regierungen und auch nicht die Wirkung ihrer Eingriffe haben die Massnahmen aufgehoben. Sie gelten einfach nicht mehr, weil das Virus das gemacht hat, was es seit Jahrmilliarden macht: Es ist, um sein Überleben zu sichern, milder geworden – aber auch ansteckender.
So ist es heute: Alles ist wahr, auch das Gegenteil.
Um unsere Erfolglosigkeit zu verdecken, benutzen wir dieselben Argumente wie die Pandemisten. Ohne ihr Management wäre die Pandemie viel schlimmer gewesen, sagen die Regierungen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen allerdings ein anderes Bild.
Ohne unseren Widerstand wären die Massnahmen noch härter gewesen, sagen wir. Beides lässt sich nicht beweisen. Lockere Länder hatten zum Teil weniger Pandemie (z.B. Schweden); und harte Länder lockerten ohne nennenswerte Proteste (z.B. Spanien). So ist es heute: Alles ist wahr, auch das Gegenteil.
Immerhin: Die Schweiz hat sich im Vergleich mit vielen europäischen Staaten recht gut gehalten. Die Massnahmen waren etwas milder und der politische Widerstand gut organisiert, wenngleich er an der Urne nichts gebracht hat. Aber: 40 Prozent Skeptiker kann man in einem Land, dessen politisches System auf Konsens und dem Schutz von Minderheiten basiert, die einfach ignorieren.
Also denn: Was lernen wir aus dieser Pandemie? Die Frage beschäftigt mich seit Wochen. Mit dem heutigen Wissen hätte ich mich vor zwei Jahren auch zurücklehnen und der Sache ihren Lauf lassen können. Dann hätte es vermutlich kein Referendum und bestimmt keine Verfassungsfreunde gegeben.
Ich hätte mich nicht zwei Jahre lang unter Druck gesetzt, diese Analyse noch zu schreiben, jenes Video zu drehen, hier eine Rede zu halten und dort ein Projekt zu starten. Ich hätte mir viel Ärger erspart.
Der Bundesrat wusste dass die Massnahmen so wirkungslos waren, dass sie verlängert werden mussten.
Die zwei Jahre kommen mir in der Rückschau vor wie eine Fahrt auf der Geisterbahn. Am Anfang erschien mir alles wie eine surreale Wirklichkeit – die Warnungen von Bill Gates und Klaus Schwab, die Militärlastwagen von Bergamo, der Bundesrat im Blindflug. Bereits fünf Wochen nach Beginn des Lockdowns kündigte er an, die notrechtlichen Verordnungen in ein dringliches Bundesgesetz zu giessen. Er wusste wohl, dass die Massnahmen so wirkungslos waren, dass sie verlängert werden mussten.
Ich habe mich auf das Spiel eingelassen aus voller Überzeugung, dass mit dieser Pandemie unnötig Angst verbreitet, schlagendes Unrecht getan und enormer Schaden angerichtet würde. Da darf man nicht, da kann man nicht sitzenbleiben und zuschauen.
Und jetzt? Natürlich darf man auch zufrieden sein. Wir haben es versucht, und wir haben unser Bestes gegeben. Das zählt. Aber es reicht nicht, sein Bestes zu geben. Wer in den nächsten Krisen, die es mit Sicherheit geben wird, Erfolg haben will, muss es besser machen. An dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei.
Besser machen, wenn man sein Bestes gegeben hat? Vielleicht hilft uns die Haltung der Sportler, für die nur das nächste Spiel und das nächste Rennen zählt. Vielleicht verstehen wir die Pandemie auch als beschleunigten Lernprozess, der nicht nur mit dem Kollektiv etwas zu tun hat, sondern auch mit uns selber. Wir werden sehen.
Was lernen wir aus der Pandemie? Auf diese Frage suchen wir im Zeitpunkt nach Antworten. Es wird dazu eine Reihe von Artikeln und Interviews erscheinen. Die ersten Kontakte zeigten allerdings, dass sich die Vertreter der Organisationen des «Widerstands» dazu noch nicht äussern mögen.
Vor allem aber sind wir interessiert daran, was Sie aus der Pandemie an Erkenntnis mitnehmen? Würden Sie wieder gleich handeln? Was würden Sie anders oder besser machen?
Schreiben Sie uns an redaktion(at)zeitpunkt.ch und bleiben Sie nicht nur im Allgemeinen, sondern werden Sie persönlich. (Falls erwünscht, veröffentlichen wir Ihren Text mit Initialen, aber nur wenn uns die Autorenschaft namentlich bekannt ist.) Vielen Dank für Ihre Mitwirkung.
von:
Über
Christoph Pfluger
Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".
Kommentare
und die Moral von der Geschicht’
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Christoph Pfluger - grossartiges Engagement
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Und, was siehst Du, wenn Du in Deinen Spiegel schaust?
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Grundrechte
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