Der grösste Impfstoff-Investor schenkt der Swissmedic 900’000 Dollar
Die Bill & Melinda Gates Foundation hat der Schweizerischen Heilmittelbehörde im Februar 900’000 Dollar überwiesen. Bill Gates profitiert als Privatmann und Grossinvestor in die Impfstoff-Industrie direkt von den Entscheidungen der von seiner Stiftung begünstigten Zulassungsbehörde. Swissmedic regelt nur Interessenskonflikte von Einzelpersonen, aber nicht der Institution als Ganzes.
Der Zweck der Spende von 900‘000 Dollar liegt nach offiziellen Angaben der Gates Foundation darin, «Fachwissen und Know-how zum Aufbau von Kapazitäten im kontinentalen Rahmen, von regionalen Wirtschaftsgemeinschaften und von nationalen Regulierungsbehörden in Afrika beizutragen» («to contribute expertise and know-how in building the capacity of continental frameworks, RECs and NRAs in Africa«).
Der Betrag ist für die Swissmedic von aussergewöhnlicher Höhe. Für das Jahr 2018 weist die Swissmedic unter der Position «übriger Ertrag» Eingänge von insgesamt 383’000 Franken aus (S. 96 des Geschäftsberichts) aus. Die allein im Februar 2020 von der Gates-Foundation überwiesene Spende beträgt also mehr als das Dreifache der entsprechenden Jahreseinnahmen von 2018. Ein Geschäftsbericht für 2019 liegt noch nicht vor.
Die Annahme der Spende ist in zweifacher Hinsicht ein fragwürdiger Vorgang. Zum Einen ist die Spenderin, die Bill & Melinda Gates Foundation direkt mit dem Privatmann Bill Gates III verbunden, der in grossem Stil in Impfstoffhersteller investiert und damit direkt von den Entscheidungen der Swissmedic betroffen ist. Zum anderen ist unklar, ob die Spende seiner Stiftung überhaupt dem Leistungsauftrag der Swissmedic dient.
Die Swissmedic, die Zulassungsbehörde für Heilmittel in der Schweiz, arbeitet in einem einzigartigen Rechtsrahmen. 2002 hervorgegangen aus der Int. Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) und der Facheinheit Heilmittel des Bundesamtes für Gesundheit, ist die Swissmedic weder im Heilmittelgesetz von 2002 namentlich erwähnt, noch in Art. 118 der Bundesverfassung, auf den sich das Heilmittelgesetz stützt.
Neben ihrer Funktion als Zulassungsbehörde gemäss Heilmittelgesetz (in dem sie als bloss als «Institut» bezeichnet wird) besteht die Rechtsgrundlage ihrer Tätigkeit aus einem Leistungsauftrag des Bundesrates sowie einer jährlichen Leistungsvereinbarung mit dem Eidg. Departement des Innern.
Weder «Leistungsauftrag» noch «Leistungsvereinbarung» ergeben allerdings als Suchbegriffe auf der Website der Swissmedic zählbare Resultate. Offen ist auch die Frage, ob das Geschäftsreglement der Swissmedic die Annahme von Geldern von Körperschaften erlaubt, die von ihren Zulassungsentscheiden direkt oder indirekt betroffen sind.
Gemäss den «strategischen Zielen» der Swissmedic, die vom Institutsrat entwickelt und vom Bundesrat genehmigt werden, entfaltet die Swissmedic auch eine rege internationale Tätigkeit, deren primärer Zweck die zwischenstaatliche Harmonisierung der Zulassungsbestimmungen und der gegenseitigen Anerkennung der Heilmittelprüfungen ist.
Das strategische Ziel Nr. 7 «Die Regulierungssysteme von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen werden gestärkt» bietet allenfalls eine Rechtfertigung für die Entgegennahme der Grossspende der Gates-Stiftung.
Problematisch bleibt die finanzielle Abhängigkeit einer öffentlich-rechtlichen Institution von einem privaten Pharmainvestor allemal, zumal die Bill & Melinda Gates-Foundation bereits den internationalen Zusammenschluss der pharmazeutischen Zulassungsbehörden, das «International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use» sponsert und dort sogar Beobachterstatus geniesst.
Interessenkonflikte sind bei der Swissmedic keine Seltenheit. Im Januar 2019 verliess Swissmedic-Chefjurist Andreas Balsiger die Institution, um Pharmafirmen zu beraten (Aargauer Zeitung: «Heikler Seitenwechsel von Swissmedic-Chefjurist: Ein Abgang mit Risiken und Nebenwirkungen»).
«Versprechen und Annahme geldwerter Vorteile» waren gemäss Art. 33 des Heilmittelgesetzes noch bis Ende 2019 verboten. Das Verbot betraf jedoch nur Personen und Organisationen, die «Heilmittel verschreiben oder abgeben» und nicht solche, die sie prüfen und zulassen.
Auch der «Kodex zum Umgang mit Interessenskonflikten für den Institutsrat von Swissmedic» regelt nur persönliche Interessenskonflikte von Mitgliedern des Institutsrates und nicht der Swissmedic als Ganzes: «Jedes Institutsratsmitglied vermeidet Situationen, in denen persönliche Interessen mit den Interessen einer unabhängigen Tätigkeit für Swissmedic tatsächlich oder dem Anschein nach kollidieren könnten. Weiter sind Situationen zu vermeiden, die es erschweren, die Aufgaben für Swissmedic objektiv und effektiv zu erfüllen, und einen Ausstand hervorrufen.»
Ob die Beschränkung auf persönliche Interessenskonflikte angemessen ist, wird sich im Verlauf der Debatte, die nun geführt werden muss, weisen.
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In der Schweiz. Ärztezeitung erschien am 23. September 2020 folgende Erklärung (ohne Quelle):
Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic unterstützt seit 2015 ressourcenarme Länder südlich der Sahara beim Zugang zu wichtigen Arzneimitteln. Die Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Schweizerischen Gesundheitsaussenpolitik (GAP) darf nicht aus den ordentlichen Einnahmen (Verfahrensgebühren, Aufsichtsabgaben und Bundesbeitrag) finanziert werden. Die auf der Swissmedic-Website transparent publizierten Beiträge der Bill & Melinda Gates Foundation werden zweckgebunden für konkrete Projekte eingesetzt. Namentlich führt Swissmedic Trainings und Schulungen für Zulassungsbehörden aus Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen durch, unterstützt regionale Harmonisierungsinitiativen in Afrika und bietet mit dem MAGHP-Verfahren (Marketing Authorisation for Global Health Products) wissenschaftliche Beratung und Zulassung von globalen Gesundheitsprodukten an (Details siehe www.swissmedic.ch/bmgf). Die Unabhängigkeit des Schweizerischen Heilmittelinstituts und die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier in der Schweiz werden durch diese Entwicklungszusammenarbeit nicht tangiert.
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Kommentar: Die Erklärung ist nicht stichhaltig. Die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) verfügt über ausreichend Möglichkeiten, die Projekte der Swissmedic in Entwicklungsländern zu finanzieren. Die Bill&Melinda Gates Foundation könnte ihre Spende an die DEZA ausrichten, die dann zusammen mit der Swissmedic (relativ) unabhängig über den Einsatz der Mittel entscheiden kann. Es bleibt problematisch, dass sich eine eidgenössische Institution für die Implementierung von Zulassungsverfahren in Entwicklungsländern bezahlen lässt, von denen der Spender direkt oder indirekt profitiert. CP
von:
Über
Christoph Pfluger
Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".
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