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Zeitpunkt: Wie haben Sie als erfahrener Rechtsanwalt die rechtliche Situation in der Coronazeit erlebt?
Dr. Josef Hingerl: Ich habe in einem halben Jahrhundert als Rechtsanwalt und teilweise auch als Kommunalpolitiker niemals Tendenzen zur poltitischen Verfolgung in Deutschland erlebt. Wer sich jedoch in der Corona-Zeit auf die Grundrechte berief und die Corona-Politik öffentlich kritisierte, bekam oft juristische Schwierigkeiten und so kam es zu «politisierten Verfahren», was viele gar nicht so genau wissen, weil in den Mainstream-Medien wenig darüber berichtet wurde. Normalerweise müsste die Judikative, also die richterliche Gewalt, einen Ausgleich zur Legislative, der gesetzgebenden Gewalt, und zur Exekutive, der ausführenden Gewalt, herstellen. Aber genau das geschah in der Coronazeit nicht. Im Gegenteil – Legislative und Exekutive haben die Judikative ausgehebelt. Die Gewaltenteilung wurde nicht eingehalten. Eigentlich ist die Judikative als eine politische Macht gedacht, die die Staatsgewalt mässigen kann und soll.
Wie konnte es so weit kommen?
Die Coronamassnahmen haben unsere Grundrechte verletzt und eingeschränkt, z.B. der Lockdown, die Schulschliessungen und die einrichtungsbezogene Impfpflicht, etwa bei der Bundeswehr oder im Gesundheitsbereich. Ich habe erlebt, dass mein Golfplatz geschlossen wurde. Und drei Jahre später wurde erklärt, dass diese Schliessung verfassungswidrig war.
Bereits im Juni 2020 Zeit trat der Präsident des Verfassungsgerichts Stephan Harbarth an die Öffentlichkeit, was vorher ein Präsident des Verfassungsgerichts noch nie getan hatte, und teilte sinngemäss mit, die Grundrechte gelten, aber sie gelten in der Krise anders. Damit hat Harbarth die Grundrechte relativiert. Diese Schlüsselaussage war das Einfallstor für Grundrechtsverletzungen. Mir erschien das als Verrat an den Vätern und Müttern des Grundgesetzes aus dem Jahr 1949.
Dazu kam der Fall des Richters Christian Dettmar aus Weimar, der für das Rechtswesen in Deutschland richtungsweisend war und die gesamte Richterschaft paralysierte. Dettmar hatte am 8. April 2021 die Corona-Massnahmen an zwei Schulen in Weimar aufgehoben und dies mit der Gefährdung des Kindeswohls begründet. In Folge kam es zu mehreren Hausdurchsuchungen sowie zu seiner Verurteilung wegen des Verdachts der Rechtsbeugung durch das Landgericht Erfurt. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des Landgerichts Erfurt: Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, dauerhafte Suspendierung aus dem Richteramt und damit der Verlust sämtlicher Pensionsansprüche. Inhaltlich aber würde Dettmars Entscheidung nicht beanstandet.
Wie entwickelte sich die Situation dann weiter?
Richter versuchten verfassungswidrige Landesverordnungen aufzuheben, was Frank Ulrich Montgomery, den Präsidenten des Weltärztebundes, dazu bewegte, von den «kleinen Richterlein» zu sprechen, die nicht kapiert hätten, dass in einer Pandemie die Freiheitsrechte hinter das Recht auf körperliche Gesundheit zurückstehen müssten. Ein Richter konnte also durchaus sagen, er halte die Maskenverordnung für verfassungswidrig und damit Angeklagte freisprechen. Aber das wollte man verhindern, wie der Fall Dettmar zeigt.
Man reagierte ausserdem mit der Bundesnotbremse. Sie griff am 24. April 2021 und endete im Juni 2021. Stephan Harbarth wusste natürlich, dass die Coronamassnahmen nicht zu halten waren, und es wurde deshalb auch eine Ausstiegsklausel angeführt: «Erweist sich eine Prognose nachträglich als unrichtig, stellt dies jedenfalls die ursprüngliche Eignung des Gesetzes nicht in Frage ... Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit der Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen.» (Az 1 BvR 781/21 Rn 140, Rn. 186)
Da die Coronamassnahmen ausschliesslich auf Prognosen beruhten, wurden Beweise für die erste Zeit der Massnahmen für unnötig erklärt und können daher auch rückwirkend nicht mehr juristisch angegangen werden. In der Schweiz ist man genauso verfahren, in anderen Ländern wird das anders gehandhabt. Sobald ursprünglich angenommene Prognosen nicht mehr tragen, werden die Coronamassnahmen verfassungswidrig bzw. «wachsen in die Verfassungswidrigkeit hinein». Wollte Harbarth damit seinen Hals retten? Leider wurde diese Ausstiegsklausel zu wenig gelesen und beachtet. Erst Ende 2024 wurde sie das erste Mal vom Verwaltungsgericht in Osnabrück angewandt.
Fest steht, diese Klausel ermöglicht es den Richtern, wieder selbstbewusst aufzutreten und aus der Montgomery-Nummer herauszukommen. Die Richter sind eine gesellschaftliche Kraft und können die Coronazeit aufarbeiten und ihren Berufsstand rehabilitieren.
Wie sah die Strafverfolgung bei vorgeblichen Corona-Straftaten aus?
Man wollte kritische Geister ausschalten, so etwa auch den Unternehmer Michael Ballweg, der die überregionalen Querdenker-Demonstrationen organisiert hat. Er sass neun Monate im Gefängnis. Man benutzte dabei als Instrument die Untersuchungshaft, um einen «Querdenker» aus dem Verkehr zu ziehen. Rechtsanwalt Dr. Reiner Füllmich, der durch den«Coronaausschuss» bekannt ist und vor allem auf die entscheidende Rolle des PCR-Tests für das Pandemiemanagment hingewiesen hat, sitzt bis heute in U-Haft. In seinem Fall streiten sich vier Anwälte um 700 000 Euro, die allerdings noch vorhanden sind. Man fragt sich, warum diese Sache nicht zivilrechtlich geklärt wird. Besonders schlimm ist es, dass man 1000 Ärzte, die sich für ihre Patienten eingesetzt haben, wegen angeblicher falscher Atteste zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt hat. Und die Verurteilungen gehen weiter.
Was fordern Sie als engagierter und informierter Anwalt?
Es muss eine Amnestie für diese Corona-Gefangenen geben. Man fragt sich aber auch, was geschieht eigentlich mit den 100 000 Ärzten, die nach dem Strafgesetzbuch eine gefährliche Körperverletzung durch das Impfen begangen haben. Sie waren an einem Menschheitsversuch beteiligt. Auch der SPD-Politiker und spätere Bundeskanzler Scholz sagte ja, wir seien Versuchskaninchen gewesen. Die Impfärzte müssten strafrechtlich verfolgt werden. Sie hätten damals sagen müssen, wir wissen nicht, was das Impfserum enthält und wie es wirkt. Ich schlage eine Amnestie für Impfärzte vor, aber sie sollten einen Anteil ihres damaligen Verdienstes in einen Fonds für Impfgeschädigte einzahlen.
Ich gehe davon aus, dass eine rechtliche Aufarbeitung der Coronazeit wesentlich zur gesellschaftlichen Heilung beitragen wird. Ich war tief erschüttert, als ich die Grundrechtsverletzungen und die Reaktion der Gerichte damals erlebte. Eine Aufarbeitung der Coronazeit ist notwendig, um den Rechtsstaat wieder ins Lot zu bringen. Meine Befürchtung ist aber, dass wir uns mit dem Thema Impfung leider auch künftig noch auseinandersetzen müssen.
*Rechtsanwalt Dr. Hingerl gründete im Jahr 1978 die Sozietät Dr. Hingerl & Kollegen. Ab dem Jahre 1991 entwickelt sich die überörtliche Partnerschaft mit den Standorten Wolfratshausen, München-Flughafen, Erfurt und Berlin.