Die Säulen des Dogmas zittern

Die Degrowth-Konferenz von Barcelona

Vom 26. bis zum 29. März fand an der schönen Universität von Barcelona die zweite internationale Konferenz über wirtschaftliche Wachstumsrücknahme statt. Sie wurde vom Institut für Umweltwissenschaften und -technik (ICTA) der katalonischen Haupstadt organisiert und vom Rektor der Universität eröffnet.

Warum weckt das Wort Décroissance so viel Interesse? Weil es grundsätzliche Fragen unseres Umgangs mit Umwelt und Klima ins Zentrum stellt – Fragen, die durch die Begriffe der nachhaltigen Entwicklung, des grünen Wachstums und des Öko-Kapitalismus verwässert worden sind.


Viele Grüne, die sich für Realisten halten, begnügen sich damit, ein Wirtschaftssystem grün zu färben, das seine menschen- und umweltfeindliche Logik nicht ändert. Die Wachstumsverweigernden sind radikaler als diese Grünen und behaupten, dass wir zur Überwindung unserer Zivilisationskrise nicht in der Richtung weitergehen können, die im 19. Jahrhundert eingeschlagen wurde. Der Titel eines wichtigen Kolloquiums in Paris hatte schon 2002 den Richtungswechsel vorgezeichnet: «Entwicklung abbauen – die Welt wieder aufbauen».Es ist unmöglich, hier die Verschiedenartigkeit der Beiträge und die Lebhaftigkeit der Diskussionen in Barcelona wiederzugeben. Wer das Konferenzprogramm auf www.degrowth.eu konsultiert, kann sich vielleicht eine schwache Vorstellung davon machen. Zwei Dinge wurden rasch klar: Erstens ist ein ökologischer Umbau nicht ohne soziale Gerechtigkeit möglich. Und zweitens erschien Barcelona als Fortsetzung von Kopenhagen, wo Bewegungen aus der Zivilgesellschaft forderten: «Nicht das Klima verändern, sondern das System». Das System, das ist für die Wachstumsverweigernden der Kapitalismus.Ein weiteres neues Element: Es gibt in den Ländern des Südens Bewegungen, die sagen, dass auch bei ihnen die Entwicklung, wie ihre Regierungen sie fordern, zerstörerisch ist. Sie bringen neue Konzepte in die Diskussion, z.B. «Wohlbefinden» anstelle von «besser leben».Schlussfolgerung des Ökonomen Juan Martinez-Allier: «Wachstumsrücknahme wird zur wichtigsten Bewegung der Wirtschaft werden.» Die Säulen des Dogmas haben gezittert.Quelle: «Le Monde»