Gaza: Ein weiterer Monat Hunger und Bomben
Der März in Gaza beginnt, wie der Februar geendet hat: mit Tod und Zerstörung
Am Morgen des 1. März sind die Medien voll mit dem «Mehl Massaker», bei dem in der Nacht zuvor mehr als 100 Menschen, die Hilfsgüter und Mehl erhalten wollten, getötet worden waren. Das Feuer hatte das israelische Militär eröffnet. Das gibt an, nur einige Schüsse abgefeuert zu haben. Die Menschen hätten sich gegenseitig tot getrampelt.
Am 2. März zerstörten Raketen einer israelischen Drohne eine Zeltunterkunft unweit des Emirati-Krankenhauses in Rafah. 11 Menschen wurden getötet, die in den Zelten Zuflucht gesucht hatten. Videoaufnahmen zeigen die Toten und schwer Verletzten auf der Strasse liegen. Blut überall. Ein Junge, der eines der Opfer erkannt hat und auf den Toten zuläuft, wird von einem anderen Mann in die Arme genommen und weggebracht. Das Glas im Krankenhaus brach nach einer starken Explosion, sagt ein Augenzeuge in eine Kamera. Feuer sei ausgebrochen. Im Emirati-Krankenhaus haben Hunderte Menschen Zuflucht gefunden.
In der folgenden Nacht zum 3. März folgten israelische Luftangriffe auf Wohnhäuser in Rafah. Im Haus der Familie Abu Anza wurden 14 Menschen getötet. 6 Kinder und 4 Frauen seien unter den Toten gewesen, zählt Dr. Marwan al-Hams von einem nahegelegenen Krankenhaus auf. Rania Abu Anza verlor in der Nacht ihren Ehemann und ihre Zwillinge, die erst vier Monate alt waren. Zehn Jahre hatte das Paar vergeblich auf Nachwuchs gewartet. Die Geburt der Zwillinge – Naeim, der Junge, und Wissam, das Mädchen – war erst möglich geworden, nachdem das Paar sich für eine künstliche in-vitro Befruchtung entschieden hatten. »Was haben diese Babies getan», fragt die Mutter in die Kameras, die ihr Leid festhalten. «Antwortet mir, Leute, antwortet mir! Ihr fühlt nichts für uns. Was macht ihr hier? Uns zuschauen?»
Wenig später zeigen die Aufnahmen einen aufgebrachten Mann, der neben den in Leichentücher eingewickelten Toten steht. «Am jüngsten Tag werden diese Kinder eure Gegner sein», ruft er. «Das gilt für jeden, ihr arabischen Führer, sie werden eure Gegner sein. Möge Gott uns an Euch rächen.»
Mitte Februar kam nach langer Unterbrechung wieder ein Brief des Familienvaters aus Gaza. Sein Schreiben war datiert auf Montag, den 12. Februar, 6:20 Uhr am Morgen.
Die Nacht war sehr unruhig. Die ganze Zeit hörten wir die Geräusche der IL. Angriffe und Explosionen. (Wenn er IL schreibt, meint er «israelisch», kl). Daher haben wir mehrheitlich kaum geschlafen … und dann hörten wir in den Nachrichten, was los ist. Rafah wurde bombardiert und zwei IL Geiseln wurden im Rahmen einer IL. Operation in Rafah befreit. Dabei kamen viele palästinensische Zivilisten ums Leben … Hauptsächlich Frauen und Kinder … Sind wir solche Kollateralschäden? Sind wir als Menschen weniger Wert als die Menschen nebenan bzw. als die Ukrainer:innen!!! Ist unser Blut so schmackhaft, dass die Vampire es immer trinken wollen … Macht unser Blut süchtig? Ich bekomme immer Bauchweh und dann laufen mir die Tränen herunter … Wenn ich die Bilder mit verletzten oder ermordeten Kinder sehe … Meiner Seele geht es gar nicht gut …ich bin deprimiert und melancholisch … Ich bin wütend, sauer, enttäuscht, traurig und sehr zornig … und ich stelle mir immer wieder die Frage, WARUM???
Gibt es eine nachvollziehbare Rechtfertigung bzw. eine Begründung? Oder anders formuliert, kann man solches Geschehen rechtfertigen? 81 Journalisten wurden, nach internationalen Angaben, beim Krieg gegen Gaza bisher getötet. Die höchste Anzahl in einem Krieg in dieser kurzen Zeit. Warum??? Wieso??Weshalb??? Wer trägt die Verantwortung dafür?
Ich bin gegen das, was am 07/10/2023 geschah. Das hätte nicht passieren dürfen!!! Aber gibt das dem Nachbarland das Recht, uns in dieser Art zu behandeln? Uns mal als Terroristen, mal als Tiere zu bezeichnen? Kann man all das, was IL bis heute angerichtet hat, als das Recht auf Selbstverteidigung benennen. Was sagt das Internationale Recht dazu??? Unsere religiöse Überzeugung lehrt uns, dass wir eines Tages sterben müssen und niemand weiss, wann seine/ihre Zeit kommt. Doch es ist ein Unterschied darin, wie man stirbt. Angriff, Hunger und Durst, Unfall, natürlicher Tod usw? Das bedeutet natürlich nicht, dass ich mich in Gefahr bringe und sage, dass das mein Schicksal sei…
Meine 11 Jahre alte Tochter fragte mich, warum das passiert? Warum die Regierungschefs zusehen und für dieses wahnsinnige «Unrecht» nicht einen Stopp erzwingen? Ich bin mit der Antwort überfordert, da ich wirklich nicht weiss, was ich ihr sagen soll/kann/darf/muss???
Ein anderer Gedanke. Der il. Kriegsminister spricht von der Zukunft des Landes IL, dass sein Recht und auch seine Pflicht es sei, diesen Krieg zu führen. Was ist aber mit meiner Zukunft und mit der Zukunft meiner Familie? Wieso will, wieso kann er diese Entscheidung für uns treffen? Warum?? Mit welcher Begründung? Warum darf IL all das tun??? Der Weg des Friedens ist der kürzeste Weg, aber er ist voller Hürden. Das ist, wo es sich lohnt zu kämpfen.
Und noch ein Brief
Am 22. Februar meldete der Familienvater sich erneut. Sein Brief beginnt mit den Worten «Salam, Shalom – Frieden».
Es war eine sehr schlimme Nacht, es war/ist sehr dramatisch. Fast mussten wir unsere Notunterkünfte wieder verlassen. Viele haben ihre Zelte in der Nacht verlassen und sind zu Fuss in Richtung der UNRWA-Schulen gelaufen, eine Strecke von 3 km. Es ist wirklich sehr sehr sehr schlimm, furchtbar, katastrophal, unfassbar, unglaublich, was mit uns getan wurde und wird. Und der (UN-)Sicherheitsrat ist zum Spielball der USA geworden. Immer setzen sie ihr Veto-Recht ein, immer wieder. Gestern waren 13 Länder für ein Ende des Krieges. Grossbritannien enthielt sich und die USA? Sagen nein, Veto. Die Grossmacht USA sind an dem gezielten Morden unserer unschuldigen Zivilisten beteiligt, sie sind mitschuldig an all den Toten. Jede Sekunde leben wir mit der Angst, getroffen zu werden. Das werde ich den Regierungschefs NIEMALS vergessen. Das ist es, was mich wütend, verzweifelt, traurig, enttäuscht und hoffnungslos macht. Ausgeliefert zu sein, hilflos und schutzlos. Das gibt mir den Rest. Denn die 2,5 Millionen Menschen hier im Gazastreifen haben das nicht verdient. Was ist unsere Schuld???
Hunger als Waffe
Der Familienvater aus Gaza schreibt darüber, wie oft die USA ihr Veto im UN-Sicherheitsrat einsetzen. Tatsächlich missbrauchen die USA ihr Veto im UN-Sicherheitsrat, um Israel freie Hand in Gaza zu geben. Wer Israel in diesem Krieg weiter unterstützt, wird mitschuldig an den israelischen Kriegsverbrechen gegen die Palästinenser, sagt der ehemalige Direktor des New York-Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, Craig Mokhiber. Er ist Ende Oktober aus Protest von seinem Posten zurückgetreten.
Der langjährige UN-Sonderberichterstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete und emeritierter Professor für Völkerrecht (Princeton University), Richard Falk, sagt: «In Gaza ermöglicht der Westen den transparentesten Völkermord der Menschheitsgeschichte».
Wenn mein Land Völkermord begeht
Am Morgen des 25. Februar setzte der 25jährige Aron Bushnell, Mitglied im aktiven Dienst der US-Luftwaffe, einen Videolink auf seine Facebookseite. «Viele von uns fragen sich, was würde ich tun, wenn ich zur Zeit der Sklaverei gelebt hätte? Oder im Süden zur Zeit der Jim Crow (Gesetze)? Oder während der Apartheid? Was würde ich tun, wenn mein Land Völkermord begeht?» Die Antwort sei, so Aaron Bushnell, «Du machst es. Jetzt.»
Er schickte eine Kopie von seinem letzten Willen an einen Freund und bat darum, seine Katze dem Nachbarn zu geben, damit der sich um sie kümmern solle. Etwa um 1 Uhr mittags ging Bushnell auf die israelische Botschaft in Washington D.C. zu. Er trug seine Luftwaffenuniform und schaltete den Livestream auf seinem Handy ein und stellte sich vor: «Ich bin aktives Mitglied der Luftwaffe der Vereinigten Staaten und ich will nicht länger beteiligt sein am Völkermord. Ich werde eine extreme Form des Protestes ausüben, aber verglichen mit dem, was die Menschen in Palästina durch ihre Kolonialherren erleben, ist es überhaupt nicht extrem.»
Kurz darauf stand Bushnell vor dem Tor der israelischen Botschaft, überschüttete sich mit Benzin und zündete sich an. «Free Palestine» rief er, während er brandte. «Free Palestine», bis er zu Boden fiel. Er starb wenige Stunden später im Krankenhaus.
In deutschen Medien war der Protest gegen den US-Völkermord in Gaza kaum eine Kurzmeldung wert. Der US-amerikanische Sender Democracy Now sprach über Aaron Bushnell mit einem Freund von Aaron Bushnell und mit Ann Wright, pensionierter Oberst der U.S. Army und heute aktiv bei den Veteranen für Frieden und bei «Code Pink».
USA gibt Israel «Lizenz zur Tötung»
Die US-amerikanische Blockadehaltung im UN-Sicherheitsrat ermöglicht es Israel, sein Gemetzel im Gazastreifen fortzusetzen. Drei Mal hat Washington Resolutionsentwürfe für einen sofortigen Waffenstillstand mit seinem Veto verhindert und liefert weiter ungebremst Waffen und Munition an die israelischen Streitkräfte. Wie auch Deutschland.
Zuletzt präsentierte Washington einen Resolutionsentwurf und forderte darin «Waffenstillstand so schnell wie möglich» unter der Voraussetzung, dass die israelischen Geiseln in Gaza freigelassen werden. Washington verschaffe Israel eine «Lizenz zur Tötung palästinensischer Zivilisten», kritisierte der russische UN-Botschafter Vasily Nebenzya den Resolutionsentwurf. Washington wolle den UN-Sicherheitsrat weiter zu einem «Schutzschirm» über die israelische (Militär-) Operation in dem Küstenstreifen machen, so Nebenzya. Er forderte die anderen UN-Sicherheitsratsmitglieder auf, dieses »destruktive Vorgehen» nicht zu unterstützen.
Die Debatte im UN-Sicherheitsrat fand am 27. Februar statt. Mitarbeiter des Welternährungsprogramms (WFP), vom UN-Koordinationsbüro für humanitäre Hilfe (OCHA) und von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) waren eingeladen, um dem Sicherheitsrat über das Ausmass einer drohenden Hungersnot im Gazastreifen zu berichten. Sie berichteten von zerstörten Bäckereien und Bauernhöfen und davon, dass Kinder Gras und Tierfutter essen müssten, weil ihre Eltern kein anderes Essen für sie finden könnten. Alle drei UN-Mitarbeiter forderten einen sofortigen Waffenstillstand.
Wenn sich nichts ändere, drohe im nördlichen Gazastreifen eine Hungersnot, warnte der stellvertretende Direktor des Welternährungsprogramms (WFP). Mindestens 576.000 Menschen in dem Küstenstreifen seien von «katastrophalen Entbehrungen und Hunger betroffen», fügte der Stellvertretende Leiter der UN-Agentur für humanitäre Hilfe (OCHA) hinzu. Der stellvertretende FAO-Direktor erklärte, dass die Einstellung der Feindseligkeiten der wichtigste Schritt zur Beseitigung des Risikos einer Hungersnot sei. Der «humanitäre Raum» müsse wiederhergestellt werden, damit lebensrettende Hilfe und die Wiederherstellung der Grundversorgung mit Wasser und Strom gewährleistet sei.
Der UN-Botschafter von Israel beschuldigte die UN, selber für die Misere verantwortlich zu sein. Israel bewillige die meisten Anfragen für Hilfslieferungen und es gäbe «keine Grenze» für das Ausmass von Hilfe für die Bevölkerung in Gaza, sagte der israelische Vertreter. «Das sind die Tatsachen, niemand kann etwas Anderes behaupten.» 20 Bäckereien in Gaza produzierten aktuell mehr als 2 Millionen Pita-Brote am Tag. Wer etwas anderes behaupte, würde die Lügen der Hamas verbreiten und von der eigenen Unfähigkeit ablenken, die Hilfe effektiv verteilen zu können. Israel halte keinen Lastwagen an der Grenze auf, so der israelische Botschafter. Die Verzögerungen seien der Fehler der UN.
Der Vertreter Tunesiens warf Israel vor, die Lastwagen mit Hilfsgütern nicht passieren zu lassen. Algeriens Vertreter warf Israel vor, «Hunger als Kriegswaffe» einzusetzen. Das Gremium ging ohne Entscheidung auseinander.
Angriff auf Hungernde
In der Nacht vom 28./29. Februar war ein Konvoi unter israelischer Kontrolle für einen Ort südwestlich von Gaza-Stadt angekündigt. Viele Menschen eilten dorthin, um da zu sein, wenn die Hilfspakete verteilt würden. Doch als die Lastwagen ankamen, hätten die israelischen Soldaten das Feuer eröffnet, berichteten Augenzeugen, die am nächsten Morgen in Krankenhäusern behandelt wurden und mit Journalisten vor Ort sprechen konnten. «Wir wollten Mehl bekommen, die israelische Armee hat auf uns geschossen. Es gibt so viele Tote, bis jetzt versuchen wir sie dort wegzuholen. Es gibt keine Erste Hilfe.»
«Es war ein Verbrechen», sagte ein Mann dem palästinensischen Nachrichtensender Quds. Er habe seit dem Abend gewartet. Als die Lastwagen gegen 4:30 Uhr am Morgen ankamen, seien die Menschen auf sie zugelaufen. Dann hätten israelische Panzer und Kampfflugzeuge auf die Menschen gefeuert, so der Mann: «Es war eine Falle.»
Die israelische Armee gab an, «einige Schüsse» abgefeuert zu haben. Die Soldaten hätten sich von den Menschen «bedroht» gefühlt. Viele seien in der Panik «zu Tode getrampelt» worden, andere seien von den LKWs überfahren worden, erklärte der Sprecher der israelischen Streitkräfte, Daniel Hagari. Was immer genau geschehen ist, 104 Menschen wurden getötet und wiesen Schusswunden auf, so die Ärzte in den umliegenden Krankenhäusern.
Bomben und Essensrationen
Die internationale Empörung war gross, Israel müsse eine «umfassende Untersuchung» einleiten, um das Geschehen aufzuklären, so die deutsche Aussenministerium Annalena Baerbock. Sie forderte einen humanitären Waffenstillstand. Die USA-Armee kündigte an – wie Jordanien und Ägypten – Hilfspakete für die Menschen aus der Luft abzuwerfen. Humanitäre Helfer zeigten sich einig, dass diese Hilfe nichts helfen würde. Nur Hilfskonvois könnten die Hilfe bringen, die die Menschen bräuchten. Dafür allerdings sei ein Waffenstillstand erforderlich.
Um den Menschen in Gaza zu helfen, hat die US-Armee eine grossangelegte Hilfsoperation für Gaza gestartet und Hilfspakete abgeworfen. 38.000 «Ready to Eat»- Essensrationen seien abgeworfen worden, hiess es in einer Presseerklärung. Eine solche Mahlzeit reicht für eine Person für einen Tag.
Für die Bevölkerung in Gaza löst ein Horror den nächsten ab. Kein sicherer Ort, anhaltende Angriffe der israelischen Streitkräfte, Menschen mit weissen Fahnen werden ebenso erschossen wie Menschen, die versuchen, einen Sack Mehl oder ein Paket mit humanitären Hilfsgütern zu ergattern. Die Hilfslieferungen werden an den Grenzübergängen Rafah und Kerem Shalom im Süden des Gazastreifens durch undurchsichtige Kontrollen der israelischen Behörden aufgehalten. Hinzu kommen extreme Siedler, die den Grenzübergang Kerem Shalom und den Hafen von Aschdod blockieren, um Hilfslieferungen «an die Hamas» zu stoppen.
In einem Bericht des US-amerikanischen Nachrichtensenders CNN berichten Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen über das Vorgehen der israelischen Kontrollbehörden. COGAT, die israelische Behörde, die Lieferungen in den Gazastreifen überwacht, handelt demnach willkürlich und nach Kriterien, die sich teilweise mit denen anderer israelischer Behörden – Zoll, Polizei – widersprechen. Die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die alle anonym sprachen, legten dem Sender Listen mit Waren vor, die von den Israelis nicht durchgelassen werden. Darauf standen Anästesiemedikamente und Inhalatoren, Sauerstoffzylinder, Ventilatoren, Wasserreinigungssysteme. Auch Datteln, Schlafsäcke, Krebsmedikamente, Wasserreinigungstabletten und Pakete für werdende Mütter mit Ausstattung für Neugeborene und Hygieneartikel werden gestoppt. Auf der Liste finden sich auch Gehhilfen, Solarpanelen, Generatoren und Rollstühle.
Die israelische Behörde COGAT beschwerte sich nach der Ausstrahlung des CNN-Berichts. Die darin gemachten Angaben seien «unwahr», der Bericht hätte nicht ausgestrahlt werden dürfen.
Mehr als 9000 Frauen in Palästina getötet
Kurz vor dem internationalen Frauentag (8. März) macht Hala Hanina, Frauenaktivistin aus Gaza, auf die Situation der Frauen aufmerksam. Die UN-Organisation für Frauen UNFEM hat einen Bericht vorgelegt, wonach seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 9000 Frauen bei israelischen Angriffen getötet wurden. Die Zahl sei unvollständig, so UNFEM. Viele getötete Frauen und Mädchen seien noch unter den Trümmern begraben. Täglich werden demnach durchschnittlich 63 Frauen getötet, darunter 37 Mütter, die ihre Kinder und Familien zurücklassen.
Die Organisation «Euro-Med Human Rights Monitor» berichtet von Palästinenserinnen, die in israelischer Militärhaft sexueller Gewalt, Folter, unmenschlicher Behandlung, Leibesvisitationen und Androhung von Vergewaltigung ausgesetzt waren. Die Drohungen und Schläge kamen von männlichen und weiblichen Soldaten, die sie während der Folter mit ihren Handys fotografierten, berichteten die Frauen.
Hala Hanina, die junge Frau aus Gaza, spricht in einem kurzen Video auf einem Instagram-Kanal über die Frauen von Gaza und fragt die Feministinnen der Welt, ob sie nur einen Namen der Frauen nennen könnten, die seit Oktober in Gaza getötet worden seien. Eine Million Frauen und Mädchen erführen unerträgliches Leid und Gewalt, Schwangere müssten ihre Kinder mit einem Kaiserschnitt ohne Betäubung gebären, Amputationen ohne Betäubung ertragen, sie seien Witwen geworden, ihre Kinder seien vor ihren Augen getötet worden. Ob die Feministinnen nichts darüber wüssten und wenn doch, warum sie dagegen nichts unternehmen würden?
«Wie könnt Ihr Euch Feministinnen nennen», fragt Hala Hanina. Keine habe aufgeschrien, als die UN ihren Bericht über die Folter an den palästinensischen Frauen veröffentlicht haben. «Frauen werden gewaltsam ausgezogen, sexuell genötigt, müssen sich ungewollt fotografieren lassen, werden in Käfigen gehalten, beleidigt, geschlagen», so Hanina. Die Täter seien auch israelische Soldatinnen. «Sie sehen so reizend aus, wenn sie mit Entenmäulern Selfies vor den Trümmern unserer Häuser machen. Und sie sind so grausam.»
Die Zahl der getöteten Palästinenser seit dem 7. Oktober 2023 ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza auf 30.228 gestiegen (Stand 1.3.2024). Die Zahl der Verletzten liegt gemäss gleicher Quelle bei 71.377 Palästinenser. Al Jazeera hat die Namen und Gesichter von mehr als 140 Palästinensern und Palästinenserinnen zusammengestellt, die jeweils an einem Tag der israelischen Blockade gegen Gaza getötet wurde.
Nachtrag von 13.30 Uhr: Ein neuer Brief des Familienvaters aus Gaza:
Mo., den 04/03/2024. Es ist 7 Uhr.
Guten Morgen Liebe Freundinnen und Liebe Freunde,
Die IL. Angriffe gehen mit aller Härte gegen das Leben in dem Gazastreifen weiter… Es hört nicht auf. Kein Ende in Sicht. Diese IL. Angriffe machen uns fertig. Wir alle leben jede Sekunde mit der Angst, dass es uns trifft. Und für die Aussenwelt, für die Regierungschefs und die Präsidenten der ganzen Welt, ist unser Leben nichts wert. Sonst hätten sie sich für ein Ende des Krieges schon längst eingesetzt. Auf der einen Seite wird IL von USA (und anderen Ländern auch) militärisch unterstützt und im UN-Sicherheitsrat wird das Veto-Recht zum Schutz von IL von den USA eingesetzt. Und dann werden uns Lebensmittel-Pakete aus der Luft von USA Flugzeugen abgeworfen. Als würden sie sich um uns Sorgen machen.
Es gibt ein Arabisches Sprichwort: «Erst bringt er ihn um, dann nimmt er an der Beerdigungsfeier teil.» Als hätte er nichts getan, als sei er unschuldig, als wisse er von nichts. Wie soll ich das bezeichnen? Das ist sehr makaber. Das ist Heuchlerei!
Hungersnot droht mehreren hunderttausend Personen im Norden des Gazastreifens, darunter meine ganze grosse Familie. Und die Weltgemeinschaft schaut zu. Sie tut nichts dagegen. Nein, sie unterstützt den Täter weiterhin, sonst wäre ein Waffenstillstand schon längst zustande gekommen.
Werden so Menschenleben gerettet? Wird so unsere Würde unantastbar gemacht? Werden so die Menschenrechte bewahrt, die als universelle Werte für alle Menschen gelten!! Bitte aufwachen! Das Unrecht hat Grenzen erreicht. Und alles geschieht unter den Augen und den Ohren der gesamten Welt. Doch nichts Ernstes wird unternommen, um einen Stopp für diesen Wahnsinn zu erzwingen. Niemand kann und darf sagen, er/sie habe es nicht gewusst. Sie sind alle mitschuldig und werden zum Mittäter, wenn sie nichts dagegen tun. Jede/r kann schon vieles machen. Aber es sieht so aus, als wären wir Ihnen und Euch egal.
Schreibt an die Politiker, ruft sie an und fordert einen sofortigen Waffenstillstand!
Der Amerikanische Offizier (Pilot), der sich aus Protest gegen den Krieg im Gazastreifen vor der IL Botschaft in USA verbrannt hat, er kam dabei ums Leben. Es tut mir so leid und ich bin eigentlich dagegen, das hätte er nicht machen dürfen!
Auf der anderen Seite, was ist er für eine bemerkenswerte Person, welche Courage besitzt er! Er hat sein Leben geopfert, damit die Amerikaner, die Welt-Bevölkerung aufwachen. Aber der Krieg gegen die Zivilbevölkerung geht mit aller Härte weiter. Ein Ende ist immer noch nicht in Sicht. Mehr als 30.000 Getötete haben wir jetzt zu beklagen und ca. 10.000 werden unter den Trümmern vermutet und gelten als vermisst. Über 70.000 wurden verletzt. Mehrheitlich sind es Kinder und Frauen. Die abgeworfene Menge an Sprengstoffen auf den Gazastreifen entspricht mehreren Atombomben.
Der Internationale Gerichtshof hat bereits eine Entscheidung getroffen, aber IL steht auch über dem Gerichtshof und folgt nicht den Anordnungen. Wie viele Personen sollen noch ermordet werden, damit der Krieg endlich endet? Was muss noch geschehen, damit das Gewissen der Regierungschefs und Präsidenten aufwacht und sie diesen Krieg beenden.
Wie wäre es, mal etwas anders zu versuchen. Vielleicht mehr Frieden zu wagen, vielleicht ein Ende der Besatzung anzustreben. Wie wäre ein neuer Beginn auf gleicher Augenhöhe. Mit gegenseitigem Respekt und Akzeptanz des jeweils Anderen. Damit der wirkliche Frieden stattfinden kann und damit die Gerechtigkeit siegt. Und damit alle gewinnen???? Wäre das nicht einen Versuch wert????
Nur so kann der Konflikt gelöst werden, denke ich.
Danke. Salam und Shalom.
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von:
Über
Karin Leukefeld
Karin Leukefeld, Jahrgang 1954, Studien der Ethnologie, Islam- und Politikwissenschaften, Ausbildung zur Buchhändlerin. Organisations- und Öffentlichkeitsarbeit u.a. beim Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Die Grünen (Bundespartei), Informationsstelle El Salvador. Persönliche Mitarbeiterin eines Bundestagsabgeordneten der PDS (Außenpolitik und Humanitäre Hilfe). Seit 2000 freie Korrespondentin im Mittleren Osten.
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